Tag des geweihten Lebens 2022
Die Ordens-Pfarren strahlen als geistliche Zentren

Bischofsvikar Gerwin Komma: "Auch in Zeiten der Minderung Neues hervorbringen." | Foto: Christian Bargehr
  • Bischofsvikar Gerwin Komma: "Auch in Zeiten der Minderung Neues hervorbringen."
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Mit dem „Tag des geweihten Lebens“ am 2. Februar rücken Frauen und Männer in den Blickpunkt, die ihren Glauben als berufene Mitchristinnen und -christen leben. „Ordens“-Bischofsvikar Pater Gerwin Komma über ihre Aufgaben und ihr Charisma.

Was ist die Mission der Orden heute in der Erzdiözese Wien?
P. Gerwin Komma: Ich möchte versuchen, diese Frage noch aus dem Rückblick auf die Weihnachtszeit zu beantworten: “Wenn Gott Mensch geworden wäre”, so überschreibt Jean-Paul Sartre das Weihnachtsspiel, das er während des zweiten Weltkriegs für französische Soldaten im deutschen Gefangenenlager schrieb, “dann könnte man an das Licht mitten im Zwielicht dieser Welt glauben; dann hätte ja Gott eine unendliche Hoffnung in uns gesetzt! Dann wäre ja eine Tür offen zwischen uns; dann hätte ja eine neue Lebensweise Sinn; dann lohnte es sich, allen Mut in dieser Welt zu stärken und den Verzweifelten Trost zu spenden; dann wäre ja unsere gute Hand ein Wegweiser und unser Wort ein Anker!”

Der existentialistische Zweifel sitzt tief in unserem allgemeinen Bewusstsein. Christen haben den Mut, dem zweifelnden „wäre“ ein forschendes „ist“ entgegenzusetzen: Schon Johannes der Täufer kam, um Zeugnis abzulegen für das Licht, da das Wort Fleisch geworden „ist“! „Gott hat niemand jemals gesehen. Der eingeborene Sohn, der an der Brust des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht. (Joh 1,18)

Für diese Glaubensgewissheit stehen wir auch heute als Christen, und insbesondere in den verschiedensten Instituten des geweihten Lebens ein. Wir formen durch unser Lebenszeugnis den Sartreschen Konjunktiv in einen greifbaren Indikativ um: so „hat“ eine neue Lebensweise Sinn; in ihr lohnt es sich, allen Mut dieser Welt zu stärken und den Verzweifelnden Trost zu spenden; ja unsere guten Hände sind Wegweiser und unser Wort und Tat sind ein Anker! „Gott hat eine unendliche Hoffnung in uns [Menschen] gesetzt“ und sie wird täglich an den verschiedensten Orten geistlichen Lebens bezeugt.

Ich halte diese gelebte Glaubensgewissheit als Mission der Orden heute für einen wesentlichen generativen Beitrag im aktuellen Ringen um Hoffnung und zur Überwindung des Zweifels vieler, gerade auch in unserer Zeit. Der taxative Leistungsnachweis wird kontemplativ und aktiv in Spitälern, Kinderheimstätten, Schulen, der Seel- und Menschensorge täglich vielschichtig erbracht.

Mehr als ein Drittel aller Pfarren wird in der Erzdiözese Wien von Ordensmännern betreut. Was zeichnet eine Ordenspfarre aus?
Idealtypisch, dass sie eine Gemeinschaft im Hintergrund hat, die ihre jeweiligen Ordenscharakteristika und individuellen Charismen belebend in die örtliche Seelsorge einbringt und bereichert. So haben Ordenspfarren die Chance, als geistliche Zentren auszustrahlen und differenzierte Angebote zu erstellen. Für die Wiener Innenstadt gibt die Zeitschrift „Kirche im Zentrum“ auch über die individuellen Initiativen und Angebote hinaus auch einen guten ortsübergreifenden Überblick, der den Bedürfnissen mobiler und sich selektiv entscheidender Christen und Interessenten entspricht. In seinem Kondolenzschreiben für den am 26. Dezember 2021 verstorbenen ehemaligen Pfarrer von Lainz und Kirchenrektor der Jesuitenkirche in Wien und Linz, schrieb Kanonikus P. Lorenz Voith CSsR: „Wir bauten den „AK City-Pastoral der Orden“ aus … haben die Ordenszeitung für die City geschaffen … die Zusammenarbeit zwischen den div. Ordensgemeinschaften wurden gefördert. Er war auf seine Weise ein „Visionär“, … über die Grenzen seiner eigenen Gemeinschaft hinaus. Ich danke P. Sperringer für die Förderung des gemeinsamen Weges der Orden.“ Auch so wird Ortskirche füreinander und über sich hinaus für die Anliegen der Weltkirche fruchtbar, geht an die „Ränder“ und bezieht oft genug auch Andersdenkende fruchtbringend ein.

Was würde der Erzdiözese fehlen, gäbe es in ihr keine Ordensgemeinschaften und Ordensleute, keine Institute des geweihten Lebens?
„Woman and Man Power“, kreatives und kritisches Potential, Glaubensfreude und Lebenslust, die Glaube konkret machen und christliche Gemeinschaft lebt und weitergibt. Schauen Sie nur einmal auf die Kirchtürme der Innenstadt und Sie haben sehr schnell einen Überblick über das Potential an Geistlicher Begleitung, konkreter Krisenberatung, Bildungsarbeit, Bibelkreise und Gebetsrunden, Beichtangebote und Exerzitien, das der Erzdiözese abhandenkäme. Ganz zu schweigen von den vielen sozial engagierten Gemeinschaften, die sich im Laufe der Jahrhunderte niederließen. Ihr Engagement prägt bis in unsere Zeit hinein das soziale Netz der Stadt. Auch wenn viele den von ihnen persönlich eingebrachten Dienst heute nicht mehr selbständig leisten können, so haben sie weit vorausschauend längst dazu beigetragen, dass ihre Werke heute nicht nur ordensübergreifend und in ökumenischer Weite, sondern auch mit interreligiöser Offenheit zum Wohle aller weitergeführt werden können. Wie nötig das qualitätserhaltend für uns alle ist, hat die Pandemie uns in den letzten beiden Jahren nur allzu deutlich bewusstgemacht. Erst mit den herausragenden Beiträgen unserer acht Ordensspitäler, die zu 15 Prozent die nötige Grundversorgung mit abdecken, und der vielen Betreuungseinrichtungen ist die Stadt Wien in der Lage, in guter Abstimmung miteinander das erforderliche Leistungsniveau sicherzustellen. Wie sehr die darüber hinaus in der Armenambulanz der Barmherzigen Brüder kostenlos behandelten ca. 65.000 Patienten ohne Versicherungsschutz dadurch auch mit zum sozialen Frieden unter uns beitragen, ist kaum abzuschätzen.

Welche drei Punkte, Anregungen, Wünsche möchten Sie anlässlich des „Tages des geweihten Lebens“ den Menschen, die diese Lebensform gewählt haben, mitgeben?
Ich würde lieber drei Punkte nennen, die sie uns mitgeben könnten: 1) unseren Glauben so zu leben, dass er sich nachhaltig positiv über uns selbst hinaus auf andere auswirkt; 2) die soziale und moralische Verantwortung besser erkennen und leben, die von uns Christen erwartet wird; 3) nicht nur auf Frieden und Wohlergehen im eigenen persönlich gestalteten Umfeld achten, sondern aus der jesuanischen Kraft des Teilens, auf den Segen für alle vertrauen.
Was ich abschließend mitgeben, bzw. teilen möchte? Es ist die Freude aus der Sehnsucht nach dem Eins Werden mit unserem Herrn, miteinander Zeugnis zu geben für Seine Liebe zu uns allen und weit über uns hinaus. Zweitens, dass die Kraft des Geistes auch in Zeiten der Minderung Neues zum Lobe Gottes hervorbringt; Drittens, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass auch wir uns in diesem Sinn individuell und als Kirche erneuern.

Johann Baptist Metz nannte einst die Orden eine Art „Schocktherapie des Heiligen Geistes“ für die Kirche. Wirkt diese „Schocktherapie“ noch, oder ist sie verpufft?
Für einige ist sie sogar so radikal geworden, dass sie den Stuhl Petri erobern konnte, für andere ist sie hingegen verblasst und geht den Weg jedes Irdischen. Der weise Hiob sagte zu seiner Zeit: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei der Herr.“ (Ijob 1,21) Als Ordensgemeinschaften setzen wir auf das Wirken des Geistes, sind wir doch aus Ihm in den je verschiedenen Generationen und Nöten hervorgegangen. Gottes „Seht, ich mache alle neu“ (Offb 21) wird auch heute vor uns und der Welt nicht haltmachen. Die Erfüllung seiner Verheißungen, die bisher immer aus freiem Bund mit den Menschen erstanden, wird uns weiterhin bewegen und Gottes Gottheit aufzeigen und auf sie aufmerksam machen.

Wie lautet das Thema der Pontifikalvesper am „Tag des geweihten Lebens“? Was ist damit gemeint?
Bei der bereits angesprochenen und vielschichtigen Verflechtung geweihten Lebens in unserer EDW, gilt es, sich im Hinblick auf die Weltsynode bewusst gemeinsam auf den Weg zu machen. Deshalb: „Syn“ – auch und gerade zwischen den Instituten des geweihten Lebens und der Erzdiözese Wien“.
Bereits in „Evangelii Gaudium“ hat uns Papst Franziskus differenzierte Anregungen dazu mitgegeben, die es einzuüben gilt. Versuchen wir das gewählte Beispiel im ignatianischen Sinn von „innen her zu verkosten“ und anzuwenden: „Wir müssen uns in der Kunst des Zuhörens üben, die mehr ist als Hören. In der Verständigung mit dem anderen steht an erster Stelle die Fähigkeit des Herzens, welche die Nähe möglich macht, ohne die es keine wahre geistliche Begegnung geben kann. Zuhören hilft uns, die passende Geste und das passende Wort zu finden, die uns aus der bequemen Position des Zuschauers herausholen. Nur auf der Grundlage dieses achtungsvollen, mitfühlenden Zuhörens ist es möglich, die Wege für ein echtes Wachstum zu finden, das Verlangen nach dem christlichen Ideal und die Sehnsucht zu wecken, voll auf die Liebe Gottes zu antworten und das Beste, das Gott im eigenen Leben ausgesät hat, zu entfalten. …“ (EG 171)

Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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