Eine Art Testament
Was waren die letzten Worte von Jesus am Kreuz?

Die sogenannten „Sieben letzten Worte“ haben Joseph Haydn inspiriert zu einem Werk, das in mehreren Fassungen überliefert ist – der Erstfassung für Orchester, in einer Bearbeitung für Klavier und einer späteren Erweiterung zum Oratorium.  | Foto: kathbild.at/Rupprecht
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  • Die sogenannten „Sieben letzten Worte“ haben Joseph Haydn inspiriert zu einem Werk, das in mehreren Fassungen überliefert ist – der Erstfassung für Orchester, in einer Bearbeitung für Klavier und einer späteren Erweiterung zum Oratorium.
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Gemeinsam mit dem langjährigen Musikprofessor am Wiener Schottengymnasium, Günter Egger, erläutert Generalvikar Nikolaus Krasa bei den „Theologischen Kursen“ am 7. April die „Sieben Worte unseres Erlösers am Kreuz“ von Joseph Haydn.

Herr Generalvikar, was bedeuten Ihnen „Die Sieben Worte unseres Erlösers am Kreuz“ als „Endzeitwerk“ von Joseph Haydn, oder ist es am Ende gar kein „Endzeitwerk“?
Nikolaus Krasa: Es ist de facto ein Werk, das uns mit dem Sterben in Kontakt bringt. Und das ist auch das Spannende dabei. Die Tradition dieser Andachten und Lieder, die teilweise bis ins 15. und 16. Jahrhundert zurückgehen, bedient sich quasi der Bibel als Steinbruch. Man nimmt die Worte, die Jesus in den einzelnen Passionserzählungen sagt, aus dem ursprünglichen Zusammenhang heraus und erzählt damit de facto eine neue Geschichte. So erzählt beispielsweise der Evangelist Johannes die Geschichte des königlichen Sterbens Jesu, daher lautet Jesu letzter Satz am Kreuz: „Es ist vollbracht.“ Während Lukas wiederum das menschliche Vorbild Jesu schildert, der sterbend für seine Verfolger betet.

Wann sollen wir uns dieses Haydn-Werk anhören? In der Fastenzeit oder am Karfreitag?

Für Menschen, die einen Zugang zu klassischer Musik haben, ist das eine gute Möglichkeit, sich auf Ostern vorzubereiten. Das war auch die Idee dieser Andachtsformen, wo man über die letzten Worte Jesu quasi meditiert und gepredigt hat. Joseph Haydn hat mit diesem Werk eine Art musikalische Meditation geschaffen.

Warum machen diese sogenannten „Sieben letzten Worte Jesu“ bis heute betroffen?
Weil man grundsätzlich „Letzten Worten“, etwa von Goethe oder Sokrates, doch ein starkes Gewicht zuweist, die sozusagen noch einmal die Persönlichkeit eines Menschen zusammenfassen. „Letzte Worte“ sind auch so etwas wie ein Testament, eine letzte Verfügung. Die Evangelisten bauen diese letzten Worte noch einmal in die Story ein, die sie von Jesus erzählen.

Wie ist das Jesus-Wort im Lukas-Evangelium - „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ - zu verstehen?

Nikolaus Krasa
Laut Generalvikar Nikolaus Krasa „bauen“ die Evangelisten die letzten Worte in die Story ein.

Jesus betet hier für die, die ihm Böses antun. Das Lukas-Evangelium zeigt uns oft den betenden Jesus. In keinem anderen Evangelium betet Jesus so oft, oft auch allein, wie im Lukasevangelium. Ich nenne hier beispielsweise Jesu Nacht am Ölberg, wo der Schweiß wie Blut auf die Erde tropft. Jesus lehrt auch seine Jünger beten oder die Geschichte vom bittenden Freund, dem man doch Gutes geben wird, auch wenn er in der Nacht kommt und anklopft.

Eines der schönsten Worte Jesu im Lukas-Evangelium lautet: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Heißt das, dass der sogenannte reumütige Schächer der Erste nach Jesus im Paradies war?
Ja, zumindest nach der Lukas-Schilderung. Auch das „Heute“ ist ein typisches Lukas-Wort. Es kommt ganz oft im Lukas-Evangelium und stellenweise in der Apostelgeschichte vor. Etwa bei der Zachäus-Geschichte: „Heute ist diesem Haus Heil widerfahren“, oder in den Kindheitsevangelien auch ganz oft.

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, so lautet ein weiteres und sehr bekanntes letztes Wort Jesu bei den Evangelisten Markus und bei Matthäus. Wie ist dieses Jesuswort, das auf einen Psalm Bezug nimmt, zu verstehen?
Das Wort bezieht sich konkret auf den Psalm 22. Ein Klage-Psalm mit einer eigenen Dynamik, die sich bis zur Gott-Ferne steigert, wo auch Themen wie falsche Aussage Verfolgung, Verrat und Misshandlung vorkommen oder Hunger und Durst. Vermutlich hat Jesus den ganzen Psalm 22 gebetet. Markus und Matthäus, die beide dieses Wort haben, machen im Prinzip das, was auch in rabbinischen Texten dieser Zeit gemacht worden ist. Wenn ich eine Bibelstelle zitiere, zitiere ich die ersten Verse, meine aber damit die ganze Stelle. Das Schöne am Psalm 22 ist, dass er sich durchringt zu einem Vertrauen, dass der solcherart Gequälte Rettung erfährt. Er ist nicht nur ein Psalm der Gott-Ferne, sondern ein Durchbeten der Gott-Ferne hinein ins Gottvertrauen.

Stichwort „Vertrauen“: Ist das Sterbewort im Lukas-Evangelium – „In deine Hände befehle ich meinen Geist“ - ein Ausdruck dieses Gott-Vertrauens Jesu?
Ja, es ist zunächst einmal Ausdruck des Gott-Vertrauens Jesu, auch der Gottesbeziehung Jesu. Die Anrede „Vater“ ist im Lukas-Evangelium für die Gottesbeziehung Jesu ganz entscheidend. Und auch für das, was Jesus seinen Jüngern weitergibt, wenn sie ihn bitten, wie sie beten sollen wie etwa im Vaterunser. Das bekommt dann im Lukasevangelium noch einmal eine eigene Dimension mit dem „Geist“, der auch wie ein roter Faden im Lukas-Evangelium ist. Angefangen von den Kindheitsgeschichten, als der Geist auf Maria herabkommt, bis hin zur Verbindung zwischen Evangelium und Apostelgeschichte. An Pfingsten ist er der Geist, der jetzt die Jünger und die Kirche stärkt. Man sieht, es sind immer Texte, die man aus der persönlichen Situation Jesu heraus deuten kann. Und da gibt es noch diese Verbindung für das Leben des Einzelnen: Das hilft mir vielleicht auch, übers Abschiednehmen vom Leben zu reflektieren, mein eigenes oder das von Freunden und Verwandten. Und gleichzeitig sind diese „Letzten Worte“ eingebettet in die Theologie des jeweiligen Evangelisten und mit den Hauptthemen aus den Evangelien verbunden. Wie beispielsweise bei Lukas mit dem Thema „Vater“ und mit dem Thema „Geist“.

Die letzten 7 Worte Jesu in der Bibel

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“
Lukasevangelium, Kapitel 23, Vers 34
„Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“
Lukasevangelium, Kapitel 23, Vers 43
„Frau, siehe, dein Sohn“
Johannesevangelium, Kapitel 19, Vers 26
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Markusevangelium, Kapitel 15, Vers 34
„Mich dürstet“
Johannesevangelium, Kapitel 19, Vers 28
„Es ist vollbracht“
Johannesevangelium, Kapitel 19, Vers 30
„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“
Lukasevangelium, Kapitel 23, Vers 46

Die sogenannten „Sieben letzten Worte“ haben Joseph Haydn inspiriert zu einem Werk, das in mehreren Fassungen überliefert ist – der Erstfassung für Orchester, in einer Bearbeitung für Klavier und einer späteren Erweiterung zum Oratorium.  | Foto: kathbild.at/Rupprecht
Laut Generalvikar Nikolaus Krasa „bauen“ die Evangelisten die letzten Worte in die Story ein. | Foto: Erzdiözese Wien
Autor:

Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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