Pro Oriente
„Wir brauchen noch mehr eine Ökumene der Tat“

Alfons M. Kloss: „Das offene Aufeinanderzugehen ist das richtige Rezept.“
 | Foto: Stefan Kronthaler
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Ende Jänner stand die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ wieder im Mittelpunkt der Seelsorge. Pro Oriente-Präsident Alfons M. Kloss erklärt, warum Ökumene nicht nur eine Sache für Interessierte und Experten ist, sondern alle angeht. Pro Oriente hat sich seit 1964 dem Dialog und der Begegnung mit den Schwesterkirchen des Ostens auf vielen Ebenen verschrieben.

Es wird vielleicht in Österreich das ökumenische Ereignis im Hinblick auf die Kirchen des Ostens im heurigen Jahr. Vermutlich am 28. Mai wird der Besuch des Moskauer Patriarchen Kirill I. in Wien erwartet. Was sich Alfons M. Kloss, der Präsident von Pro Oriente, von diesem Besuch erhofft? „Das ist eine ganz wichtige Ankündigung, die wir mit großem Interesse verfolgt haben“, sagt Kloss im Gespräch mit dem SONNTAG: „Jeder Besuch eines Patriarchen von einer orthodoxen oder orientalisch-orthodoxen Schwesterkirche ist ein großer Moment der Freude für uns, weil ein Besuch den Austausch und die Begegnung stärkt. Daher sehen wir diesem Besuch mit großer Erwartung entgegen.“

Wie lässt sich die Arbeit von Pro Oriente in wenigen Sätzen beschreiben?
Pro Oriente wurde gegründet während des Zweiten Vatikanischen Konzils, also zu einer Zeit, als die Ökumene einen großen Aufbruch erlebt hat, als man mit Spannung und Erwartung zugegangen ist auf die orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen. Pro Oriente hat sich zum Ziel gesetzt, einerseits den wissenschaftlichen theologischen Dialog mit den Schwesternkirchen zu fördern, also das Aufarbeiten der Themen, die uns über die Jahrhunderte unterschieden haben, wo wir geglaubt haben, dass wir große Unterschiede haben. Andererseits sind wir eine unabhängige Plattform der Begegnung. Ich glaube, das ist besonders heute wichtig, dass sich auch Kirchenvertreter in einem sehr informellen Rahmen treffen können, sich austauschen können und auch Gespräche führen, die dann auch in den offiziellen Dialog mit dem Vatikan einfließen können. Zunehmend sind wir eine Plattform für Dialog und Versöhnung. Wo man auch sozusagen gesellschaftlich heiklere Prozesse behandeln kann. Wir waren vergangenes Jahr in Addis Abeba, wo Pro Oriente eine sehr spannende und wichtige Konferenz mitorganisiert hat zwischen der dortigen orthodoxen Kirche und der katholischen Kirche, wo auch versucht wurde, geschichtliche Brüche aufzuarbeiten. Das alles gehört zu unserer DNA.

Wie informiert Pro Oriente über Glauben, Leben und Denken der fast unüberschaubaren Kirchen des Ostens?
Mir fällt in letzter Zeit sehr stark auf, dass wir auch eine Art von Think-Tank geworden sind. Wenn Menschen wissen wollen, wer oder was eigentlich die orientalisch-orthodoxen Kirchen, was die Besonderheiten dieser oder jener Kirche sind, dann stehen wir zur Verfügung und bieten diese Informationen an. Wir sind etwa letztes Jahr eingeladen worden, nach Brüssel zu fahren und vor der zuständigen Rats-Arbeitsgruppe für den Mittleren Osten über die Situation der dortigen Christen zu referieren. Die Rats-Arbeitsgruppe suchte eine Institution, die ihre Fragen beantworten konnte: Wie empfinden die Kirchen ihre politische Situation? Wie sind sie miteinander vernetzt? Was kann man tun, um ihre Stellung zu stärken? Das war auch für uns eine sehr eindrucksvolle Erfahrung. Und ich glaube, dass Pro Oriente auch bei der Integration der Mitglieder der orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich hilft. Wir pflegen ein sehr starkes Netzwerk mit den hiesigen Schwesterkirchen, um zu sehen: Was sind hier ihre Anliegen? Wo kann man unter Umständen unterstützend helfen? Was können wir von ihnen lernen? Da haben wir einen regen Austausch, wir gehen zu ihren Veranstaltungen und helfen ihnen auch manchmal bei Aktivitäten, die für ihre Arbeit wichtig sind. Die einen sprechen mehr das Trennende, das Unterscheidende an, die anderen mehr das Tun, das Handeln.

Wofür plädieren Sie?
Was mich bei der Arbeit für Pro Oriente fasziniert, ist der Reichtum an Kirchen, mit denen wir zu tun haben. Viele Jahrzehnte haben wir uns darauf konzentriert zu sehen, wie man in der Ökumene ganz konkret vorankommt, wie man sich auch bei gewissen sachlichen Themen annähert. Jetzt wird uns immer mehr bewusst, dass in einer Welt, in der wir Christen besonders gefordert sind, es besonders wichtig ist, sich darauf zu konzentrieren, was wir gemeinsam tun können und weniger auf das, was uns unterscheidet. Papst Franziskus spricht immer wieder von der Ökumene der Tat. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Begriff. Es gehört einfach dazu, dass sich Christen zusammentun und schauen, wie sie zu großen Themen unserer Zeit in der Gesellschaft aktiv wirken können. Sei es der Erhalt der Schöpfung, wo gerade die Orthodoxie sehr viel Vorarbeit geleistet hat und sich sehr stark engagiert, sei es das Sich-Kümmern um die Ausgegrenzten und um die Armen, also Caritas, Diakonie. Dieses Bild, das der Papst immer wieder verwendet, dass man gemeinsam gehen soll in der Welt von heute und dass im Gehen sich dann auch die Annäherungen ergeben werden, das gefällt mir sehr gut.

Was kann man sich unter dem heurigen Thema der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ – „Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich“ (Apostelgeschichte 28,2) – vorstellen?
Dieser Bibelvers ist ein sehr eindrucksvoller Satz über das Verhalten der Einwohner von Malta gegenüber den Schiffbrüchigen, darunter war der Apostel Paulus. So spricht auch Papst Franziskus immer wieder davon, wie wichtig heute eine Kultur der Begegnung ist. In unserer vernetzten, vielschichtigen Gesellschaft brauchen wir einfach das Aufeinanderzugehen, wo sich Menschen miteinander treffen, miteinander reden. Pro Oriente ist so eine Plattform, wir wollen eine Begegnungsstätte sein hier in unserem Land, mit den orthodoxen Communities, die hier leben, aber natürlich vor allem auch mit denen in ihren Heimatländern.

Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils, heißt es gleich am Anfang des Ökumenismus-Dekrets (UR 1). Wie steht es um die Erfüllung dieser Hauptaufgabe?
Ich glaube, bei diesem Auftrag müssen wir uns alle ein bisschen am Schopf nehmen. Die Tendenz war sicher eine positive, über Jahre hindurch sich zu bemühen, tatsächliche Stolpersteine aus der Geschichte, aus der Tradition auszuräumen. Das ist zu einem hohen Maß gelungen. Ich glaube auch, dass dieses offene Aufeinanderzugehen das richtige Rezept ist. Wir sollten uns nicht aufhalten mit sozusagen scheelen Blicken: Wer wie viele Millimeter noch mehr in eine Richtung gehen könnte oder sollte. Ich denke, dass es besonders wichtig ist, dass wir hier diesen gemeinsamen Weg positiv und mit Motivation gehen. Denn die Gesellschaft erwartet sich von den Christen etwas mehr, als dass sie sich über ihre Unterschiede unterhalten. Ich glaube ganz stark, dass dieses gemeinsame Zeugnis in der Welt von heute ein ganz wichtiges Anliegen ist. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass das auch das Anliegen führender Repräsentanten der östlichen Kirchen ist. Dabei setzen wir alle auf die neuen Generationen, die auf die Einheit hoffen.

Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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