Pater Karl Wallner persönlich
„Mir hat der liebe Gott einen Tritt in den Hintern versetzt“
Zisterzienserpater Karl Wallner gehört zu den bekanntesten Ordensmännern hierzulande. Seit vier Jahren ist er Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich. Sein Credo: Den Advent dürfen wir trotz Corona nicht aus den Augen verlieren.
Pater Karl Wallner ist Wegbegleiter im „radio klassik Stephansdom-Stadtbummel“, der Menschen aus Kirche und Gesellschaft an Orte mit ihren Themen begleitet.
Der SONNTAG bringt Auszüge des „Stadtbummels“, der auch in den Wiener Stadtpark führte.
- Wie geht es den Päpstlichen Missionswerken in Zeiten der Pandemie?
P. KARL WALLNER: Ich bin im März wirklich in Panik verfallen, weil wir davon abhängen, dass Menschen uns unterstützen, dass wir Spenden erhalten. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass die Leute in dieser doch sehr großen Bedrängung weiterhin ein Herz haben für die Ärmsten der Armen. Dann kam auch noch eine Flut an Hilfsansuchen.
- Wer ist davon besonders betroffen?
Corona hat die Menschen in den armen Ländern des Südens sehr hart getroffen. Sie haben kein Erspartes, sind Tagelöhner, medizinisch sind sie unterversorgt. Erschwerend gab es die Heuschreckenplage in Ostafrika oder das Erdbeben in Nepal.
- Wie können die Päpstlichen Missionswerke trotz Corona helfen?
Es ist tatsächlich so, dass es eine Großherzigkeit unserer Spender gibt und eine tiefe Humanität und Christlichkeit. So können wir hunderte Hilfsprojekte in aller Welt unterstützen. Wir bauen Brunnen und Schulen und unterstützen Waisenhäuser.
- Wer prüft den Bedarf in den Projekten?
Wir haben ein Team von fünf Leuten bei Missio, das sich bei den Anträgen schon ein Bild von der Notwendigkeit macht. Wenn zum Beispiel ein Antrag aus Indien kommt, in einem Dorf möchte man eine Schule bauen, obwohl drei Kilometer entfernt eine ist, müssen wir das auch strikt handhaben, damit die Leute nicht Geld in den Sand setzen. Jeder Euro, der gegeben wird, ist einfach unglaublich wertvoll und wir haben in der Verwendung eine große Verantwortung.
- Sie konnten Papst Franziskus bereits öfter treffen. Was sprach er dabei an?
Es ist Mission. Darin legt er sein ganzes Herz. Er möchte eine Kirche, die missionarisch ist. Ihm ist wichtig, dass andere an dieser Freude des Glaubens teilhaben.
- Wie sind Sie persönlich sozialisiert worden für den Glauben?
Ich habe gläubige Eltern, die nicht bigott und übertrieben religiös waren, aber die den Glauben auf sehr nüchterne und sehr konstante Weise vorgelebt haben. Auch im persönlichen Bereich durch das Abendgebet, ein Kreuzzeichen vor dem Schlafengehen für uns Kinder. Sie haben uns immer wieder in die Kirche mitgenommen. Ich war auch Ministrant. Ich weiß aber noch, wie ich im Gymnasium schwadroniert habe, dass ich mit 18 Jahren aus der Kirche austreten werde, weil es mich nicht interessiert.
- Das ist dann doch anders gekommen?
Ja, ich lernte eine Gebetsgruppe kennen und bin dann wirklich tief gläubig geworden, weil ich beten gelernt habe. Ich habe echte Gotteserfahrungen beim Gebet gehabt, auch Erhörungen. Die Leute machen oft Umwege, bis sie zu Jesus finden. Mir hat der liebe Gott sehr schnell und zügig einen Tritt in den Hintern versetzt, damit ich auf den Weg zu ihm komme, weil er mich offensichtlich gebraucht hat. Ich bin dann bei den Zisterziensern in Heiligenkreuz eingetreten, mit 25 Jahren Priester geworden und mit 28 Dozent an der Hochschule. Es ist alles sehr schnell gegangen. Ich sage dem lieben Gott immer, nütze mich aus.
- In jungen Jahren hat man wohl auch eine Beziehung im Blick?
Das war die größte Herausforderung. Also der Zölibat ist etwas total Übernatürliches, weil wenn man die Berufung nicht erfährt, kann man sich das überhaupt nicht vorstellen. Deshalb lehne ich diese Diskussionen über den Zölibat ab. Man kann nicht darüber reden.
Jesus hat selber gesagt: Wer es fassen kann, der fasse es. Ich war 17, als ich meine Berufung erkannte, jetzt bin ich 57. Für mich ist es ein Lebensmodell, das mich zwar einiges kostet, aber das möglich ist und mir sehr viel zurückgibt. So wie Jesus sagt: Wer verzichtet, der wird hundertfach empfangen.
- Stift Heiligenkreuz ist generell eine Wachstumszelle in der katholischen Kirche mit zahlreichen Berufungen zum Ordensleben. Was ist das Geheimnis?
Ich glaube, die Grundlage ist, dass wir normal katholisch sind. Wir lieben Jesus und die Muttergottes. Wir beten gerne um fünf Uhr in der Früh. Wir knien vor dem Allerheiligsten nieder, diskutieren nicht über Liturgie, sondern feiern sie mit vollem Herzen. Ich sage es auch salopp, wir streiten nicht. Das stimmt natürlich nicht, aber wir haben eine grundsätzliche Harmonie, die ich sonst selten in der Kirche finde.
- Sie gelten als kirchenkritisch.
- Was fehlt aus Ihrer Sicht?
Ich finde, wir gönnen uns in den Pfarrgemeinden, diözesanen Gremien oder den Organisationen keinen Erfolg, und das ist unchristlich. Wir müssen nicht gegeneinander, sondern miteinander in der Kirche arbeiten. Wenn wir das nicht tun, werden wir nicht in die Zukunft kommen. Wir müssen deshalb auch schauen, was macht der andere gut, das müssen wir dann kopieren.
- Wie sehen Sie als Missio-Nationaldirektor den Begriff Mission?
Uns geht es einfach darum, angstlos Zeugnis zu geben, was einen innerlich erfüllt. Nicht aufdringlich und nicht penetrant. Der Begriff Missionieren ist furchtbar. Ich sehe mich selber als eine Missionsperson, die Gott in die Welt gesetzt hat. Das ist übrigens Sprachschatz von Papst Franziskus, der sagt: Du hast nicht eine Mission, du bist eine Mission. Wichtig ist, einfach zu leben und die Freude nach außen zu zeigen, die einen erfüllt.
Säkularismus und Atheismus sind gesellschaftliche Herausforderungen.
- Was gilt es zu tun?
Was uns heute fehlt, ist, Fragen nach dem Sinn unseres Lebens zu stellen. Wir tun so, als wäre die materielle Beherrschtheit schon alles. Kardinal König hat immer folgende Fragen zitiert: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn in meinem Leben? Diese Fragen werden heute kaum mehr gestellt. Und jetzt hat sich durch das Coronavirus plötzlich etwas geändert.
Die Menschen bemerken eine große Begrenztheit in ihrem Leben. Es gibt einen Lockdown. Da stellt sich die Sinnfrage auch wieder stärker. Wir brauchen solche Erfahrungen. Ich hoffe, dass die Kirche diese Chance nützt, denn sonst geben wir Antworten auf nicht gestellte Fragen, und dann wird es besonders schwierig.
- Was bringt einem der christliche Glaube heute?
Wir sind eine endzeitliche Religion. Christus wird deshalb Mensch. Weihnachten, die Erinnerung an Christi Geburt kommt jetzt, um dann eben selbst später den Tod und das Grab auf sich zu nehmen und uns eine ewige Gemeinschaft, ein ewiges Leben mit Gott zu ermöglichen.
Wenn diese transzendente Zielorientierung, der letzte Sinn über den kleinen Szenen des Lebens, die uns Gott zumutet und schenkt, wegfällt, dann haben wir überhaupt keinen Sinn, sagt auch Paulus. Wenn Christus nicht auferstanden wäre, dann ist unser Glaube sinnlos, dann sind wir ärmer dran als alle anderen. Und es gibt für uns auch in die Welt hinein Heilsangebote. Gott ist für uns keine Fiktion.
- Wir sind mitten im Advent. Weihnachten wird durch Corona heuer anders sein. Welchen Ratschlag haben Sie?
Weihnachten ist ein Fest der Kommunikation. Es ist Gott, der mit uns kommuniziert, indem er Mensch wird bei seiner Geburt in Bethlehem. Er will, dass wir uns auch sichtbar machen gegenüber den anderen.
Mein Tipp ist: Machen Sie sich eine Liste, wen Sie heuer anrufen wollen, denn heuer muss man anders planen. Weil das Bisherige nicht mehr funktioniert, das eingespielt war, braucht man eine Planung für etwas Neues. Ich bin sicher, damit kommen wir gut durch Weihnachten.
Autor:Stefan Hauser aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.