Trotzdem nah bei den Menschen
Wie die Erzdiözese Wien in der Coronakrise hilft

In der Webstube und der Kreativwerkstatt der St. Elisabeth-Stiftung werden von den Frauen gerade Gesichtsmasken für die Kinder in den Mutter-Kind-Häusern genäht.  | Foto: St. Elisabeth-Stiftung
  • In der Webstube und der Kreativwerkstatt der St. Elisabeth-Stiftung werden von den Frauen gerade Gesichtsmasken für die Kinder in den Mutter-Kind-Häusern genäht.
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Die katholische Kirche Wiens ist in der derzeitigen Krise trotz Distanzwahrung hilfemäßig ganz nah bei den Menschen, die psychisch, pädagogisch oder finanziell in Sorge geraten sind. Ein Blick des SONNTAG auf einige Hilfsangebote beweist: Ob Alleinerziehende, Mütter in Notsituationen, Menschen mit Sorgen, die die Telefonseelsorge kontaktieren, oder auch Eltern, deren Kinder Privatschulen besuchen – die Erzdiözese Wien zeigt, sie ist in der Not nah bei ihnen und hilft.

„Das Konfliktpotential steigt massiv“, schildert Nicole Meissner, Geschäftsführerin der St. Elisabethstiftung der Erzdiözese Wien. Diese unterstützt schwangere Frauen, wohnungslose alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern und Familien in Notsituationen durch Beratung und durch Wohnangebote. In der Coronakrise hat vor allem der Beratungsbedarf stark zugenommen: „Sehr viele rufen bei uns an, viele Männer haben ihren Job verloren, die Familien leben auf engstem Raum, alle sind zu Hause.“ Das überfordere sehr viele der Familien, schildert Meissner: „Das Konfliktpotential steigt aufgrund der psychischen Belastung, aber auch das Gewaltpotential. Das merken wir in der Beratungsstelle ganz direkt.“ Die Beratungen wurden komplett auf Video-, Chat- und E-Mail-Beratung umgestellt.

Beratung auch zu den Osterfeiertagen

„Wir haben das Beratungsangebot massiv aufgestockt, zum Teil verdoppelt und verdreifacht. Gerade im Bereich der Rechtsberatung, wo wir einen Tag in der Woche hatten, bieten wir nun von Montag bis Freitag von
9 bis 16 Uhr Rechtsberatung an“, erläutert die Geschäftsführerin der St. Elisabethstiftung. Auch die Familienberatung, jene für Mütter und Kinder, sowie die Schwangerenberatung für nichtversicherte Frauen wurden ausgeweitet. Diese werden auch über das Osterwochenende telefonisch weitergeführt.

Webstube näht Gesichtsmasken für Kinder

Die Stiftung führt zwei Mutter-Kind-Häuser. Hier sei besonders das Konfliktpotential zwischen Müttern und ihren Kindern im Alltag eine große Herausforderung. Nicole Meissner schildert aus dem Alltag: „Die Frauen sollen nicht hinausgehen, sie halten sich auch brav daran. Sie versuchen Spielplätze zu meiden und nur das Notwendigste zu erledigen. Die Frauen sind ja auch deshalb bei uns, weil es eine Vorgeschichte gibt mit
Eskalationspotential. Und da kommt natürlich diese Krise noch hinzu und drängt die Frauen wirklich noch einmal ganz an den Rand unserer Gesellschaft: finanziell, psychisch, aber zum Teil auch physisch.“ Die Frauen in den Mutter-Kind-Häusern wurden mit Desinfektionsmitteln, Handschuhen und Masken versorgt. „Denn gerade hier leben die Frauen auf engem Raum miteinander.“ Was den Arbeitsintegrationsbereich betrifft, musste das Angebot dezimiert werden. Aber in der Webstube und der Kreativwerkstatt wurde auf die aktuellen Herausforderungen reagiert. Da nähen die Frauen gerade Gesichtsmasken für die Kinder in den Mutter-Kind-Häusern. Die Osterkerzen, die heuer aufgrund der Sperre nicht im Zwettlerhof verkauft werden konnten, bekommen die Mütter dann zum Osterfest verteilt.

Während die meisten Menschen in ihrem Leben durch das Coronavirus eingeschränkt sind, bedeutet das für Alleinerziehende eine vielfache Mehrbelastung und Überforderung. „Wir bekommen vermehrt Anfragen mit den unterschiedlichsten Problemen“, so Eva-Maria Nadler von der Kontaktstelle für Alleinerziehende der Erzdiözese Wien. „Finanzielle Engpässe, die Belastung zu Hause, wenn sie Homeoffice machen sollen, dazu die Kinder betreuen, die größeren bei der Hausaufgabe unterstützen, die jüngeren beschäftigen. Da kommt eine Fülle von Überbelastungen gerade auf Alleinerziehende hinzu“, erläutert die Leiterin der Kontaktstelle. Hilfe und Rat wird derzeit per Telefon und per E-Mail gegeben. Auch ein eigener Chat wurde eingerichtet. Dieser wird Dienstagabend betreut. „Das ist eine Möglichkeit, wo sich Alleinerziehende, wenn Ruhe einkehrt, austauschen können.“

Kreativität in verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten

Eva-Maria Nadler nennt ein Beispiel kon-kreter Hilfe: „Eine Mutter hatte einen Uraltcomputer zu Hause, ihre Kinder müssen aber die Hausaufgaben gut erledigen können. Da habe ich Kontakte zu Computerfirmen hergestellt. Wir konnten zu kostengünstigen PCs verhelfen.“ Auch alleinerziehende Mütter sind durch Jobverlust wirtschaftlich gefährdet, berichtet Eva-Maria Nadler. Plötzlich auftretende defekte Haushaltsgeräte oder Miet- und Stromnachzahlungen gefährden dann die Existenz. Viele kommen mit ihrem Haushaltsgeld nicht mehr aus: „Die Kinder und Jugendlichen sind den ganzen Tag zu Hause, es müssen drei Mahlzeiten täglich gekocht werden, die Kinder sind hungrig. Es geht sich mit dem Geld nicht mehr aus, das sind wirklich sehr breit gefächerte Probleme und Belastungen für Alleinerziehende.“

E-Learning und mutmachende Botschaften

Die Coronakrise stellt auch die katholischen Privatschulen vor große Herausforderungen. Hier setzt man, so Andrea Pinz, die Leiterin des Schulamts der Erzdiözese Wien, ganz stark auf Begegnung, Beziehung und soziale Interaktion. Hier kommt besonders das E-Learning zu tragen. „Jede Schule entwirft für jede Klasse einen strukturierten Tages-plan, in vielen Fällen auch einen vorgefertigten Wochenplan“, erläutert die Leiterin des Schulamts. Neben den schulischen Herausforderungen geht es auch um Mut machende und motivierende Botschaften per Video.

Auch im Gebet verbunden

„Über die Website haben die Verantwortlichen unserer Schulpastoral Morgenimpulse formuliert. Jeden Tag gibt es einen solchen Impuls, der beiträgt, die Isolation zu sprengen und vor Augen zu führen, wir sind eine große Gemeinschaft, sind im Gebet verbunden.“ Viele Eltern und Kinder verwenden diese Impulse beim Frühstück, weiß die Pädagogin. In den ersten Wochen der Coronakrise habe für die Schüler fernab des gewohnten Schulgebäudes „die Dynamik des Neuen“ gewirkt. Nun mache sich aber durch den zeitlichen Verlauf Resignation breit. Daher wurde eine Telefonhotline mit dem Namen „Sorgen.los“ eingerichtet.

Hotline von Eltern und Lehrern nachgefragt

Ein Team von Schulpsychologen, pastoralen Mitarbeitern und weiteren Experten stehen hier für Beratung zur Verfügung. „Wir merken, dass in erster Linie Eltern diese Hotline nützen. Denn diese stehen meistens in der Doppelbelastung von Arbeit im Homeoffice und der pädagogischen Betreuung ihrer Kinder“, berichtet Andrea Pinz. Besonders Eltern von Kindern in Abschlussklassen wie vierter Klasse Volksschule, wegen möglicher AHS-Genehmigung, sowie achter Klasse Gymnasium mit Maturanten haben große Sorgen: „Das sind Umstände, da muss man auch den Druck rausnehmen“, weiß die Leiterin des Schulamts. Aber auch die Lehrer wenden sich an die „Sorgen.los“-Hotline: „Sie stellen sich Fragen wie: Was heißt es professionell agieren in dieser Zeit?“ Eine weitere Rückmeldung einer Lehrerin war: „Ich fühle mich, wie wenn ich ein Kreuzfahrtschiff ganz alleine steuern müsste.“ Das sei ein Bild dafür, „dass auch Lehrer, die jetzt zu Hause arbeiten, in einer Situation sind, wo sie für sich selber neue Rahmenbedingungen schaffen müssen“, erklärt Andrea Pinz.

Matura mit Gesichtsmaske durchführbar

Neue Rahmenbedingungen gelte es auch für die bevorstehenden Maturaklassen zu setzen, denn, „jeder junge Mensch hat das Recht auf den Höhepunkt seines Schullebens, eine Matura zu machen und später nicht das Gefühl zu haben, ich habe keinen gleichwertigen Abschluss. Man kann eine schriftliche und eine mündliche Matura auch mit Maske machen. Ich bekomme Rückmeldungen von Schülern der Maturaklassen, die sagen, die Situation ist jetzt für uns eine gute, weil wir uns gezielt vorbereiten können“.

Ältere rufen an, jüngere nützen auch die Chatseelsorge

Unter der Telefonnummer 142 ist die Telefonseelsorge rund um die Uhr erreichbar. „Normalerweise rufen 80 bis 100 Menschen an pro Tag, jetzt sind es bis zu 170 Anrufer“, berichtet deren Leiterin Antonia Keßelring. Vor allem einsame Menschen würden den Kontakt suchen. Jüngere hätten den Vorteil, auch per Chat, Mail oder Videotelefonie Menschen zu kontaktieren, ältere Menschen würden aber eher das Telefon nützen. Auch Menschen, die ihre Partnerschaft gerade nicht leben können, da sie in getrennten Haushalten leben, rufen bei der Telefonseelsorge verstärkt an, so Antonia Keßelring.

Im Chat äußern sich Beratungssuchende auch über das Thema Gewalt, „weil sie vielleicht nur schwer telefonieren können“, erläutert die Leiterin der Telefonseelsorge in der Erzdiözese Wien. Und besonders auch die Sorge um den Arbeitsplatz werde oft thematisiert, wie auch das kommende Osterfest. „Ältere Menschen, die keinen Internetzugang haben, wissen oft nicht, wann Gottesdienste sind.“ Die Anrufer beschäftigt auch die Frage, „wie es nach Ostern weiter gehen wird“. Die Mitarbeiter der Telefonseelsorge werden auch zu den Osterfeiertagen ihren Dienst anbieten und für die Menschen da sein.

Folgende Krisendienste bietet die Erzdiözese Wien an:

Telefonseelsorge: 142

Anliegentelefon: 01 51552 6120

Elisabethstiftung (Frauen in Not, Schwangere, häusliche Gewalt): 01 54 55 222 10

Familienberatungsstellen: 0676 668 89 02

Hilfe für Alleinerziehende: 01 51552 3343

Schulpsychologen: 01 3949009

Krankenhausseelsorge: 0664 5155220

Seniorentelefon: 0664 8243631

Autor:

Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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