Zeit für den Hirtenhund
Von der Zölibatspflicht zur Ehepflicht
Manche Autoren haben Ghostwriter. Ich habe Ghostreader, die mich maßregeln, wenn ich zu binnenkirchlich werde. „Schreib erdiger!“, rufen sie mir zu.
Also gut. Reden wir über Sex. Nicht, dass mich das Thema persönlich reizt, hat doch ein beherzter tierärztlicher Eingriff in meiner Jugend jeder aufkeimenden Libido einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch in dieser unterleibigen Angelegenheit bin ich somit ein idealer Hirtenhund.
Aber zum Thema: Es geht – no na – um den Zölibat und die aktuell wieder aufgeflammte Debatte darüber.
Mit einem aufsehenerregenden Votum hat sich das deutsche Reformprojekt „Synodaler Weg“ für eine Freistellung des Zölibats ausgesprochen. Und zwar nicht etwa so, wie man es in konservativen Medien trommelt, mit Kampfgeschrei und Schaum vor dem Mund, sondern mit einem ausgewogenen Text, den auch Bischöfe mittragen konnten.
Ein Text, der mit Wertschätzung über den Zölibat und ehelos lebende Priester spricht. Der aber auch ausspricht, was als dunkle Ahnung im Raum steht: dass der Pflichtzölibat dazu führen kann, „überproportional viele Männer anzuziehen, die sich ihrer Sexualität, ihrer sexuellen Identität und Orientierung unsicher sind und die Auseinandersetzung damit vermeiden wollen.“ Damit ist es raus: Es geht um den Zusammenhang mit Missbrauch, der auch (nicht nur) vom „regressiv-unreifen Typus“ Männer verübt wurde.
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Wenn der Kirche die Prävention wirklich wichtig ist, dann müsste sie doch alles daransetzen, Männer ins Priesteramt zu locken, die über sexuelle Reife verfügen.
Aber wie soll das gehen? Mit Tinder-Unterricht in den Priesterseminaren? Oder verpflichtenden Outdoor-Exerzitien auf dem Gürtel? Oder trifft gar zu, was der kabarettistisch begabte deutsche Bischof Voderholzer gewohnt bissig formulierte: dass aus der Pflicht zur Ehelosigkeit rasch eine Ehe-Pflicht werden würde, um jede „Brautschau“ des Pfarrers zu vermeiden? Ob auch hier die Priesterseminare adäquat als Kuppel-Kompetenzzentren vorbereitet wären?
Paul Zulehner fasste eine Studie unter Priestern zum Zölibat mit den Worten zusammen: „Ein Drittel scheitert daran, ein Drittel tut sich schwer, ein Drittel kommt gut damit zurecht.“
Prophetisch! Denn würde er unter Durchschnittsmännern nach ihren Erfahrungen mit der Ehe fragen, die Antwort würde wohl gleich lauten.
Autor:Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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