Sakramentenvorbereitung trotz Corona
Digitalität ist ein Hilfsmittel, aber kein Ersatz für Begegnung
Die Corona-Pandemie verändert alle seelsorglichen Vollzüge, ist der Wiener Pastoraltheologe Johann Pock überzeugt. Wo liegen die Chancen und die Gefahren in der Kinderpastoral?
- Wie kann die Sakramentenvorbereitung in diesen Corona-Monaten zu einem neuen Lernort für die Kirche werden?
Eines vorweg: Was viele Frauen und Männer, haupt- und ehrenamtlich, in den Diözesen in den vergangenen Monaten in der Pastoral geleistet haben, ist bewundernswert. Es war gewissermaßen ein Kaltstart in völlig ungewohnte Formen von Seelsorge, denn die Corona-Pandemie hat alle gewohnten Vorgänge in Frage gestellt.
Die Fragen sind dabei z.B.:
- Wie kann Gemeinschaft erlebt und gestaltet werden, auch wenn physischer Kontakt nicht möglich ist?
- Welche neuen Erfahrungsräume lassen sich anbieten?
- Welche bisherigen Materialien sind wirklich hilfreich?
- Und wo ist auch in Zukunft der Einsatz digitaler Hilfsmittel möglich und sinnvoll?
Diese Zeit lehrt, was die Menschen wirklich vermissen, was ihnen hilfreich ist – und welche Rolle Glaube und Religionen im eigenen Leben einnehmen können. Ein Lernort ist es für die Notwendigkeit, im Sinne des „gemeinsamen Priestertums“ die Kompetenzen aller Christinnen und Christen zu fördern, Kinder und Jugendliche auf ihrem Glaubensweg zu begleiten.
- Inwieweit verändert Corona die Sakramentenvorbereitung?
Wir haben die Sakramentenvorbereitung professionalisiert – in schulischen und gemeindlichen Kontexten. Aktuell sind im Blick auf Erstkommunion und Firmung vor allem die Familien herausgefordert: Nicht nur die Kinder und Jugendlichen brauchen eine Vorbereitung.
Es muss das Bewusstsein gestärkt werden, dass die Sakramente etwas zu tun haben mit den alltäglichen Glaubensvollzügen. War bisher die Vorbereitung konzentriert auf die Kontaktstunden in Schule und Gemeinde, so kommt jetzt die Familie bzw. der Lebensalltag stärker in den Blick.
- Müssen die digitalen Chancen bei den Kindern und Jugendlichen noch mehr genutzt werden?
Die digitalen Hilfsmittel stellen natürlich eine Chance dar, das Interesse von Kindern und Jugendlichen zu nutzen. Dazu braucht es aber auch eine gute „Theologie der Digitalität“: also eine Beschäftigung damit, was sich durch virtuelle Welten, Online-Kommunikation und Künstliche Intelligenz auch theologisch verändert.
- Wie kommt Gott vor in diesen Welten?
- Welchen Stellenwert hat eine Kommunikation, die nur online verläuft?
- Welche Chancen ergeben sich dabei für die Kinder- und Jugendpastoral?
Im Blick auf die Kinder- und Jugendpastoral haben sich über die digitalen Medien neue Kontaktmöglichkeiten aufgetan. Zugleich ist hier der Markt gerade im Bereich von Spielen und virtuellen Welten sehr professionalisiert. Zu einer Chance wird dies daher nur dann, wenn auch die Kirchen bereit sind, sich ganz auf diese Welten einzulassen – und nicht nur das Analoge in die digitale Welt spiegeln oder kopieren.
Hier ergeben sich ganz neue Fragen:
- Welche Möglichkeiten von Transzendenzerfahrung (wie es z.B. die Erfahrung der Geburt eines Kindes, oder ein Sonnenaufgang am Berg, der erhöhte Herzschlag in einer Liebesbeziehung etc. sind) gibt es in virtuellen Räumen?
- Können da religiöse Erfahrungen gemacht werden?
Pastoral hat mit Be-Geist-erung zu tun, mit der Erfahrung des Heiligen Geistes. Wenn Jugendliche durch digitale Medien zu begeistern sind, dann ist das vielleicht ein Medium, wie sie etwas von Gott erfahren können.
- Wird die Sakramentenvorbereitung nach Corona anders aussehen (müssen)?
Die Corona-Pandemie verändert alle pastoralen Vollzüge. Wir stehen noch mitten in der Coronapandemie – und sie liefert uns bisher mehr Fragen als Antworten. Die Seelsorge wird sich verändern. Bisherige Schwächen wurden teilweise schonungslos aufgedeckt: Manche (auch Bischöfe) sprechen davon, dass die sogenannte „Volkskirche“ endgültig vorbei ist.
Die Frage der Sakramente ist daher grundsätzlicher zu stellen: Sie bauen auf dem Glauben auf. Wo dieser nicht gegeben ist, wird die Sakramentenvorbereitung leicht zu einer rein intellektuellen Übung. Außer man möchte die Vorbereitung tatsächlich als Stärkung und Erfahrung des Glaubens gestalten. Dazu müssten aber die bisherigen Formen von jahrgangsweisen Hinführungen zu Erstkommunion, Erstbeichte und Firmung (die noch auf dem Konzept von Volkskirche basieren) völlig verändert werden.
- Warum kann auf das Element der Begegnung auf Dauer nicht verzichtet werden?
Der Mensch braucht den physischen Kontakt mit anderen Menschen, um nicht emotional zu verkümmern. Am Beispiel der Liebe wird das sehr deutlich: Natürlich kann ich Menschen lieben, die ich nicht konkret sehe. Aber wachsen können Leben und Liebe nur in der physischen Begegnung von Menschen. Ohne zärtliche Berührung gerade im Kindesalter wird es schwer, empathiefähig zu werden.
Auch der christliche Glaube hat von Anfang an mit Berührung, mit physischer Begegnung zu tun. Sehr früh hat sich das Christentum gegen gnostische Tendenzen zur Wehr gesetzt, die rein über das Wissen und die Gedankenwelt den Glauben verstehen wollten. Digitalität ist ein Hilfsmittel, aber kein Ersatz für eine Begegnung.
Autor:Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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