Neue Ausstellung im Dom Museum Wien
Arm und Reich, Prunk und Elend
In seiner neuen Ausstellung beleuchtet das Dom Museum Wien die immer größere werdende Kluft zwischen Armen und Reichen. Die epochenübergreifende Schau „arm & reich“ will den Finger auf Wunden legen, Blicke verschieben und durch Kunstprojekte von Armut Betroffenen ein Gesicht und eine Stimme geben. Ein Besuch lohnt sich.
Ein Bub verkauft im Winter Brezeln, steigt auf dem gefrorenen Schnee hin und her, um die Kälte abzumildern. Die Hände tief in den Hosentaschen und den Kragen hochgeschlagen, hofft er in der hereinbrechenden Dunkelheit auf Käufer. Sein kleiner Hund sucht bibbernd die Nähe des Herrchens. Im Gemälde „Frierender Brezelbub vor der Dominikanerbastei“ von 1828 machte der Biedermeiermaler Peter Fendi Armut und Kinderarbeit zum Thema.
Zu sehen ist Fendis „Brezelbub“ in einer Reihe beeindruckender Kunstwerke in der Ausstellung „arm & reich“ im Dom Museum Wien.
Die neue Themenschau widmet sich in der Gegenüberstellung von historischen und zeitgenössischen Arbeiten der aufgrund der Pandemie „immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich“, so Museumsdirektorin Johanna Schwanberg.
Die Bandbreite erstreckt sich von fotografischen Arbeiten, die von Armut Betroffene und deren alltägliches Leid genauso festhalten wie das Luxusleben von Superreichen, bis zu sozialkritischen politischen Text-Bild-Kombinationen, die die ökonomischen und politischen Systeme anklagen, die Armut und Ungleichheit hervorrufen.
„Die große Schere“, „Gesichter und Geschichten, „Kritik, Widerstand und Protest“, „Orte der Ungleichheit“, „Symbole, Materialien und Werte“ und „Teilen und Teilhabe“ lauten die sechs Kapitel der Schau, die die Kluft zwischen Arm und Reich künstlerisch ausleuchten.
Das Sichtbare und das Unsichtbare
So prangern künstlerische Arbeiten die politischen und wirtschaftlichen Systeme sowie weltweiten Machtverhältnisse an, die zu ökonomischer Ungleichheit führen. Das Video „The Visible and the Invisible“ (Das Sichtbare und das Unsichtbare) von Oliver Ressler etwa macht den weltweiten Rohstoffhandel zum Thema: Von Milliardenprofiten haben weder afrikanische Minenarbeiter noch die Länder, in denen der Abbau erfolgt, etwas, sondern der Konzern Glencore Xstrata. Das Schweizer Unternehmen macht mit seinem Rohstoffhandel 142 Milliarden US-Dollar Umsatz und betreibt 25 Prozent des weltweiten Rohstoffhandels. „Die Lunge eines Kupferarbeiters in Sambia stirbt für das billige Kupfer der Welt“, heißt es im Video. Die Kamera schaut dabei konsequent in einen grauweißen Himmel, der zwischendurch mit Rauchschwaden aus den Abbaugebieten oder anonymen Büroetagen verschmilzt.
Dieser dauerhafte Blick in den Himmel könnte aufrütteln: Was ist jenseits dieser Welt, wo (nach christlicher Vorstellung) Reichtum und Geld keine Bedeutung haben, aber das Schuldig-geworden-sein am Tod anderer ins Gewicht fallen wird?
„arm & reich“ zeigt auf faszinierende Weise, wie unterschiedlich Künstlerinnen und Künstler sich den Themen Armut und Reichtum annähern und angenähert haben: ob mit realistischen Ölgemälden wie Ferdinand Georg Waldmüller in „Die Klostersuppe“ (1858) oder mit Projekten, die direkt ins realpolitische Geschehen eingreifen – wie jenes von Isa Rosenberger, die monatelang mit von Obdachlosigkeit bedrohten Frauen arbeitete.
Mit schwarz-weiß gehaltenen Grafiken hielten Käthe Kollwitz und George Grosz Momente bitterster Armut fest. So lässt uns Kollwitz in finstere Stuben blicken, in die der Tod wegen Hunger oder Krankheit Einzug gehalten hat.
Teilen und Teilhabe
Zum Ende der Schau werden Wege aufgezeigt, wie Kunst für Ungleichheit sensibilisieren oder gar zu Umdenken und Handeln motivieren kann. Hier zeigen z. B. die „Werke der Barmherzigkeit“ des Flügelaltars des Meisters von S. H. (Oberösterreich, 1485), was wir für andere und gleichzeitig für unser Seelenheil tun können: Hungernde speisen, Nackte bekleiden, Tote beerdigen, Gefangene besuchen … Tut ein Mensch dies, so wird seine zarte kleine Seele, die jeweils im unteren Teil der Bilder zu erkennen ist, dabei von einem Engel beschenkt.
Bemerkenswert ist auch ein kleines Tafelbild aus der Werkstatt Lorenzo di Pietros, genannt „Il Vechietta“, das um 1460 entstand und den heiligen Franziskus mit einfacher Kutte und ausgemergeltem Körper bei seiner Vermählung mit der Allegorie der Armut darstellt.
„arm & reich“ entfaltet einen bereichernden Dialog von historischer und moderner Kunst.
Die sehenswerte Schau ist bis 28. August 2022 geöffnet.
dommuseum.at
Autor:Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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