Biko-Vorsitzender Bischof Lackner im Interview
„Alles kann ein Zeichen für Gott sein“
Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner ist der neue Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz. Im Interview mit dem SONNTAG spricht er ganz persönlich über sein Ziele, seine Berufung und seinen Glauben.
Erzbischof Franz Lackner übernimmt in der Bischofskonferenz den Vorsitz, den bisher 22 Jahre lang unser Kardinal Schönborn inne gehabt hat. Lackner ist bewusst, dass er somit in große Fußstapfen tritt: „Ich möchte mich bei Kardinal Christoph Schönborn sehr herzlich bedanken. Er ist für mich ein großes Vorbild, von dem ich viel lernen konnte. Nämlich auch in schwierigen Zeiten gerade zu stehen, das Wort nicht zu verlieren und für die Kirche einzustehen – auch dann, wenn es darum geht, Schuld zu bekennen und um Verzeihung zu bitten.“
- Wie geht es Ihnen jetzt als Vorsitzender? Haben Sie damit gerechnet?
Gott gelingt es immer wieder, mich zu überraschen. Ich hätte nie gedacht, dass ich als ein einstiger Elektriker, der mit Ach und Krach die Gesellenprüfung geschafft hat, einmal Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz werden würde. Ich nehme diese Aufgabe an und möchte als Stimme der Kirche die Anliegen der Weltkirche in unser Land tragen.
- Welche Ziele und Visionen verfolgen Sie dabei?
Ich habe noch keine konkreten Visionen, sondern versuche innerlich frei zu bleiben. Das geht, wenn man es oft genug geübt hat. Es ist ähnlich wie mit dem Geld: Oft sagt jemand zu mir: „Bitte nehmen Sie dieses Geld als Dank.“ Dann antworte ich, dass ich es nicht benötige, weil es mir verhältnismäßig gut geht. Dann sagen die Menschen oft: „Dann spenden Sie es“. Woraufhin ich dann antworte: „Nein, denn sobald ich das Geld hätte, würde ich es behalten wollen.“
So ist es auch generell mit den Gedanken: Sobald man sie zulässt, ist man schon besetzt und nicht mehr ganz frei. Deswegen bemühe ich mich, mir möglichst noch keine Visionen für die Bischofskonferenz zu machen. Aber ich sehe definitiv sehr viel Potential darin, dass ich die Stimme der Kirche in Österreich nach Rom tragen kann, um die Themen dort zu diskutieren. Das finde ich gerade bei dem derzeitigen Papst Franziskus sehr interessant und darin steckt sicher viel Potential.
- Was antworten Sie eigentlich, wenn Sie gefragt werden, warum es die Kirche braucht? Was ist ihre Kernaufgabe?
Theologisch betrachtet kann Kirche durch die Sakramente eine Gottesbeziehung ermöglichen. Die Heilige Klara, die kongeniale Vertraute von Franziskus, hat einmal gesagt: „Durch die Berührung mit Gott werden wir gläubig.“ Diese lebendige Berührung in Form der Kommunion zeichnet Kirche besonders aus.
Im ethisch-sozialen Bereich zeichnet sich Kirche hingegen vor allem dadurch aus, dass Christen Gutes aus einem guten Grund tun – und zwar, weil Gott gut ist. Ich komme aus sehr armen Verhältnissen. Bereits als Kind habe ich gemerkt, wie schwer es für meine Eltern war, Hilfe anzunehmen, wenn sie gönnerhaft von oben herab dahergekommen ist. Christen, die Gutes tun, tun es hingegen deshalb, weil sie selbst von Gott berührt sind und diese Freude selbstlos weitergeben möchten. Genau aus dieser Motivation heraus sind wir als Kirche sehr vielfältig tätig.
- Sie stammen ja selbst aus sehr armen Verhältnissen, wie Sie gerade angedeutet haben. Wie hat Sie das geprägt?
Wir waren fünf Kinder, meine Eltern waren Keuschler und wirklich sehr arm. Den Glauben haben ich schon in meiner Kindheit als sehr lebensdienlich erfahren. Wir haben uns gefürchtet vor Hagel, da hat es immer geheißen: „Wir müssen beten, damit es nicht hagelt.“ Als ich dann gefragt habe: Warum?, kam als Antwort: „Wenn es hagelt, wird die Ernte kaputt und wir haben dann nichts mehr zu essen.“ So einfach war das damals.
Ich habe aber wirklich sehr unter der Armut gelitten und ich hatte dadurch auch immer das Gefühl, dass man irgendwie nicht gut sein kann und darf, wenn man so arm ist. Zum Beispiel wollte ich in der Volksschule einmal das Wort „Entsprechend“ schreiben, habe es dann aber nicht gemacht, weil ich überzeugt war, dass ich dieses Wort nicht verwenden darf, weil ich arm bin.
- Hätten Sie damals gedacht, dass Sie irgendwann mal Bischof sein würden?
Ich wusste nie so recht, was ich aus meinem Leben machen sollte. Ich bin in der Meisterschule zum Elektriker durchgefallen. Ich war Hubstapler-Fahrer in einer Getränkefirma. Dann war ich eine Zeit lang auch arbeitslos – das war eine schreckliche Zeit. Danach bin ich zum Bundesheer gegangen und bin dabeigeblieben, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte tun sollen. Ich hatte damals ein Auto und bin gern in die Disko gegangen, wollte bei Freundinnen reüssieren – hatte aber ständig für alles zu wenig Geld. Deswegen bin ich dann zur UNO gegangen, weil ich dort die Möglichkeit hatte, für die damalige Zeit richtig viel Geld zu verdienen, das waren damals 12.000 Schilling.
Ich war dann im Kriegsgebiet und hatte viel Zeit und richtig viel Angst. Ich musste die Pufferzone zwischen Griechen und Türken bewachen. Ich hatte oft in der Nacht Wachdienst und habe alleine meine Runden gedreht. Alles war hell beleuchtet, sodass man mich von außen jederzeit abknallen hätte können, wie einen Hasen.
Ich habe dann jeden Tag in der Bibel gelesen, weil es mich beruhigt hat. Ich kam dann zu einer bestimmten Stelle bei Matthäus: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“ (Mt 11,28). Durch diese Stelle hat mich Gott gestreift, so wie wenn er tatsächlich vorübergegangen wäre.
Ich konnte nicht mehr weiterlesen und bin zu meinem damaligen Militär-Seelsorger gegangen und habe ihn gefragt: „Stimmt das, was da steht?“ Er hat geantwortet: „Ja, das stimmt!“ Meine zweite Frage war dann: „Was soll ich jetzt tun?“ Da hat er geantwortet: „Gib Gott in Deinem Leben eine Chance.“ Genau das war der entscheidende Moment in meinem Leben, mein ganz persönliches Berufungs-Erlebnis.
- Haben Sie auch heute noch derartige Erlebnisse?
Alles kann ein Zeichen für und gegen Gott sein. Oft sind es ganz banale Dinge, die aber für einen selbst definitiv nicht banal sind. Fest steht: Diese Erfahrungen brauchen irgendwann eine persönliche Berührung mit Gott. Ich bete jeden Tag vor dem Franziskus-Altar im Dom in Salzburg. Ich gehe in der Früh um Viertel nach Fünf in der Stadt spazieren, wenn die meisten noch schlafen und gehe dann zum Dom. Ich habe ja den Schlüssel und kann da hineingehen, wenn sonst noch niemand drinnen ist. Da bete ich dann immer, dass ich meine Franziskanische Berufung nicht verliere, was als Bischof nicht ganz leicht ist, um ehrlich zu sein.
Autor:Michael Ausserer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.