Zeit für den Hirtenhund
Bischöfliche Fasten-Dolchstoßlegende

Foto: David Kassl

Je länger ich aus meinem Körbchen heraus die Kirche beobachte, desto mehr Hunde entdecke ich. Zum Beispiel die Kunst. Auch die ist ein Hund. Wobei: wohl nicht die Kunst an sich, sondern die vielen selbsterklärten Kunstsachverständigen, die sich echauffiert zu Wort melden, sobald irgendwo mal etwas anderes als barocke Rauschgoldengel in Kirchen an die Wände gepinselt wird. Vor 14 Jahren sorgte eine Ausstellung von Werken Alfred Hrdlickas mit viel nackter Haut im Wiener Dommuseum für massive Erregung der katholischen Geschmackspolizei. Heute ist es ein Fastentuch in der Innsbrucker Universitätskirche, das das Blut der kath.net-Inquisitoren in Wallung versetzt. User „Waldi“ schaffte ungewollt ein kleines Sprachkunstwerk, als er attestierte: „Mein Gott, was muss sich die katholische Kirche und alle, die ihrer katholischen Glaubenslehre treu geblieben sind, für dolche [sic!] Bischöfe fremdschämen.“

Was war geschehen? Hatte der kunstsinnige Bischof Glettler selbst zum Pfaffenpinsel gegriffen? Oder wurde gar das Werk „Teufelgott“ großflächig an die weiße Kirchenwand projiziert? Das hätte tatsächlich das Potenzial zum Aufreger: Erstens, weil es eine fast kindlich wirkende Teufelszeichnung darstellt, zweitens, weil sein Erschaffer, August Walla, viele Jahres seines Lebens in Nervenkliniken lebte und in seinen Werken weibliche Figuren oft mit einem Hakenkreuz, männliche hingegen mit Hammer und Sichel markierte, und drittens, weil dieses Bild aus der Sammlung Otto Mauers stammt und im Dommuseum in Wien zu sehen ist. Nein, in Innsbruck geht es den Kunsttrollen um etwas anderes: Das Kunstwerk der Fotokünstlerin Carmen Brucic mit dem Titel „tired?“ zeigt einen auf einem Laken liegenden Mann mit nacktem Oberkörper und geschlossenen Augen. Auf dem Arm ist ein V für „Victory“ (Sieg) eintätowiert. Für Glettler ein vielschichtiges Werk, das Erschöpfung und österlichen Sieg zugleich ausdrückt. Des Pudels Mütze aber liegt woanders: Der Abgebildete gehöre nämlich der LGBTIQ-
Community an, also der Szene von nicht heterosexuell empfindenden Menschen, die gerade alles, was heilig ist, durch ihren unheiligen Lebenswandel zerstören.

Da doch lieber passend zu Ostern ein Duplikat der Rosenkranzmadonna von Caravaggio als Fastentuch, oder? Caravaggio geht ja bekanntlich in sakralen Räumen immer. Obwohl, der war ein Mörder und homosexuell soll er auch noch gewesen sein …

Autor:

Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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