Neuer Abt des Wiener Schottenstifts
Die Gott-Suche nicht aus den Augen verlieren
Am 22. März findet in der Wiener Schottenkirche die offizielle Amtsübergabe von Abt Johannes Jung an Abt Nikolaus Poch statt.
Im Gespräch mit dem SONNTAG erläutert der neue Abt Nikolaus den benediktinischen Geist, an dem sich die Wiener Schottenmönche orientieren.
Coronabedingt können an diesem Tag nur Geladene diesen Gottesdienst in der Schottenkirche mitfeiern: Dabei werden Abt Nikolaus der Schlüssel des Klosters und das Siegel des Schottenstiftes überreicht, die Mitbrüder geben ihm ihr Treueversprechen.
- Was zeichnet einen Abt gemäß der Benedikts-Regel aus?
NIKOLAUS POCH: Es gibt ein paar Leit-Worte und eines davon lautet, dass der Abt der Eigenart vieler dienen soll. Es ist sehr charakteristisch für die Benedikts-Regel, dass sie in ihrem Führungsstil, der dem Abt nahegelegt wird, darauf Wert legt, dass er nicht alle über einen Kamm scheren soll. Dass er auf die Eigenarten jedes Einzelnen möglichst gut eingehen soll, also auf seine Talente und Fähigkeiten, aber auch auf die Schwächen und auf das, was den jeweiligen Mitbruder in seiner Biografie geprägt hat. Das ist nicht immer leicht, weil wir durch die Geschichte bestimmte Aufgaben vorgegeben haben, die erfüllt werden müssen. Bei uns sind dies die Schule und die Pfarrseelsorge.
Dazu kommen die vielen Aufgaben im eigenen Haus, im Dienst an der Gemeinschaft und an den Gästen. Seit deren Entstehen gab es zudem enge Kontakte zur Universität. Ich möchte darauf achten, dass uns diese Aufgaben nicht überfordern, sondern dass jeder den eigenen Fähigkeiten gemäß sinnerfüllend tätig werden kann.
- Was ist für Sie als Benediktiner-Abt die schönste Aufgabe in dieser Funktion?
Für mich ist es wirklich schön, mit den Menschen zu reden. Etwa mit den Mitarbeitenden in der Schule. Ich habe nie unterrichtet, sondern war in der Pfarrseelsorge tätig. Dabei ist mir in den Gesprächen der vergangenen Wochen überraschend deutlich geworden, wie sehr sich unsere Lehrerinnen und Lehrer damit identifizieren, an dieser benediktinisch geprägten Schule zu unterrichten.
- Zum Schottenstift gehören auch Wirtschaftsbetriebe. Wie weit haben Sie Zeit, sich um alle Bereiche, die hier dazu gehören, zu kümmern?
Ich möchte mir bewusst die Zeit nehmen, mich um diese Bereiche zu kümmern. Ich bin dabei nicht der Wirtschaftsmann, der nur auf die Zahlen schauen muss. Dafür haben wir zum Glück einen ausgebildeten Fachmann. Mir liegt das Verhältnis zu den Menschen am Herzen, die in unseren Betrieben arbeiten. Unsere Landwirtschaft und unseren Forst habe ich in den vergangenen Tagen bereits besucht.
- Was lieben Sie an der Benedikts-Regel?
Wenn ich die Benedikts-Regel mit ein paar Worten zusammenfassen soll, dann wäre es: Gottsuche in Gemeinschaft. Ich liebe diese Ausrichtung auf Gott. Viele Texte der Regel machen deutlich, dass Gott uns ruft und dass es schön ist, diesem Ruf zu folgen, um gemeinsam in der Gegenwart Gottes zu leben.
Die Benedikts-Regel ist ganz bewusst eine Gemeinschafts-Regel für Koinobiten. Das ist der Fachbegriff für Mönche, die nicht als Einzelne in der Wüste leben, sondern die in Gemeinschaft Gott suchen. Dazu kommt, dass Benedikt sieht, wie unterschiedlich die Mönche sind und dass er großen Wert darauf legt, sie als eigene Persönlichkeiten zu behandeln.
Der Vergleich mit der Magister-Regel, einer Mönchsregel, aus der Benedikt weite Teile übernommen hat, zeigt sehr gut das Anliegen Benedikts: Während die Magister-Regel weithin von einer Art „Kleinkindpädagogik“ geprägt ist, achtet Benedikt auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen.
- Bekannt ist die Kurz-Formel „Ora et labora“ – „bete und arbeite“ –, aber es gehört auch „et lege“ – „und lies“ – dazu. Was meint diese Formel?
„Ora et labora“ und dann in der erweiterten Form „et lege“, „bete, arbeite und lies“ meint, dass beides zusammen gehört: die Ausrichtung auf Gott, die sich im Gebet, im Lesen der Heiligen Schrift oder auch anderer geistlicher Werke ausdrückt – und die Bereitschaft, aktiv tätig zu sein. Für den heiligen Benedikt war dies aus seiner Zeit heraus meistens die Tätigkeit in der Landwirtschaft oder in handwerklichen Berufen. Das hat sich im Lauf der Geschichte ziemlich verändert. Wir sind ein Stadt-Kloster, unsere Tätigkeit besteht in unseren Berufen, sei es in der Schule oder in seelsorglicher Hinsicht. Beides gehört eng zusammen. Wir sind kein rein kontemplativer Orden, aber auch kein rein aktiver Orden, sondern eine Gemeinschaft, die das gut miteinander verbinden will.
- Was ist die wichtigste Aufgabe eines Benediktiner-Mönchs?
Die Gott-Suche nicht aus den Augen zu verlieren. Es gibt ein wichtiges Wort in der Benedikts-Regel: „Ut in omnibus glorificetur Deus“ („Dass in allem Gott verherrlicht werde“). Dieser Aspekt der Verherrlichung Gottes in allen Lebensbereichen ist das Entscheidende. Für uns Benediktiner ist es wirklich das, was unser Leben wertvoll macht. Alles, was wir tun, wollen wir zur Verherrlichung Gottes tun. Wenn uns das gelingt, werden wir wahre Mönche oder wahre Benediktiner.
- Heute haben viele Klöster große Nachwuchsprobleme. Wie sehen Sie als Schottenabt diese Entwicklung? Und was bedeutet das auch für die Seelsorge in den Schotten-Pfarren?
Wir wären wirklich sehr gerne mehr Mönche. Das würde uns die Erfüllung unserer Aufgaben wesentlich leichter machen, die zu einem Gutteil aus Zeiten stammen, in denen unsere Gemeinschaft größer war.
In Bezug auf die Schotten-Pfarren: Wenn wir alle Pfarren besetzen würden, hätten wir niemanden mehr im Kloster.
Wir sagen aber entschieden: Das Kloster als geistliches Zentrum muss erhalten bleiben. Es ist der innerste Kern unserer Berufung, hier, im Herzen der Stadt, einen Ort des Gebetes, des geistlichen Lebens und der Begegnung zu schaffen. Ich selber, der immer gerne Pfarrer war, hatte in den letzten Jahren eine sehr privilegierte Position: Ich habe im Kloster gelebt und von hier aus die Wiener Pfarre St. Ulrich betreut.
Aber wir haben auch einige Pfarren in Niederösterreich, da geht das nicht so einfach. Ich kann also nicht versprechen, dass weiterhin alle Schotten-Pfarren von uns betreut werden, weil wir dazu einfach zu wenige Mönche sind.
Autor:Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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