Offenbarung des Johannes
Trost-Buch und Droh-Botschaft zugleich
Für viele ist sie ein Buch mit den sprichwörtlichen sieben Siegeln, die „Offenbarung des Johannes“. Schwer verständlich, voll von Schreckens- und Gewalt-Bildern. Eben apokalyptisch im landläufigen Sinn. Für den Wiener Neutestamentler Martin Stowasser hat die „Offenbarung des Johannes“, das letzte Buch des Neuen Testaments, trotzalledem eine klare Botschaft: Gott hilft.
Wie lässt sich die komplexe, bilderreiche Botschaft der „Offenbarung des Johannes“ in wenigen Sätzen erklären? „Ganz vereinfacht gesagt ist dieses Buch eine Trost-Botschaft und zugleich eine Droh-Botschaft bzw. eine Mahnung“, sagt der Wiener Neutestamentler Martin Stowasser im Gespräch mit dem SONNTAG. Stowasser spricht am 14. Februar bei den „Theologischen Kursen“ in Wien. „Das Buch zielt auf Menschen, die aus der Sicht des Verfassers in einer bedrückten Situation leben und daher Mut brauchen, ihrem Glauben treu zu bleiben.“ Der Autor der Offenbarung betone „zugleich auch sehr stark die mahnende Seite in dem Buch, weil er das Gefühl hat, dass Menschen sich zu stark vom Druck der Gesellschaft beeinflussen lassen“, unterstreicht Stowasser: „Und der Autor fürchtet, dass Menschen vom Glauben abfallen.“
Was meint „Apokalypse“ wörtlich und konkret im Zusammenhang dieses biblischen Buches? Dieses Buch will ja „nicht verschlüsseln, sondern öffnen“, wie der Neutestamentler Udo Schnelle schreibt?
Apokalypse, griechisch, heißt wörtlich „Enthüllung“. Gemeint ist damit, dass der Seher Johannes den wahren Sinn der Geschichte offenbart und enthüllt. Es geht ihm darum, den Christen klarzumachen, dass nicht das, was sie vordergründig erleben, der Sinn der Geschichte ist, nämlich Verfolgung, das Gefühl, von Gott verlassen zu sein, die Übermacht der griechisch-römischen Gesellschaft über sie als christliche Gemeinde, sondern dass der eigentliche Sinn der Geschichte erst erschlossen werden muss, nämlich dass Gott der Herr der Geschichte ist und alle ihre Wirrnisse doch letztlich in Gott einen Sinn finden.
Sie nannten die Apokalypse vorhin auch ein Trost-Buch. Vielleicht deshalb, weil letztlich die Geschichte gut ausgeht, mit neuem Himmel und neuer Erde?
Alle Apokalypsen sind Trost-Bücher. Das mag für uns heute überraschend klingen, weil wir in erster Linie auf die Bilder des Gerichtes schauen. Aber die Gerichtsbilder wollen ja ausdrücken, dass Gott dem Leid und dem Unheil gegenüber nicht tatenlos bleibt, sondern diese Gerichtsbilder sollen Hoffnung geben, dass Gott in die Geschichte eingreifen wird zugunsten der Glaubenstreue derer, die an ihm und seiner Botschaft festhalten. Insofern steht das Trost-Motiv und nicht ein Weltuntergangs-Szenario für die ursprünglichen Leserinnen und Leser im Vordergrund. Für uns heute oder auch für spätere Generationen ist diese Perspektive wesentlich anders geworden, weil wir ja nicht als verfolgte Minderheit, jedenfalls in unseren Breiten, leben und daher nur mehr diese Gerichtsbilder sehen. Aber die Apokalypse hat immer wieder dort ihre Aktualität, wo Menschen in Bedrängnis kommen wegen ihres Glaubens und ihre letzte Hoffnung nur in Gott besteht, weil ihnen sonst niemand mehr hilft. Das ist die Botschaft des Buches: Gott hilft.
Was lässt sich über den Verfasser Johannes sagen?
Schon die altkirchliche Tradition hat darüber diskutiert, ob der Verfasser Johannes der Apostel ist oder der gleiche Verfasser des Johannes-Evangeliums. Heute sind wir davon überzeugt, dass dieser Johannes mit dem Johannesevangelium nichts zu tun hat und auch nicht der Apostel Johannes war. Was wir aus dem Werk selbst erkennen können, ist, dass dieser Johannes ein aus dem judenchristlichen Bereich kommender Christ gewesen ist, der ein hohes Bildungsniveau und eine ausgezeichnete Kenntnis des Alten Testaments besessen hat. Wir würden heute am ehesten sagen, dass er ein schriftgelehrter Theologe war.
Welchen Stellenwert oder welche Bedeutung hat die „Offenbarung des Johannes“ für uns Katholikinnen und Katholiken heute? Warum sollen wir sie noch lesen?
Die „Offenbarung des Johannes“ ist ein Bekenntnis zur Geschichtsmächtigkeit Gottes. Das ist für uns heute oft nicht mehr leicht nachzuvollziehen: Dass hinter der Geschichte ein göttlicher Plan steht, dass Gott der Herr der Geschichte ist. Es hat aber eine enorm entlastende Funktion, dass wir diese Geschichte am Ende nicht selbst ins Gute steuern können, sondern dass wir das letztlich in die Hand Gottes legen müssen – und dürfen.
Fast durchgehend prägt der Gedanke des Gerichts das Buch. Wie passt das zur an sich friedlichen Botschaft Jesu und des übrigen Neuen Testaments?
Bei allen biblischen Büchern muss man immer sehen, in welche Situation hinein sie geschrieben sind. Dieses Buch ist aus der Sicht des Verfassers jedenfalls in eine Situation der Bedrängnis hineingeschrieben, und hier besitzt das Gericht eine entlastende Funktion. Es soll ja zum Ausdruck bringen, dass Gott dem Leid gegenüber nicht untätig bleibt. Man muss den Bildcharakter der Gerichtsbilder ernstnehmen und so auch ernst nehmen, dass darin nicht eine Beschreibung dessen stattfindet, was am Ende Gott mit der Welt vorhat. Es ist ein Akzent, der hier in den Vordergrund rückt. So wie Jesus einen anderen Akzent gesetzt hat, nämlich das Positive der Gottes Herrschaft, die als Heils-Herrschaft anbricht.
Was schätzen Sie persönlich als Christ an der „Offenbarung des Johannes“?
Ich schätze an der „Offenbarung des Johannes“ als Christ das tiefe Vertrauen in Gott. Auch dort, wo die persönliche Situation dieses Vertrauen kaum mehr rechtfertigt. Es ist ein Buch, das eigentlich Hoffnung geben will, das zum Vertrauen auf Gott aufruft in einer Situation, die man selbst nicht mehr steuern kann, die man selbst nicht mehr durchschauen kann. Und hier offenbart dieses Buch eben ein tiefes Vertrauen in einen Gott, der diese Geschichte zum Guten lenken wird.
Wie geht es Ihnen als Bibel-Wissenschaftler mit diesem biblischen Buch? Wo haben Sie eventuelle Schwierigkeiten damit?
Ich schätze an diesem Buch das literarische Geschick des Verfassers. Es ist ein unheimlich faszinierendes Werk, wenn man sieht, wie er mit dem Alten Testament, mit Motiven kreativ umgeht und daraus etwas völlig Neues schafft. Ich schätze daran auch, dass es eine Stimme in der Bibel ist, die zeigt, dass die Bibel eine Vielfalt an theologischen Ansätzen bietet. Man muss die „Offenbarung des Johannes“ zugleich neben dem ersten Petrus-Brief lesen, und hier bestehen für mich Faszination und Grenzen dieser Apokalypse. Für die Johannes-Offenbarung ist Rom, ist der römische Staat, ist die griechisch-römische Gesellschaft ein Feindbild, von dem man sich absondert, das die Hure Babylon darstellt, quasi das leibhaftige Böse. Der erste Petrus-Brief ruft in der gleichen Bibel dazu auf, für den Kaiser zu beten, sich den Statthaltern unterzuordnen und sich möglichst in die Gesellschaft zu integrieren. Diese beiden Pole finde ich spannend, weil sie zeigen, dass Theologie immer sehr situationsbezogen betrieben werden muss und daher beide Bücher zwei Seiten des Christlichen darstellen.
Autor:Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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