Glaubenszeugnis
„Warum ausgerechnet ich?“
Rund um ihre Scheidung hadert Renate Moser mit Gott.
Viele Jahre danach sagt die langjährige Mitarbeiterin der Erzdiözese Wien: Gott war auf meiner Seite.
Der SONNTAG spricht mit Renate Moser einen Tag, bevor sie in Pension geht.
Ein emotionaler Moment für die 61-Jährige.
RENATE MOSER
Alter: 61
Wohnort: 4. Bezirk
Lebensmotto: Das Leben ist schön.
Niemand hat gesagt, dass es einfach ist.
Der Sonntag bedeutet für mich: Durchatmen, Feiern und Familie.
Gott ist für mich: Halt, Perspektive und Freund.
Frau Moser, wie geht es Ihnen unmittelbar vor Ihrer Pension?
Ich genieße es, gefeiert und verabschiedet zu werden. Abschiede soll man feiern, was jemand getan hat, soll auch gewürdigt werden. Aber so richtig realisiert habe ich noch nicht, dass die Pension nun beginnt. Ich blicke auf eine sehr erfüllte Zeit zurück und freue mich am meisten darauf, mein Leben nicht mehr nach meinem Terminkalender ausrichten zu müssen. Ich hatte eigentlich vor, länger zu arbeiten, bin vergangenes Jahr aber schwer krank geworden. Da habe ich realisiert, dass Geld nicht alles ist und dass ich kürzer- treten möchte.
Sie haben unterschiedliche berufliche Stationen durchlaufen und sagen im Rückblick, dass jeder Arbeitsplatz zur richtigen Zeit kam.
Jede Arbeitsstelle hat gut zu meinem Leben gepasst. Als die Kinder noch klein waren, habe ich freiberuflich als Lektorin gearbeitet, danach im Katholischen Familienverband. Nach meiner Scheidung konnte ich meine Erfahrungen in der WIGE, der Plattform für Geschiedene und Wiederverheiratete in der Kirche, einbringen. Ich habe in der Seniorenpastoral begonnen, als meine Eltern alt geworden sind. Und ich habe in den vergangenen fünf Jahren eine Führungsposition übernommen, zu einem Zeitpunkt, als meine eigenen vier Kinder schon erwachsen waren. Gott hat mich immer geführt. Nach meiner Scheidung zum Beispiel hatte ich mitunter Existenzängste, Rechnungen waren zu bezahlen. Mein Konto habe ich aber nie überzogen. Gott war auf unserer Seite, er hat die Fäden im Hintergrund gezogen und mir wieder neue Lebensfreude geschenkt.
„Ich habe gelernt, entspannt
zu leben und mit Zuversicht
in die Zukunft zu schauen.“
Renate Moser
Trotzdem war die Zeit rund um Ihre Scheidung nicht leicht.
Ich habe mit Gott gehadert und gefragt: Warum ausgerechnet ich? Einer meiner Söhne hat damals gesagt, dass wir jetzt keine richtige Familie mehr sind. Noch heute tut mir das weh, wenn ich daran denke. Und gleichzeitig waren so viele Menschen da, die mir Rückhalt gegeben haben, aus der Familie, aus der Pfarre, aus meinem Gebetskreis. Sie haben mich am Wochenende eingeladen, mich ganz praktisch unterstützt, mir sogar finanzielle Hilfe angeboten. Die Gespräche mit unserem damaligen Pfarrer waren für mich die besten Seelsorgegespräche.
Sie haben bei der WIGE geschiedene und wiederverheiratete Menschen begleitet. Wie haben Ihnen Ihre eigenen Erfahrungen dabei geholfen?
Ich muss zugeben, dass ich mir vor meiner Scheidung manchmal gedacht habe, dass mir sowas nicht passieren kann. Und auf einmal kam dieses Scheitern. Ich habe gelernt, Menschen nicht mehr zu beurteilen, genauer hinzuschauen und besser zuzuhören. Bei der WIGE habe ich das weitergegeben, was mir geholfen hat. Wie wichtig es ist, ein Netzwerk zu haben, oder dass man sich traut, um Unterstützung zu bitten, wenn man etwas braucht. Hilfreich war für die Betroffenen auch immer, zu sehen, dass sie nicht die Einzigen sind, dass es viele gibt, die das erleben.
Scheitern gehört zum Leben.
Wir scheitern alle immer wieder! Nicht immer ist es so dramatisch wie bei einer Scheidung, aber trotzdem. Ich habe gelernt, entspannt zu leben und mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen. Ich weiß, dass ich eine kleine Pension bekommen werde, aber auch, dass ich deswegen nicht verzagen muss. Es werden sich Wege auftun.
Siehe auch www.erzdioezese-wien.at/wige
Autor:Sandra Lobnig aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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