Selbstbewusst und wundertätig
Mit Notburga im Dirndlgwand
Lange Zeit war Notburga von Rattenberg eine etwas vergessene Heilige. Heute wird sie wiederentdeckt, gelten doch ihre Ansichten als erstaunlich aktuell: Notburga setzte sich als selbstbewusste Frau im Mittelalter für die Armen und für die Sonntagsruhe ein. Sie ist auch die Patronin der Trachtenträgerinnen. Rund um ihr Fest am 13. September feiern wir in unseren Kirchen den „Dirndlgwandsonntag“.
Nähert sich der Herbst mit goldenen Spätsommertagen, reifen Weintrauben und bald zu erntenden Äpfeln, Birnen und Zwetschken, wird in vielen von uns die unweigerliche Lust geweckt, Tracht zu tragen. Die bunten Farben der Dirndlgewänder harmonieren jetzt besonders schön mit der reichen Farbenpracht in der Natur. Loden-Janker, Wetterfleck und Trachtenweste geben Wärme, wenn es unter Umständen schon etwas kühler ist. Mag es ein Zufall sein, dass die Kirche genau in dieser Zeit – am 13. September – der heiligen Notburga, unter anderem Patronin der Trachtenträgerinnen und -träger, gedenkt?
Dirndln sind langjährige Freunde & Begleiter
Traditionell wird rund um das Fest der Volksheiligen Notburga der Dirndlgwandsonntag gefeiert – heuer am 12. September. Die Kirchen und das Bundesland Niederösterreich laden an diesem Sonntag dazu ein, mit der Tracht in die Kirche zu kommen. Das Tragen von Dirndln und Trachtenkleidung unter dem Motto „Gemeinsam in Tracht“ soll die Verbundenheit der Menschen mit den Traditionen ihres Landes aufzeigen.
„Meine Dirndlkleider sind wie langjährige Freunde und Begleiter – sie erinnern mich an besondere Feste und außergewöhnliche Momente. Wir möchten den Menschen solche Erinnerungen schenken und laden alle ein, den Dirndlgwandsonntag mit uns zu feiern!“, fasst Dorli Draxler, Geschäftsführerin der Volkskultur Niederösterreich, die Idee zur Initiative zusammen.
Wer Dirndl, aber auch wer Kopftuch oder Hut trägt, darf sich mit der heiligen Notburga verbunden wissen. Die meist in einem Dirndl dargestellte Heilige ist die Patronin aller Trachtenträgerinnen sowie der Goldhauben-, Kopftuch- und Hutträgerinnen, ebenso der österreichischen Trachten- und Heimatverbände.
„Mich hat die Begegnung mit der Heiligen schon länger interessiert, bis ich vor einigen Jahren bei einem Tirol-Urlaub Eben besucht habe und auf einige Literatur über Notburga gestoßen bin“, berichtet Franz Grabenwöger, Altpfarrer von Krumbach, dem SONNTAG. Der Monsignore erzählt: „Notburga wurde um 1265 als Tochter eines Hutmachers in Rattenberg bei Kramsach in Tirol geboren. Als Dienstmagd auf Schloss Rottenburg bei Jenbach trug sie Sorge für die Armen vor dem Schloss.“
Sichelschleuderin wider unfairer Arbeitsbedingungen
Die junge Frau arbeitete als Dienstmagd auf der Rottenburg. Was bei den Mahlzeiten übrig blieb, soll Notburga den Armen gespendet haben. Bei ihrer geizigen Herrin kam das nicht gut an und wurde zum Kündigungsgrund. Danach landete Notburga als Magd bei einem Bauern. Als ihr dieser befahl, auch nach dem Vesperläuten am Samstagabend weiter zu arbeiten, schmiss sie die Sichel hin, die in der Luft schweben blieb – ein göttliches Zeichen. „Mit dem für sie typischen Ereignis beschreibt sie der verstorbene Bischof Stecher einfach als ,Sichelschmeißerin‘“, berichtet Franz Grabenwöger. Die Heilige werde daher stets mit Sichel und einigen Getreidegarben dargestellt.
Notburga stand also mutig für die Sonntagsruhe ein. Bischof Stecher schrieb über sie: „Heilige Frauen des Mittelalters sind meist adeligen Geblüts, hausen auf Burgen und in kaiserlichen Pfalzen. Die sichelschleudernde Bauernmagd von Eben fällt da völlig aus dem Rahmen. Gewerkschaftliche Ambitionen und Gesellschaftskritik – das war keineswegs das übliche Betätigungsfeld heiliger Frauen des Mittelalters.“ Notburga gilt so auch als Fürsprecherin der Mägde und Bauern und ist zudem Patronin der Arbeitsruhe und des Feierabends.
„Sehr bald nach ihrem Tod um 1313 beginnt die Verehrung an ihrem Grab in Eben. 1434 entsteht die erste Kapelle, 1740 der heutige Kirchenbau“, berichtet Notburga-Kenner Franz Grabenwöger. Brixen erlaubte die öffentliche Verehrung, 1862 anerkannte Pius IX. ihren Kult statt einer förmlichen Heiligsprechung. Auch die Jesuiten förderten die Verehrung der Heiligen. Dutzende Andachtsbildchen, Votivbilder und Prozessionsfiguren aus dem 18. und 19. Jahrhundert zeigen noch heute, wie fest das Vertrauen an Notburga im Volk verankert war.
Vorbild für frauliches Selbstbewusstsein
„In Tirol, Salzburg und Bayern ist sie bis heute die meistverehrte Heilige. In der Erzdiözese Wien finden sich ihre Bilder in Breitenwaida und Hafnerberg“, erklärt Franz Grabenwöger. Was schätzt er an der heiligen Notburga? „Mir gefällt die Verehrung durch das Volk, ohne Prozess, ohne Lobby durch Orden oder Abstammung. Sie ist für mich auch ein besonders Vorbild für die Arbeit und die Heiligung der Arbeit, die sie mit Gebet begleitete. Ebenso ist sie ein Vorbild für Sonntagskultur, für Wohltätigkeit und für frauliches Selbstbewusstsein.“
Notburga lebt heute weiter in der diözesanen „Notburga-Gemeinschaft“, die 2000 durch Bischof Kothgasser gegründet wurde. In ihr leben Frauen ähnlich den mittelalterlichen Beginen in Gemeinschaft und widmen sich dem Gebet und der Diakonie (Caritas) mitten in der Welt. Der bevorstehende Dirndlgwandsonntag bietet uns Gelegenheit, der starken Frau des Mittelalters in besonderer Weise zu gedenken und uns von ihrem lebendigen Vorbild inspirieren zu lassen.
Autor:Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.