Heimspiel für den Jedermann
Hoffnung für frauJEDERmann
Wie lassen sich 80 Personen davon überzeugen, bei Österreichs Über-Theaterstück „Jedermann“ am Ort seiner Entstehung in Wien Rodaun mitzuwirken – und das ehrenamtlich? Marcus Marschalek ging das Mammutprojekt anders an und drehte die Geschlechterrollen um. Das klappt in der Umsetzung erstaunlich gut, wie das Ensemble dem SONNTAG erzählt hat.
Ein sonniger Mittag im August. Marcus Marschalek ist mitten in einem Theaterworkshop. Nach der Arbeit dreht sich für den ORF-Religionsjournalisten aktuell alles um den Klassiker „Jedermann“. Am 3. September ist Premiere, sechs Vorstellungen sind geplant. Drei Jahre lang dauern die Vorbereitungen für die Aufführungen im September vor der Rodauner Bergkirche in Wien. Hier ist bereits der erste Anknüpfungspunkt, warum Marschalek dieses Stück für eine Inszenierung ausgewählt hat: „Hugo von Hofmannsthal hat hier im Schatten der Bergkirche den Jedermann geschrieben.“
Er wollte vor allem Menschen miteinander für andere ins Tun bringen, war seine Motivation, das Projekt anzugehen. „Ich kann den Text auswendig und bei jedem Durcharbeiten geht mir der Text näher, aber umschreiben kann man ihn nicht“, sagt Marschalek. Gespielt wird daher im Original-Text, aber mit einem interessanten Geschlechtertausch. Aus dem reichen Jedermann wird die geschäftstüchtige Frau Jedermann, dargestellt von drei Frauen. „Es ist spannend, was der Text so alles enthüllt, wenn ihn eine Frau spielt,“ ist das gut gelaunte Ensemble beim Interview mit dem SONNTAG überzeugt.
Ja, Heil ist möglich.
Worum geht es? Frau Jedermann ist selbstbewusst, erfolgreich und geschäfstüchtig. Sie erkennt im Lauf der Handlung, dass sie Mist gebaut hat. Für ein Wiedergutmachen bleibt aber keine Zeit, so sehr sie auch mit dem Tod ringt. Es bleibt alleine die Entschuldigungsbitte, der sie wenig auf ihrer Habensseite der „Guten Werke“ hinzufügen kann. Eine Bitte, die in der Rodauner-Inszenierung am Ende von Gott angenommen wird, ohne Gegenleistung. Dargestellt wird Gott in den Figuren der Armen Nachbarin, des Schuldners und seines Kindes. „Ja, Heil ist möglich“, fasst Marschalek die Botschaft des Jedermann zusammen. „Das christliche Mysterienspiel zeigt, welch heilende Wirkung das Durchbrechen des Auge-um-Auge Prinzips hat.“
Doch woher kommt die Kraft, die grundlos Leid annimmt und ohne Gegenleistung verzeiht? Im rund 80-köpfigen Team in Rodaun wurde darüber viel diskutiert und nicht jede und jeder in der bunt zusammengewürfelten Truppe sieht den Ursprung in einem christlichen Gott, wie es das Mysterienspiel nahelegt. „Der Text hat jedenfalls niemanden im Team kalt gelassen“, sagt Marschalek. „In der Version der Frau Jedermann haben ihre Worte plötzlich auch mit mir zu tun. Ich erkenne mich in so vielen Situationen wieder. Das ist erschreckend und tröstlich zugleich!“
Im Gespräch mit Ensemblemitgliedern geht es aber doch um die Frage, die bei einer Jedermann-Inszenierung immer gestellt wird: Wie geht es mit dem Buhler, dem Geliebten? „Wir sind kein Liebespaar“, lacht Katharina Hauer, die auch Teil des Regieteams ist. Ansonsten sind sich alle einig, dass sie in die Rolle ihre weiblichen Elemente einbringen können: „Wir sind hier Frauen, die ihren Mann stehen“ – eben Frau Jedermann.
frauJEDERmann
Spieltage: 3.-5. und 10.-12. September
Beginn: 19.30 Uhr Rodauner Kirchenplatz, 1230 Wien.
Bei Regenwetter: Kulturzentrum Perchtoldsdorf, Beatrixgasse 5a.
Es gelten die amtlich vorgegebenen aktuell gültigen Corona-Präventionsregeln.
Kartenpreis: 23,- EUR
Tickets: fraujedermann.at
Autor:Sophie Lauringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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