Nur unter strengen Auflagen
Gottesdienste bald wieder möglich
Ab 15. Mai sollen Gottesdienste mit Gläubigen wieder möglich sein. Allerdings unter den gesundheitlichen Sicherheitsauflagen. Der Weg zur Rückkehr zur kirchlichen Normalität hat begonnen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz hat Dienstagmittag, 21. April, bei einer Pressekonferenz in Wien angekündigt, dass ab Freitag, 15. Mai, Gottesdienste mit Gläubigen wieder möglich sein werden. Das bestätigte auch Peter Schipka, Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz. Am Dienstagvormittag hatte dazu die bischöfliche Ad-hoc-Kommission in einer Videokonferenz getagt.
Die Bischöfe arbeiten demnach intensiv an einem Stufenplan, wie in Österreich das kirchliche Leben und in einem ersten Schritt öffentliche Gottesdienstversammlungen wieder hochgefahren werden können. „Man ist in guten Gesprächen mit der Regierung, mit der die Details beraten bzw. abgestimmt werden müssen“, so Schipka.
Abstandsregel gilt
Kurz hatte bei der Pressekonferenz betont, dass die Gottesdienste – „natürlich“ - nur unter gewissen Auflagen und Sicherheitsvorschriften zum Schutz der Gesundheit stattfinden würden. Für Gottesdienste wie auch für alle anderen Bereiche gelte, in Abstimmung mit Experten die bestmöglichen Regelungen zu finden, so Kurz. Wichtigste Grundregel sei, „dass überall die Abstandsregel eingehalten werden“.
Details dazu, wie die Wiederzulassung von öffentlichen Gottesdiensten konkret aussieht, wurden noch keine kommuniziert – aber auf jeden Fall wird es vorerst keine komplette Rückkehr zur Normalität vor der Corona-Krise geben. Viele Pfarren und Gemeinden arbeiten hingegen an Plänen für Freiluft-Veranstaltungen, etwa Gottesdienste im Freien. Ob es dabei auch Varianten geben könnte, bei denen die Gläubigen so wie in Nordrhein-Westfalen (siehe Foto) im Auto Messe feiern, sei dahingestellt. Aber prinzipiell haben Bischofsvikar Stephan Turnovszky und Bischofsvikar Petrus Hübner die Pfarren in ihren Vikariaten bereits am Anfang der Woche dazu eingeladen, sich Gedanken über Freiluft-Gottesdienste zu machen.
Kirchen nicht mit Geschäften vergleichbar
In ihrem Schreiben berufen sich unsere beiden Bischofsvikare auch auf einen Abstimmungstermin mit der Bundesregierung, speziell auf die Risikoeinschätzung von Gesundheitsexperten aus dem Krisenstab der Regierung:
„Immer wieder hören wir die verständliche Verwunderung von Gläubigen, warum Geschäfte öffnen dürfen, in den Kirchen aber weiterhin keine Gottesdienste gestattet sind. Im Gespräch mit einem Arzt aus dem Krisenstab der Regierung haben wir diesbezüglich verstanden:
Der Krankheitsverlauf ist abhängig von der Dosis, mit der man infiziert wird. Wenn man sich auch nicht alle Viren vom Leib halten kann, so kann man versuchen, keiner zu großen Zahl in kurzer Zeit ausgesetzt zu werden. Dann kann das Immunsystem besser damit umgehen. Das bedeutet, dass die Zeitspanne, in der wir Viren ausgesetzt sind, bedeutend ist und wir Menschen vor zu langem Aufenthalt im Umfeld von Viren zu schützen haben. Der Unterschied zwischen Einkäufen und Gottesdiensten besteht vor allem in der Verweildauer neben denselben Personen. In Geschäften bewegt man sich und entfernt sich nach Annäherungen wieder. Übliche Gottesdienste sind hingegen Hochrisiko-Szenarien. Warum?
- Sie finden in geschlossenen Räumen statt.
- Man bleibt auf demselben Platz.
- Die Dauer der Veranstaltung ist ausschlaggebend: 45 Minuten am selben Platz hat ein hohes Gefahrenpotential.
- Selten gibt es in Kirchen so gute Luftumwälzungssysteme wie in Geschäften.
- Die luftige Raumhöhe der Kirchen bringt relativ wenig, weil sich die Schwebeteilchen im Umfeld der Person, die sie ausatmet, halten.
- Ganz schlecht ist Gesang, weil man da viel Feuchtigkeit (samt Partikeln) an die Umgebungsluft abgibt, schlecht ist auch Sprechen.
- In Gottesdiensten sind viele Menschen aus der Risikogruppe zu erwarten.“
Gesundheitlich verantwortbarer Weg
Aufgrund der von Turnovszky und Hübner geschilderten Risikofaktoren, die laut Ärzten im Krisenstab auf kirchliche Veranstaltungen zutreffen, scheint es verständlich zu sein, dass das Hochfahren des kirchlichen Alltages schrittweise erfolgen wird müssen.
Unser Kardinal Schönborn sagt dazu auf Anfrage des SONNTAG: „Wir alle wünschen uns eine möglichst schnelle Rückkehr zur vollen Normalität. Gott sei Dank ist ja vieles, was das Christsein ausmacht, ungehindert möglich – etwa das Gebet zuhause und in den Kirchen (die längst schon vor den Baumärkten offen waren) und die gute Tat für den Nächsten. Leider ist aber laut Fachleuten ein gemeinsames Feiern über längere Zeit in einem geschlossenen Raum eine beträchtliche Gefahr für die Ausbreitung des Coronavirus – deutlich mehr als etwa das Einkaufen. Da sind also Menschenleben in Gefahr, weit über den Kreis der Teilnehmenden hinaus. Es braucht daher einen kreativen und gesundheitlich verantwortbaren Weg.“
Regierung lobt die Kirche
Auf Anfrage sagte Bundeskanzler Kurz, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften genauso eigens zu behandeln seien wie alle anderen Bereiche. Gottesdienste seien weder mit der Gastronomie eins zu eins vergleichbar noch mit den Veranstaltungen. Die Freiheit, die eigene Religion auszuüben, sei ein „sehr, sehr hohes und auch verfassungsrechtlich geschütztes Gut“ so Kurz, und er sei allen Religionsgemeinschaften sehr dankbar, „wie verantwortungsvoll hier die Beschlüsse der Bundesregierung mitgetragen werden und wie gut das Einvernehmen ist“.
Sprint oder Marathonlauf?
Nachdem in den vergangenen Wochen und Tagen die Frage nach dem „Wann“ immer lauter wurde, steht mittlerweile ein Fahrplan fest. Auch wenn wir nach wie vor von einem Normalzustand von Zeiten vor der Corona-Krise entfernt sind, hat der Weg zur Rückkehr zur kirchlichen Realität begonnen. Dieser wird schrittweise erfolgen und die Frage bleibt offen, ob es ein kurzer Sprint oder eher ein ausdauernder Marathonlauf wird.
Unsere Bischofsvikare Stephan Turnovszky und Petrus Hübner wollen Mut machen für das Weiter-Durchhalten: „Die Apostel mussten in den 50 Tagen bis Pfingsten mühsam die Auferstehung Jesu begreifen lernen, bis sie zum Empfang des Heiligen Geistes fähig waren. Mögen auch wir in diesen Tagen bis Christi Himmelfahrt und Pfingsten ein tieferes Verständnis für die verborgene Gegenwart des Herrn entwickeln! Und mögen wir verängstigten und leidenden Menschen Zeugnis davon geben, dass nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern Gott!“
Autor:Michael Ausserer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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