Corona-Epidemie und die Kirche
Menschen schützen ist das Ziel
Die einschneidenden Maßnahmen der Regierung gegen die Ausbreitung des Corona-Virus nehmen die Kirche in die Pflicht. Die Teilnehmer-Höchstgrenze von 100 Personen gilt auch für Messen.
Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt überraschend kam am Dienstagmittag, 10. März 2020, die Nachricht der Bundesregierung: Alle Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen in Gebäuden und 500 unter freiem Himmel sind bis Anfang April untersagt! Das hat in allen Diözesen Österreichs zu eilig einberufenen Krisensitzungen geführt: Was heißt das für uns und unsere Gläubigen? Umgehend stellte Kardinal Schönborn namens aller Bischöfe klar: Die Kirche steht hinter den Maßnahmen der Regierung und setzt sie auch dort um, wo die Religionsgemeinschaften nicht dem Veranstaltungsgesetz unterliegen würden, nämlich bei Gottesdiensten.
Daher soll es, solange die Regierungsmaßnahmen gelten, keine Gottesdienste „indoor“ geben, an denen mehr als 100 Menschen teilnehmen. Das umzusetzen ist Sache der Pfarren und Kirchenrektoren. Dass das keine ganz einfache Sache ist, war der Diözesanleitung bewusst. Die einzige Alternative wäre aber die Totalabsage der Gottesdienste gewesen, was aber von der Regierung, bei der sich die kirchlichen Stellen rückversicherten, gar nicht erwartet wurde. Es wäre auch nicht einzusehen, warum anderswo Versammlungen mit 90 Menschen zulässig sind, auch die öffentlichen Verkehrsmittel und Lokale offenhalten, die Kirchen aber ihren „Betrieb“ ganz einstellen müssten“. Denn, so erklärte der Kardinal: „Das kirchliche Leben soll so weit wie möglich weitergehen!“
Das bedeutet, dass die Kirchen wie gewohnt offenhalten sollen, Gottesdienste stattfinden sollen, und dass man – wozu Kardinal Schönborn speziell einlädt – die Kirchen auch außerhalb der Messzeiten für das persönliche Gebet aufsuchen kann. Freilich wird es nun für viele Pfarren kompliziert, wenn es gilt, die Gottesdienste im Rahmen von 100 Teilnehmern zu halten. Hier vertraut die Diözesanleitung auf die Kompetenz vor Ort – und auf das Verständnis und die Geduld der Gläubigen, die dabei vielleicht weggeschickt oder auf spätere Messen verwiesen werden müssen, weil die Zahl schon erreicht ist.
Eine ähnliche Regelung hat etwa auch die tschechische Bischofskonferenz getroffen. Die Bischöfe riefen dazu auf, an Sonntagen zusätzliche Gottesdienste anzubieten und die Gläubigen so aufzuteilen, dass nicht mehr als 100 Personen anwesend sind. Die Bischöfe der Slowakei hingegen haben bis auf weiteres alle öffentlichen Gottesdienste untersagt.
Keine Touristen mehr im Dom
In Italien, wo dies ebenfalls gilt, lässt der Papst seitdem frühmorgens im Internet die Messe im Gästehaus Santa Marta übertragen, die bereits eine Gemeinschaft von 200.000 Online-Mitfeiernden umfasst. Am Dienstag hat er dort übrigens mit einer Predigt aufhorchen lassen, die nicht ganz zu dem von der italienischen Regierung verkündeten Motto #iorestoacasa (#ichbleibzuhause) zu passen scheint: „Mögen unsere Priester den Mut haben, hinauszugehen!“ Franziskus forderte die Priester auf, die Kranken zu besuchen, ihnen Gottes Trost und die Eucharistie zu bringen und Solidarität zu zeigen mit den Menschen im Gesundheitswesen, die die Epidemie bekämpfen.
Gerade in der Zeit vor und um Ostern wird es vielen Pfarren auch zu schaffen machen, dass für sonstige kirchliche Veranstaltung dieselben Einschränkungen gelten – von Fastensuppenessen bis zu Theateraufführungen und Kirchenkonzerten. Der dadurch entstehende wirtschaftliche Schaden ist noch gar nicht zu ermessen. Das gilt speziell auch für den Wiener Stephansdom, der am Dienstag bekanntgab, den Tourismusbetrieb, der eine wichtige finanzielle Stütze für Erhaltung und Plege des Doms ist, vorübergehend einzustellen. Der Dom ist ja Österreichs meistbesuchtes Tourismusziel, und in dem für alle zugänglichen Bereich im hinteren Teil der Kathedrale halten sich oft weit mehr als 100 Personen auf. Für Gläubige, die Gottesdienste besuchen, beten oder beichten wollen, bleibt der Dom aber bis zu einer Anzahl von 100 Personen weiterhin offen.
Die Erzdiözese Wien hat außerdem die hygienischen Standards für liturgische Feiern verschärft. Nicht nur auf Kelchkommunion und Mundkommunion soll verzichtet werden, sondern auch auf Weihwasser und das Händeschütteln beim Friedensgruß. Noch am Dienstag wurden alle Seelsorger der Erzdiözese per Mail darüber informiert.
Zuhausebleiben mit gutem Gewissen
Kardinal Schönborn hat eine Ausnahme von der Sonntagspflicht, also dem Gebot, am Sonntag eine Messe zu besuchen, ausgesprochen, „sollte aufgrund der Maßnahmen eine Teilnahme am Sonntagsgottesdienst nicht möglich oder angeraten sein“. Ähnliche Verfügunge haben auch andere österreichischen Bischöfe getroffen. Damit wird klargestellt, dass auch Menschen, die aus Vorsicht vor Ansteckung auf den Messbesuch verzichten, dies guten Gewissens tun können. Ihnen stehen übrigens vielfältige Möglichkeiten offen, Messen im Radio oder im Internet live mitzufeiern.
radio klassik Stephansdom geht mit gutem Beispiel voran und wird jeden Mittag um 12.00 Uhr die Messe aus dem Stephansdom übertragen. Bisher gab es Messübertragungen nur an Sonn- und Feiertagen. Auf www.erzdioezese-wien.at versuchen wir, alle auf dem Laufenden zu halten, was die weitere Entwicklung, aber auch die Absage kirchlicher Feiern oder Veranstaltungen betrifft.
Beten für Kranke und Verantwortliche
Kardinal Schönborn hat die Gläubigen um Verständnis gebeten. Er rief am Dienstag alle Gläubigen zum Gebet auf, insbesondere „für die Erkrankten und für alle, die Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen haben“. Die einschneidenden Maßnahmen hätten vor allem zum Ziel, ältere und gesundheitlich angeschlagene Menschen zu schützen, die ja die Hauptrisikogruppe für eine Coronavirus-Infektion darstellen. Gleichzeitig dankte der Wiener Erzbischof allen, „die mit Augenmaß und Entschiedenheit in dieser schwierigen Situation für das Zusammenleben verantwortlich sind“.
Autor:Michael Prüller aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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