Ein Symbol der Hoffnung
Ab Ostern durchstößt eine "Himmelsleiter" den Stephansdom
Die Kunstinstallation der Wiener Künstlerin Billi Thanner wird "neongoldleuchtend" von der Taufkapelle im Dom-Inneren ausgehend erst das Gewölbe "durchstoßen" und außen den Blick bis an die Spitze des Südturms lenken.
Bis Ende Mai können Interessierte jede Nacht nach oben blicken und dabei auch ihren "Sehnsüchten, Wünschen und Hoffnungen freien Lauf lassen", erklärte Thanner zu ihrer aufwendigen und spektakulären Kunstinstallation, die am Mittwoch der Karwoche in der Wiener Domkirche vorab präsentiert wurde.
Im Kircheninneren hängt eine 18 Meter lange Entsprechung zur im Freien angebrachten Leiter über den Köpfen von Besuchern. Beides - der Sprossenteil außen und jener innen - erzeugen die Illusion, dass die Himmelsleiter eine durchgehende Verbindung vom Boden bis zur Turmspitze schafft.
In der Performance "Die 33 Tugenden" veranschaulichte Thanner eingangs ihre Idee hinter der schon in der Bibel vorkommenden Himmelsleiter mit 32 Tänzerinnen und sich selbst - allesamt eine von 33 Tugenden symbolisierend. Der kunstsinnige Dompfarrer Toni Faber, der die 1972 geborene Protagonistin eines zeitgenössischen Aktionismus zur Arbeit im Dom ermuntert hatte, erläuterte dazu, auch in der christlichen Tradition stünden die Sprossen der Himmelsleiter für Tugenden: "Ausgehend von der alttestamentlichen Jakobsleiter wird in der christlichen Spiritualität der persönliche Weg eines Menschen zu Gott oft mit einer Leiter oder Treppe ins Paradies verglichen."
Welche Bedeutung hat die Himmelsleiter für Billi Thanner selbst? "Der Blick von unten nach oben ist die erste Sprosse selbst nur Vorbereitung zur Vorbereitung, und wenn man genauer hinblickt, fängt es eigentlich erst bei der letzten Sprosse an. Der Mensch geht oft in vielerlei Weise über sich hinaus und jedes Mal erfüllt er dabei sein eigentliches Leben mit Sinn. Die Himmelsleiter als Sinnleiter, so oft, bis wir erkennen, dass die unterste Sprosse gleich ist wie die Oberste. Für mich bedeutet das, dass wir das Leben auf verschiedenen Ebenen und Rängen leben. Sie, die Himmelsleiter, lehrt uns aber auch, dass es nicht darauf ankommt, welches Leben wir führen, sondern auf welchem Niveau. Niemand braucht sich Sorgen zu machen, aber das wird für uns vielleicht erst deutlich, wenn wir auf den oberen Sprossen der Himmelsleiter stehen.“
Einstimmige Zustimmung des Domkapitels
Faber wies darauf hin, dass Thanners Himmelsleiter das erste Kunstprojekt im Stephansdom war, das einstimmige Zustimmung des zwölfköpfigen Domkapitels wie auch des Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn fand. Er freue sich darüber, dass die Kirche nach negativen Schlagzeilen nun wieder ein Stück "Hoffnungsgeschichte" schreibe, so der Dompfarrer. Er sei zuversichtlich, damit auch Menschen über den engeren kirchlichen Kreis hinaus anzusprechen.
Künstlerin Billi Thanner verbindet mit ihrem Projekt auch einen Wunsch für die derzeit massiv unter Druck stehende Kulturszene: Sie selbst habe die ersten zehn Jahre ihres Künstlerinnendaseins als sehr hart erlebt, ihre Kollegen mögen sich durch die Pandemie nicht entmutigen lassen und "nicht aufgeben", sagte sie. Kunstschaffende hätten viele Ideen, viele davon ließen sich gar nicht realisieren. Thanner dankte allen, die bei der Realisierung der Leiter halfen - darunter Monteure, die eine Woche lang bei Wind und Wetter am Südturm arbeiteten.
Bei der Umsetzung der Himmelsleiter und deren Finanzierung half die Wiener "Simanek Facility Management Group GmbH". Geschäftsführerin Ursula Simacek bezeichnet die Kunstinstallation als ihr "Herzensprojekt", das "Himmel und Erde verbindet - was gibt es Besseres?". „Unser Ziel ist es, visionäre Projekte aus allen Bereichen zukünftig in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen und zu fördern. Der Fokus des langfristig angelegten Programms 'Visionary Projects' liegt auf Projekten aus dem Bereich Kunst und Kultur in Österreich, aber auch auf der Architektur und dem Gesundheitswesen", sagt Ursula Simacek.
Traumvision aus der Genesis der Bibel
Die in der Genesis des Alten Testaments (Gen 28,12) erwähnte "Himmelsleiter" oder "Jakobsleiter" symbolisiert den Auf- und Abstieg zwischen Himmel und Erde: Während seiner Flucht vor seinem konkurrierenden Zwillingsbruder Esau erblickt Jakob, Sohn Isaaks und Enkel Abrahams, in einer Traumvision diese Himmelsleiter, auf der Engel Gottes auf- und niedersteigen. Im Johannesevangelium im Neuen Testament (Joh 1,51) wird das Bild der Jakobsleiter typologisch auf den auferstandenen, in den Himmel aufgefahrenen Christus übertragen.
Autor:Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
Sie möchten selbst beitragen?
Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.