Digitale Kirche
Ein klares "Ja" zum Experiment

Die Digitalisierung in Zeiten der Corona-Pandemiebietet bietet unserer Kirche die Chance, in der Seelsorge mutig zu experimentieren | Foto: iStock
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  • Die Digitalisierung in Zeiten der Corona-Pandemiebietet bietet unserer Kirche die Chance, in der Seelsorge mutig zu experimentieren
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Unsere Kirche kommt ins „Wohnzimmer“: Welche Chancen, neue Wege und auch Gefahren die Digitalisierung für unsere Kirche bietet.

Durch die Corona-Krise hat das Thema „Digitalisierung“ auch in unserer Kirche eine starke Dynamisierung erfahren. Online übertragene Gottesdienste aus unseren Pfarrkirchen brachten die Messen gleichsam ins Wohnzimmer. Wenn auch die persönliche, reale Mitfeier der Gottesdienste durch nichts ersetzt werden kann, so hat unsere Kirche neue digitale Wege zu den Menschen gefunden und damit auch Menschen erreicht, die ansonsten nicht mit der Botschaft des Christentums in dieser Form in Berührung gekommen wären.

Der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher erläutert die Chancen und Gefahren einer „digitalen Kirche“. Kaplan Richard Hansl aus der Pfarre Ober St. Veit berichtet von den neuen, digitalen Wegen, die seine Pfarre in Corona-Zeiten gegangen ist.

  • Wie kann man dem Vorwurf entgegentreten, dass die nichtöffentlichen Gottesdienste, die in Zeiten der Corona-Krise via Video-Livestream online übertragen werden, als „Geistermessen“ bezeichnet werden?

Rainer Bucher: Jeder und jede ist frei, liturgische Angebote zu erleben und zu bewerten, wie er oder sie es möchten. Das ist auch gut so, denn es bedeutet religiöse Freiheit und erhöht den Qualitätsdruck auf unsere Gottesdienste. Wenn es viele verschiedene Formen an Liturgien und qualitativ hochwertige liturgische Angebote gibt, dann werden sie auch besser beurteilt werden, seien sie online oder traditionell in Präsenz.

  • Wie können wir verhindern, dass die persönliche Teilnahme an der Gottesdienstgemeinschaft künftig nicht einfach durch eine „virtualisierte Gemeinde“ ersetzt wird?

Auch die individuelle Entscheidung, ob man an kirchlichen Liturgien teilnimmt, ist heute frei und auch das ist gut so. Denn ohne Freiheit gibt es keinen Glauben und auch keine religiösen Praktiken. Wir sollten zudem froh sein, wenn Menschen überhaupt an unseren liturgischen Angeboten interessiert sind, auf welchen Wegen und Kanälen auch immer.

  • Wie erreichen wir jetzt und in Zukunft Menschen, die bislang schon ohne Gottesdienstgemeinschaft ganz gut auskamen, wie jene, denen das Sakrament der Eucharistie noch viel bedeutet und Quelle ihres Lebens ist und plötzlich wiederholt davon ausgeschlossen sind?

Wir sollten die formellen wie die informellen Zugangsbeschränkungen zu unseren Liturgien senken. Sie verlangen immer noch zu viel an Milieuanpassung, Vorwissen und religiöser Sozialisation. Wer von außen dazukommt, darf nicht den Eindruck haben, er oder sie störe die vertrauten Kreise. Denn die christliche Liturgie ist keine allwöchentliche Versammlung einiger Auserwählter, sondern ein „Zeichen und Werkzeug“, also ein Sakrament der Liebe Gottes zu allen Menschen. Und der Eucharistieausschluss ist ja nun Gott sei Dank vorbei.

  • Kann die Digitalisierung eine Chance für die Kirche bieten und in welcher geeigneten Form?

Ja, aber wie ist völlig offen. Die ganze Gesellschaft ist ja in einem - durch Covid 19 beschleunigten - Lernprozess, was Digitalisierung eigentlich bedeutet, wo ihre Chancen und wo ihre Gefahren liegen. Da geht es der Kirche nicht anders als anderen Institutionen.

Es helfen in solchen Situationen nur entschlossene Experimentierfreudigkeit bei schneller Korrekturfähigkeit. Das bricht ja in der Kirche, gerade an deren Basis, derzeit auch auf. Das sollte man fördern und keine Angst davor haben.

Richard Hansl, Kaplan der Pfarre Ober St. Veit

"Digitale Präsenz der Kirche darf kein Ersatz sein"

  • Wie geht Ihre Pfarre generell mit dem Thema „Digitalisierung“ um

Digitalisierung wird von uns, abseits der klassischen Arbeitserleichterungen, primär als vorzügliche Möglichkeit der Verkündigung wahrgenommen. Es gelingt der Pfarre Ober Sankt Veit sehr gut, Einblicke aus dem Pfarr- und Gebetsleben in die persönlichen Lebenswelten der Gläubigen zu transportieren und diese zur Teilnahme zu bewegen. Die Digitalisierung ermöglicht uns eine erweiterte Reichweite, gerade auch in kirchlich nur lose gebundenen Kreisen und eine niederschwellige Form der Kommunikation.

  • Was bieten Sie jetzt in Corona-Zeiten digital an?

Es wurden einerseits die bestehenden Kanäle ausgebaut, die Präsenzen auf Instagram und Facebook verstärkt, andererseits über einen neuen Youtubekanal, die Gottesdienste direkt übertragen. Eigene Angebote von Bastelanleitungen über Wortgottesdienste wurden speziell für die Kinder erarbeitet, Gebetsanleitungen und Hilfen für Familien online gestellt. Das Ziel, die Gebetsgemeinschaft in dieser herausfordernden Zeit aufrecht zu erhalten, wurde unter dem Schlagwort „Couchkirche“ möglich gemacht. Eine Verknüpfung von Kirche digital und Kirche „analog“ konnte durch digitale Verweise auf real in der Kirche aufliegende Hilfen erzielt werden.

  • Wie werden die digitalen Angebote Ihrer Pfarre angenommen?
  • Welches Feedback gibt es dazu?

Die Angebote wurden gut angenommen, die Rückmeldungen waren durchwegs positiv. Die digitale Präsenz der Kirche kann kein Ersatz sein, jedoch war es Vielen Trost und Hilfe, vom eigenen Pfarrer im Wohnzimmer begrüßt und zum Gebet eingeladen zu werden.

Sämtliche Behelfe und Bastelanleitungen waren heiß begehrt, es war der Wunsch nach Hilfestellung für das geistliche Leben in den eigenen vier Wänden deutlich spürbar. Vielfach wurde Dank für die direkte und unkomplizierte Kommunikation über soziale Medien geäußert.

Die Digitalisierung in Zeiten der Corona-Pandemiebietet bietet unserer Kirche die Chance, in der Seelsorge mutig zu experimentieren | Foto: iStock
Gottesdienstübertragung aus der Pfarre Ober St. Veit mit Pfarrer Andreas Kaiser. | Foto: Pfarre
Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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