Meinung
Von Gottesdienst und Nächstendienst
Wärmestube, da steht es.
Der Pfeil führt ein paar Stufen hinab, unter die Kirche. Eine schwere Tür zum Aufdrücken, schnell hinein ins Warme.
An einem kleinen Tisch sitzen zwei Frauen, bitten darum, sich mit Name, Nationalität und Angaben zu Unterkunft/Schlafstätte in eine Liste einzutragen. Viele haben nur ein Kreuzchen gemacht, viele haben angegeben, in einem Notquartier zu schlafen.
Die Maske bitte aufbehalten. Dann die Doppelschwingtür, hinein in die gute Stube. Ein großer Pfarrsaal mit gedeckten Tischen tut sich auf. Weihnachtlich sind sie geschmückt, mit Tannenzweigen und Lametta. Die Tische sind noch schütter besetzt, später werden sie voll werden. Den Neuankömmling begrüßt eine Ehrenamtliche. Sie fragt, ob Tee oder Kaffee gewünscht ist und sagt, dass es zu Mittag Suppe und Gulasch geben wird.
Am Rand des Saals sind Tische umgekippt aufgestellt, so dass sie kleine Trennwände ergeben, dahinter Matratzen und Decken. Hier geschützt etwas zu schlafen, in der Gewissheit, nicht vertrieben zu werden, eine Wohltat.
Am 14. 11. war Welttag der Armen. Papst Franziskus schreibt, dass wir nicht darauf warten dürfen, dass die Armen bei uns an die (Kirchen-)Tür klopfen. Wir sollen bitteschön selber dorthin gehen, wo sie sind. Oder ihnen einen Ort bereiten, an dem sie sich wohl fühlen, füge ich hinzu.
Ich hatte letztens eine Diskussion darüber, ob unsere Kirche tatsächlich die Kirche Jesu Christi ist. Oder besser, ob Jesus heute in dieser Kirche wäre. Das Ergebnis unserer Diskussion war nicht wirklich eindeutig. Nein, er wäre sicher nicht Teil dieser Kirche, deren Hierarchien Missbrauch befördern. Die die Hälfte der Gläubigen von Weiheämtern ausschließt. Wo viele das Gefühl haben, sie müssten erst einmal beweisen, dass sie katholisch genug sind, bevor sie dabei sein dürften. Wo die Wirrnisse des Lebens plötzlich zu Ausschlusskriterien werden.
Doch wir waren uns ganz sicher, dass Jesus die Wärmestube als seine Kirche sehen würde. Das Sorgen für andere, dieser Nächstendienst, ist bestimmt auch für ihn Gottesdienst.
Katharina Renner (42) ist bei der PfarrCaritas tätig und Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreich.
Aktion Wärmestube
Bereits zum zehnten Mal findet heuer die Aktion "Wärmestube" statt. Wiener Pfarren und kirchliche Einrichtungen öffnen ihre Türen, um im Winter tagsüber Menschen in Not aufzunehmen.
Die "Wärmestuben" sind offen für alle: Für Obdachlose, genauso aber für einsame Menschen und solche, die sich das Heizen oder ein warmes Essen nicht leisten können. In den Wärmestube erwartet sie alle ein Platz zum Ausruhen, Essen, Trinken und ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte. Die Wärmestuben haben bereits den Betrieb aufgenommen; unter Einhaltung aller maßgeblichen Covid-Vorschriften.
Die Wärmestuben werden von Ehrenamtlichen aus den Pfarren geführt und bei Bedarf von Caritas-Freiwilligen unterstützt. Die Pfarr-Caritas bewirbt das Projekt, begleitet die Pfarren, unterstützt und schult die Ehrenamtlichen.
An der Aktion "Wärmestube" beteiligen sich mehr als 30 katholische Pfarren, aber auch eine methodistische und eine evangelische Pfarre, sowie ein Zentrum der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ("Mormomen") sowie ein Zentrum des türkischen Vereins ATIB. Oberstes Prinzip aller Wärmestuben ist die Offenheit für alle Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft oder Religion.
Autor:Der SONNTAG Redaktion aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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