Unterwegs mit Weihbischof Stephan Turnovszky
Ein „ganz normaler“ Tag im Leben eines Bischofs
Bischöfe besuchen (visitieren) regelmäßig „ihre“ Pfarren, Gemeinden, Einrichtungen und vor allem die Menschen vor Ort. Genau das macht auch Weihbischof Stephan Turnovszky im nordöstlichen Niederösterreich. Wir begleiten ihn.
Es ist 7:50 Uhr in der Früh, die Sonne geht langsam auf. Wir treffen Weihbischof Stephan Turnovszky im Innenhof des Erzbischöflichen Palais in Wien.
Am Programm steht ein Visitationstag in Hollabrunn im Weinviertel, bei dem wir den Weihbischof redaktionell begleiten dürfen. In seiner Funktion als Bischofsvikar für das Nordvikariat besucht Turnovszky Pfarren, Schulen, Pflegeeinrichtungen und nimmt an diversen Veranstaltungen teil. Mit dem Ziel am Ball zu bleiben. Sich einen Vor-Ort-Einblick zu verschaffen, wenn es irgendwo nicht rund läuft, entsprechende Optimierungsschritte einzuleiten, und vor allem mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen, sie zu ermutigen und selbst ermutigt zu werden: „Das sind in meinem Bischofsleben die dicht gefülltesten und zugleich schönsten Tage überhaupt“, sagt der Weihbischof.
Am Steuer sitzt Simon, ein 25-jähriger Priesterseminarist, er ist an dem Tag überall mit dabei, kann sich mit dem Weihbischof informell austauschen und nachfragen: „Ich nehme bei meiner Visitation regelmäßig Priesterseminaristen mit, damit sie mich unterstützen und einen guten Einblick in unsere Diözese bekommen“, erklärt der Weihbischof.
Im Auto geht er noch einmal seine Unterlagen durch – Schüler der beiden Schulen, in denen er gleich visitiert, haben ihm vorab Briefe geschickt, mit durchaus kritischen Fragen, die sie gerne beantwortet hätten: „Warum ist die Messe so langweilig?“ oder: „Ich gehe nicht in die Kirche, weil ich dort die einzige Jugendliche bin.“ Gleichzeitig zeigt sich in diesen Briefen auch, dass Jugendliche den Glauben generell sehr wichtig nehmen: „Ich bete vor Schularbeiten oder wenn es mir nicht gut geht“ oder: „Ich bete sehr oft für meine Freunde und für meine Familie. Nicht in der Kirche zwar, aber daheim.“ Apropos Gebet: Die letzten 20 Minuten der Fahrzeit betet der Weihbischof im Auto mit dem Stundenbuch. Kein wichtiger Termin ohne vorheriges Gebet, sagt er: „Ich schaue, dass ich jeden Tag mindestens zwei Stunden bete. Das ist meine Kraftquelle, mein Anker. Für alles, was ich in meinem Leben tue.“
Schüler fragen kritisch nach
Im Erzdiözesanen Realgymnasium und im Bundesrealgymnasium, beides in Hollabrunn, feiert Weihbischof Stephan Messe mit knapp 500 Schülern und im Anschluss trifft er in drei „Wellen“ Kinder und Jugendliche und beantwortet ihre Fragen. Dabei nimmt er sich auch bei den Themen, die wir in der Kirche umgangssprachlich als „heiße Eisen“ bezeichnen, kein Blatt vor den Mund: So kommen von den Jugendlichen durchaus druckvoll Fragen – etwa über die Rolle der Frau innerhalb der Kirche oder über den Umgang mit Homosexualität.
Weihbischof Stephan spricht ruhig und auf Augenhöhe mit den Jugendlichen, legt sachlich die Position der Kirche dar. An den Reaktionen merken wir, dass das viele Jugendliche anspricht, sie zum Nachdenken bringt, wahrscheinlich überdenken einige an diesem Vormittag auch ihre Einstellungen.
Und Weihbischof Stephan gibt den Teenagern am Ende auch noch mit: „Viele von euch haben mir geschrieben, dass sie nicht oder nur selten in die Messe gehen, dass sie aber trotzdem beten. Ich möchte euch wirklich ermutigen, in diesem Gebet zu bleiben. Dadurch ist man in Beziehung mit Gott und das hat positive Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens. Ich habe in euren Briefen festgestellt, dass ihr als Jugendliche vor großen Herausforderungen steht: Ihr seid mit Mobbing konfrontiert, ihr stellt euch die Frage nach der eigenen Zukunft, viele von euch leiden, weil sich die eigenen Eltern scheiden haben lassen. Bringt all diese Probleme im Gebet zu Gott und vertraut ihm, dass er euch nie alleine lassen wird.“
Messe, Segen und „Selfies“
Nach den Schulbesuchen folgen Gespräche in der Pfarre mit Pfarrer und Mitarbeitern. Danach erfolgt ein Besuch im Pflegeheim in Hollabrunn. Diejenigen, die noch mobil sind – und das sind sehr viele – nehmen an der Messe teil, alle anderen werden in ihren Zimmern besucht und gesegnet. Und es ist auch ein Fotograf anwesend, denn sehr viele Bewohner möchten ein Erinnerungsfoto mit dem Weihbischof. Sehr beeindruckend ist übrigens, dass es im Pflegeheim sehr viele ehrenamtliche Helfer gibt, die teilweise mehrmals pro Woche vorbeikommen, um mit den Bewohnern Zeit zu verbringen.
Die nächste Station ist das Landesklinikum. Hier steht ein Besuch bei einem erkrankten Priester auf dem Programm, Weihbischof Stephan spendet ihm die Krankensalbung. Nicht am Programm steht, dass nebenan gerade drei Menschen um ihren sterbenden Vater versammelt sind. Weihbischof Stephan fragt, wie es ihnen geht, stellt einen Sessel dazu und betet mit dem Sterbenden und seinen Kindern – es wird ein Gebet der Hoffnung: Dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Dass uns Jesus durch sein eigenes Beispiel und seine Auferstehung gezeigt hat, dass der Tod der letzte Feind ist, den wir besiegen werden.
Dieser Moment an diesem Tag an diesem Sterbebett ist traurig, berührend, emotional und hoffnungsvoll zugleich. Weihbischof Stephan sagt später dazu ganz demütig: „Das hat soeben der Heilige Geist geführt.“ Und wir beschließen, die Familie auch in den kommenden Tagen weiter ins Gebet einzuschließen.
„Wie ein Fisch im Wasser“
20 Minuten später folgt der letzte Programmpunkt: Ein Austauschabend mit Jugendlichen aus der Region im Pfarrhof. Vertreter der Jungschar, Jugendgruppierungen und von farbentragenden katholischen Studentenverbindungen nehmen daran teil und kommen mit dem Weihbischof ins Gespräch. Dieser erzählt von seiner Teilnahme an der Jugendsynode in Rom und er notiert sich die Anregungen der jungen Menschen. Am Ende beschließen die Mitglieder der Verbindungen, dass sie sich mit den Jungscharvertretern zusammentun und gemeinsam ein missionarisches Angebot für Jugendliche in Hollabrunn ins Leben rufen wollen.
Um knapp 23 Uhr endet dieser Visitationstag in Wien. „Was für eine Freude. An so einem Tag fühle ich mich immer wie ein Fisch im Wasser“, resümiert Weihbischof Stephan.
Autor:Michael Ausserer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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