Zeit für den Hirtenhund
Voneinander lernen – eine Idee?

Foto: David Kassl

Wer hätte das gedacht. Nach den Chatprotokollen der letzten Monate, die unsere politische Elite gleichermaßen als „Digital Natives“ und als „Digital Naives“ dastehen ließ, hat man sich offenbar eines Besseren besonnen und auf so etwas Altbackenes wie „Sideletter“ zurückgegriffen, um Absprachen zu treffen, wer wo in der Regierung sein Revier markieren darf.

Ein richtiger Brief, so wie früher auf Papier geschrieben und mit handschriftlichen Signaturen. Das geschichtliche Vorbild, quasi die Mutter aller Sideletter, ist wohl das „Geheime Zusatzprotokoll“ des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts von 1939. Darin wurde u. a. die Aufteilung Polens zwischen den Großmächten geregelt.

Es darf wohl als Erfolg der politischen Evolution gewertet werden, dass heute in Sidelettern nur noch Posten vergeben und nicht ganze Länder und Völker mit einem Federstrich geteilt werden.

Unruhige Träume ...
Nun ist in einem unruhigen Traum wieder alles bei mir durcheinandergeraten. Das Problem, fähiges Personal zu finden, ist ja kein Spezifikum der Politik. Damit ringen alle modernen, liberalen Staaten. Aber eben auch Österreich und der Vatikan. (OK, ein billiger Kalauer …).

Vielleicht sollte, so träumte ich, die Kirche am Usus der Politik Maß nehmen und noch im Konklave, etwa ab dem dritten Wahlgang, wenn’s um die heilige Wurscht geht, mit solchen Sidelettern operieren.

Dann fänden sich im vatikanischen Archiv vielleicht einmal Zettel wie diese: „Sobald ich Papst bin, wirst du, geschätzter xxx, mein Kardinalstaatssekretär und Monsignore xxx baut mir bitte Radio Vatikan so um, dass ich auch künftig hier im Apostolischen Palast ‚Bayern 3‘ empfangen kann. Joseph R.“

Oder Zettel der Gegenfraktion: „Buona sera! Wenn ihr mich zum Papst macht, bleibe ich im Gästehaus wohnen und ihr dürft den Apostolischen Palast privat vermieten. Ansonsten gelobe ich, keine Reformprozesse zu starten, keine Interviews zu geben und keine Unruhe zu stiften. J. Bergoglio (der vom anderen Ende der Welt).“

Umgekehrt könnten österreichische Politiker beim Blick auf die Kirche(ngeschichte) lernen, wie man einen modernen Staatsfunk aufbaut. Multinational, vielsprachig, mit enormer Reichweite und nicht umlage-, sondern eben wie gewünscht steuerfinanziert.

Als Armin Wolf – vulgo Arminius Lupus – zum ersten Mal in römischer Tunika die „Nuntii Latini“ verlas, muss ich wohl aufgewacht sein.

Leserforum des Hirtenhund

Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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