Zeit für meinen Glauben
Vom Brotbacken und Hinsehen
Das gemeinsame Essen mit der Familie ist Sophie Höfer heilig. Genauso wie der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus: Für bosnische Familien an der EU-Außengrenze, die dort gestrandete Flüchtlinge versorgen, hat sie ein Hilfsprojekt mit ins Leben gerufen.
Brotbacken: Sophie Höfer nennt es ihr Hobby. Dass es für die 38-jährige Wienerin aber weit mehr ist als das, wird deutlich, wenn sie zu erzählen beginnt. Vom Genuss eines einfachen Butterbrotes. Vom Esstisch, der für sie nicht nur der Ort ist, an dem ihre sechsköpfige Familie die Mahlzeiten einnimmt. Von der Bedeutung des Brotes für das Leben – materiell und spirituell. „Ich habe den Eindruck, dass Brot ein Kulturgut ist, das immer mehr verloren geht. Viele Familien essen zu Hause gar kein Brot mehr, weil die Kinder zu Mittag außer Haus sind und die Eltern am Abend dann noch einmal etwas kochen. Beim Brotessen gibt es aber eine andere Art von Gemeinschaft als beim Spaghettiessen.“
Brot, sagt Sophie, hilft, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben. „Es ist ein Grundnahrungsmittel. Und es drückt aus, dass es nicht immer das Besondere braucht. Auch das Einfache kann man genießen, wie zum Beispiel ein Butterbrot.“ Und – das ist ihr besonders wichtig – : „Für uns Christen ist Brot ein Zeichen des Lebens.“
Essen: Echte Zusammenkunft
Ob Brot oder Spaghetti: Das gemeinsame Essen ist Sophie heilig – im wahrsten Sinne des Wortes. „Das Essen ist für mich eine echte Zusammenkunft. Ich sehe den Tisch als eine Art Altar, an dem wir Mahl halten. Gleich neben unserem Tisch ist auch unsere Gebetsecke. Dieses Nebeneinander drückt für mich aus, dass Essen und Beten zusammengehören.“ Bei vier Kindern zwischen eins und zehn ist es bei Tisch natürlich auch nicht immer ruhig und andächtig, Streitereien gibt es auch im Hause Höfer. Sophie bemüht sich aber, auch ihren Kindern zu vermitteln, dass das gemeinsame Essen etwas Wertvolles ist. „Ich versuche da konsequent zu sein und teile das Essen zum Beispiel nicht aus, wenn die Kinder kurz vorher gestritten haben und noch ganz unversöhnt sind.“
Gebetet wird bei Familie Höfer vor dem Essen und abends. Sophies Devise: Besser jeden Tag ein paar Minuten kurz und unspektakulär zusammen beten, als ab und zu ein langes und tolles Gebet zu machen. „Damit etwas tief in die Seele sinken kann, ist die Regelmäßigkeit wichtig“, ist sie überzeugt.
Familien helfen Familien in Bosnien
Was Sophie außerdem am Herzen liegt: Das Schicksal der Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten und an den Grenzen Europas nicht mehr weiter kommen. „Ich habe lange in der Pfarre Deutschkurse für Flüchtlinge gehalten. Aber seitdem die Balkanroute geschlossen ist, kommen keine Leute mehr durch.“
Bei einem Vortrag in der Pfarre hat Sophie von der Not der Geflüchteten an der EU-Außengrenze in Bosnien erfahren. Und davon, dass bosnische Familien vor Ort Flüchtlinge aus Eigeninitiative mit dem Nötigsten versorgen. „Mittlerweile ist es der dritte Winter, seitdem die Menschen im Wald, im Schnee ausharren. Bosnischen Familien, die selber von der Sozialhilfe leben, teilen Suppe aus und helfen.“
Sophie hat eine Spendenaktion mit ins Leben gerufen, um jene zu unterstützen, die das Wenige, das sie haben, teilen. „Das läuft über das Sozialzentrum vor Ort. Der Leiter des Zentrums kennt die Menschen und weiß, wer was braucht.“
Sophies Anliegen ist es auch, auf die Situation der Menschen aufmerksam zu machen. „Es ist mir wichtig, das abseits von Corona ins Gedächtnis zu rufen. Und es geht mir darum, dass wir selbst das Hinsehen nicht verlernen. Wenn jeder auch nur einem hilft, dann ist es irgendwann mehr als nur eine symbolische Tat und es passiert wirklich etwas.“
Mehr Infos zum Projekt: pfarrnetzwerkasyl.at
Autor:Sandra Lobnig aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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