„Geheimnis“ der Benedikts-Regel
„Eine Hemina“ Wein pro Tag
Anlässlich des Gedenktages des heiligen Benedikt am 11. Juli wirft der SONNTAG einen nicht ganz ernsten Blick auf einen Punkt der Benedikts-Regel, der bis heute nicht ganz geklärt ist.
(einen ernst gemeinten Blick auf die Ordensregel des Hl. Benedikt finden sie hier: Von der Weisheit des Maßes.)
Der heilige Benedikt schreibt in seiner Regel das Maß des Getränkes für jeden Mönch vor: Eine „Hemina Wein“ pro Tag genügt. Allerdings ist nicht ganz klar, welche Menge eine „Hemina“ wirklich umfasst.
Der SONNTAG befragte zwei Äbte von Benediktinerstiften, die sich von Amts wegen mit der praktischen Auslegung der Benedikts-Regel befassen, und den Prior des Stiftes Heiligenkreuz.
Gar ein halber Liter?
„Bei der Überschrift dieses Kapitels (Vom Maß des Getränkes), das heute in den Klöstern meist bei der Tischlesung zu hören ist, also vor oder während der Mahlzeit oder unmittelbar danach, müssen die Mönche oft schmunzeln, weil sie schon wissen, was auf diese Überschrift folgt, dass nämlich Benedikt etwas schelmisch dieses Kapitel über das Maß des Trinkens gleich mit den Worten beginnt: Jeder hat seine eigene Gabe von Gott erhalten, der eine diese, der andere jene“, sagt der Abt des Stiftes Göttweig, Columban Luser, zum SONNTAG.
Dazu kommt, dass Benedikt bei dem Thema „Getränk“ und „Mönche“ im ganzen Kapitel 40 ausschließlich von Wein spricht, als gäbe es gar kein Wasser. „Dabei erwähnt er nicht ohne Ironie, dass er diese Hemina mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Schwachen erlaubt, worauf er gleich im nächsten Vers jene als stark bezeichnet, denen Gott die Kraft zur Enthaltsamkeit gibt“, sagt Luser schmunzelnd.
Wie viel aber ist nun „eine Hemina“ wirklich? „Leider bringt selbst ein Blick auf andere Texte kein exaktes Ergebnis“, unterstreicht Luser: „In manchen Beschreibungen ab dem 8. Jahrhundert findet man verschiedene Angaben, die sich zwischen einem viertel und einem halben Liter bewegen.“
Oder doch eher ein Viertelliter?
Eine „Hemina“ als tägliches Maß der Weinzuteilung „meint wahrscheinlich das altrömische Hohlmaß für einen Becher und betrug 0,274 Liter“, sagt der Prior des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz, P. Meinrad Tomann, zum SONNTAG.
„Die Diskussionen vor allem im Mittelalter bewegen sich zwischen einem Viertel- und einem Dreiviertelliter. Nach heutigem Empfinden scheint es wenig zu sein; aber zu jeder Mahlzeit ein 1/8 Liter Wein gemischt ist ein vernünftiges Maß. Vor allem geht es Benedikt im Zusammenhang des Kapitels nicht um die Maßangabe, sondern um den Begriff der Enthaltsamkeit und die Verschiedenheit der Gaben Gottes: In diesem Kontext ist die Hemina das Mittelmaß.“
So viel, wie im Tassilo-Kelch Platz hat?
„Die Interpretationen über das Maß der Hemina sind sehr weitreichend. So gibt es im Stift Kremsmünster die Meinung, der Inhalt des Tassilokelchs sei eine Hemina. Allerdings geht da ordentlich viel rein“, sagt Schottenabt Nikolaus Poch OSB humorvoll zum SONNTAG.
„Wahrscheinlicher erscheint mir die Angabe: altes römisches Hohlmaß mit einem Volumen von 0,274 Liter“, betont Poch. „Als ich ins Kloster eingetreten bin, hatten wir Viertellitergläser am Tisch stehen, von denen gesagt wurde, dies sei eine Hemina. Wein getrunken aber haben wir daraus allerdings so gut wie nie, dazu hatten wir kleinere Achtelgläser. Wir im Schottenstift sind zum Gutteil Biertrinker, Wein trinken wir nur bei festlichen Anlässen, etwa zum Anstoßen. Und auch das nicht in übertriebener Menge.“
Autor:Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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