Johann Michael Haydn
„Er setzte Maßstäbe in der Vertonung liturgischer Musik“
Seine Kirchenlieder sind uns so vertraut – ein neues Buch bringt uns Michael Haydn als Mensch und Musiker in Erinnerung.
Ein neue Publikation macht Lust, die Musik von Johann Michael Haydn (1837-1806) ganz bewusst wieder erklingen zu lassen. Anhand seiner Werke wird darin auch der Werdegang des Komponisten von Rohrau bis Salzburg geschildert. Wir fragten Mitherausgeberin Eva Maria Stöckler nach der Bedeutung des bis heute so beliebten Kirchenmusikers.
- Warum gilt Johann Michael Haydn als einer der meist unterschätzen Komponisten Österreichs?
Eva Maria Stöckler: Michael Haydn war zu seiner Zeit einer der wichtigsten und auch bekanntesten Kirchenmusik-Komponisten, der aber neben der Kirchenmusik zahlreiche Werke für Kammermusik, Symphonien und Musiktheaterwerke geschrieben hat. Die Kirchenmusik wurde – anders als Konzertmusik – meist nicht gedruckt, sodass sie nur eine sehr begrenzte Verbreitung gefunden hat. Mit dem Aufkommen von Musikverlagen Anfang des 19. Jahrhunderts bedeutete das, dass diese Musik meist nur in Abschriften - und da vor allem von Kloster zu Kloster weitergegeben wurde. In den damals sich rasant entwickelnden Musikalienhandel kamen diese nie. So fand seine Musik nur wenig Verbreitung außerhalb des kirchlichen Kontextes und konnte daher nicht die Wertschätzung erfahren, die dieser Musik entsprach.
- Was macht ihn in der Musikgeschichte so bedeutsam?
Eva Maria Stöckler: Neben seinen fundamentalen Beiträgen zur Kirchenmusik (Messen, Gradualien, ...) sind es vor allem seine Lieder für Terzett und Quartett (drei oder vier Männerstimmen) – gesungen meist in seinem Freundeskreis, die als die frühesten Beispiele dieser Gattung gelten.
Was charakterisierte ihn als Mensch und Musiker?
Eva Maria Stöckler: Franz Schubert hat es mit einer Aussage über ihn zusammengefasst: Ruhe und Klarheit. Exzentrik, Eigenwilligkeit waren ihm – im Gegensatz zu seinem jungen Freund W. A. Mozart – fremd. Gutmütig, ruhig, pflichtbewusst, beständig, durchaus gebildet und belesen, ein, wie seine Freunde meinten, „aufgeklärter und helldenkender Christ“. Vor allem schätzte er seinen Freundeskreis, das gesellige Zusammensein, fröhliche Runden, für die er Lieder und Kanons schrieb. Seiner Frau war er sehr zugetan. Als Komponist arbeitete er sehr sorgfältig und planvoll, mit einem Gespür dafür Texte in Musik zu setzen.
Welche Bedeutung hatten Klöster in seinem Leben und Werk?
Eva Maria Stöckler: Das Stift St. Peter, dem er als Organist zur Verfügung stand, war wohl seine spirituelle Heimat, er wohnte ganz in der Nähe des Stifts in einem Haus, wurde zum „Familiarus“ des Konvents und durfte Gast von Abt Dominikus Hagenauer auf Schloss Goldenstein südlich von Salzburg sein. Darüber hinaus bilden die Klöster zwischen Salzburg und Wien wichtige Verbreitungswege seiner Musik.
Sie waren aber auch wichtige Auftraggeber seiner Musik. Huldigungskantaten für Äbte und Messen komponierte Haydn für Stifte wie Lambach oder Kremsmünster, seine Musik findet sich in Stift Göttweig ebenso wie auch im Stift Klosterneuburg.
Warum ist seine Kirchenmusik bis heute so beliebt?
Eva Maria Stöckler: Gerade etwa in den Gradualien (Zwischengesängen) zeigen sich seine Studien der Musikgeschichte, die Muster von überdauernder Klassizität, die Sanglichkeit und eine musikalisch hochsensible Ausdeutung der Worte. Damit setzte er Maßstäbe in der Vertonung liturgischer Musik.
Was liegt Ihnen zu Michael Haydn besonders am Herzen?
Eva Maria Stöckler: Mit dieser Publikation möchten wir aufzeigen, welche musikalischen Schätze die Musikgeschichte noch immer verborgen hält, vielleicht weil die Rezeptionsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts mehr Augenmerk auf die „große“ Konzertmusik gelegt hat. Und wie auch heute – Aufmerksamkeit erregen die extrovertierten mitunter auch skandalträchtigen Künstler, die unangepassten. Sie fallen auf. Michael Haydn war das alles nicht. Er war ein „Handwerker“ im besten barocken Sinne, der seine Pflicht mit großem Eifer, Ausdauer und größter musikalischer Kunst erfüllte und gleichzeitig mit seiner Musik weit ins 19. Jahrhundert hineinblickte – deutlich wird dies ganz besonders für das Begräbnis seines Dienstherrn geschriebene „Schrattenbach Requiem“. Man würde nicht vermuten, dass dieses kühne Werk fast 20 Jahre vor Mozarts Requiem komponiert wurde!
Buchtipp:
„... dauert ewig schön und unveraltet ...“ Johann Michael Haydn – kein vergessener Meister! - Buch von Eva M. Stöckler & Agnes Brandter (Hg.); Hollitzer Wissenschaftsverlag; ISBN: 978-3-99012-846-6; EUR 35,-
Autor:Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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