Rudi Weiss: Allround-Künstler in Wort und Bild
Mit allen Sinnen verliebt ins Weinviertel

3Bilder

Das Corona-Jahr 2020 wird uns lange in Erinnerung bleiben. Vielleicht auch als das Jahr, indem wir uns auf ganz neue Österreich-Spuren begeben haben. Rudi Weiss, begeisterter Weinviertler, Lehrer, Berater, Fotograf und Autor, lädt uns mit seinem Buch „Muschelkraft“ auf den Pilgerweg durchs Weinviertel ein. Mit seinen „nicht immer frommen Gedanken“ begleitet er den Leser auf seinem Weg durch die teils fast mystische Landschaft, die er auch gekonnt in seinen Bildern festhält. Ein Portrait des Allround-Künstlers in Wort und Bild.

Der Weinviertler
Rudi Weiß ist zwar ein eingeheirateter „Zua­groaster“, hat sich aber so gut eingelebt, dass er die Weinviertler Seele mittlerweile voll und ganz auf den Punkt bringt. Und wenn seine einheimischen Freunde das bezeugen, dann muss es wohl stimmen. Rudi selbst sieht sich zwar nach wie vor nicht als Weinviertel-Experte, aber „ich habe mich sofort ins Weinviertel verliebt.“ Was er so mag? Dass das Weinviertel, immer so anders ist. Und, dass es sich, genauso wie er selbst, nicht gern in den Mittelpunkt stellt. Auch, wenn es langsam seinen Minderwertigkeitskomplex ablegt und lernt, zu seinen Schönheiten zu stehen. Vielleicht hat gerade der Blick von außen, den Rudi auch in seinen malerischen Fotografien festhält, diesbezüglich nachgeholfen.

Gedicht

Aufbrechen

Dem Hasten mach ich ein Ende
und der Ruhe den Hof
Schritt für Schritt ergehe ich mir Gelassenheit
öffne mich dem Staunen und
mache mich auf ins Ungewisse
gehe fremd mit gutem Gewissen

Der Zuhörer
Beruflich versteht sich Rudi Weiß vor allem als Zuhörer. Er ist diplomierter Sozialarbeiter, Ehe- und Familienberater und unterrichtet seit mehr als dreißig Jahren mit Leidenschaft Religion und Persönlichkeitsbildung an der Landwirtschaftlichen Fachschule Poysdorf. „Ratschläge sind Totschläge“, sagt er. Sowohl in seinem Sein als Lehrer, wie auch als Berater, gilt es erstmal zuzuhören. „Es geht ums Freilegen von Ressourcen. Ich bin kein Experte für das Leben eines anderen. Wie es gehen könnte, muss jeder selber wissen. Aber ich kann eine Ebene bieten, auf der man die Möglichkeit hat, die Dinge einmal von einer anderen Seite aus zu betrachten.“
Das einfühlsame Talent hat er wohl von seinem Vater geerbt.
Folgende Erinnerung hat sich ihm tief eingeprägt. Rudi war ungefähr vier Jahre alt, als im elterlichen Bauernhof ein Zimmer neu ausgemalt wurde. Rudi, wegen der zu erledigenden Stallarbeit der Erwachsenen, sich selbst überlassen, sah seinen künstlerischen Moment gekommen und begann die schöne weiße Wand mit Zügen zu bemalen. Das Projekt war schon weit fortgeschritten als der Vater den Raum betrat. Doch, ohne ein Wort zu sagen, setzt er sich zum Sohn auf den Boden und malt einen Bahnhof dazu, durch den die Züge die Wandlandschaft wieder verlassen können...

Gedicht

Erziehung

ich möchte dich nicht ziehen
nicht an den ohren und damit groß
nicht in zweifel und nicht den vergleich

ich möchte dich nicht ziehen
und wenn dann ins vertrauen
und wenn dann den hut
ich möchte dich nicht ziehen
doch einmal ziehen lassen
– das muss wohl sein

ich möchte dich nicht schlagen
nicht rat-schlagen
nicht in beschlag nehmen

ich schlage mich auf die seite derer
die dich das staunen lehren wollen
und dir unter die arme greifen
wenn du es brauchst

Der Sprachkünstler
Geschrieben hat Rudi immer schon gern. Tagebuch anfangs. Später Meditationen, Gebete und Texte, die er in der Jugendarbeit einsetzen konnte. Die Liebe hat ihn dann zur Lyrik geführt. Sein erstes Gedicht war ein Liebesgedicht an seine Frau. Seitdem fühlt er sich in dieser Sprachform am meisten zuhause. Inspiriert durch den bekannten Weinviertler Mundartdichter Emmerich Lang und die Erfahrungen in der Kulturinitiative „Kunst-Dünger“ hat sich im Laufe der Jahre dann sein ganz eigener Stil geformt.
Und er scheint anzukommen. Nicht weniger als 19 Bücher sind mittlerweile erschienen. Drei davon in Mundart. Im Dialekt zu schreiben ist für Rudi etwas Besonderes. Im Hochdeutschen geht es für ihn immer eher um ein bestimmtes Thema. „Bei der Mundart“, sagt er, „geht es mehr um die Idee, um das Originelle. Sie ist direkter, manchmal derb, oft lustig. Ein gutes Mundart-Gedicht kann man gar nicht adäquat ins Hochdeutsche übersetzen.“
Aber sie können es ja mal versuchen. Freigeist Rudi Weiß wird vermutlich nichts dagegen haben.

Gedicht

himmi

aungeblich
hod amoi a klana bua
in großn theologn rahner koal gfrogt
ob a im himmi a no fuaßboi spühn kau
und da koal hod gsogt
wauns fia eam gaunz wichtig is
daun kaun a

des kauns owa daun net sei –
a viatl vom himmi a stadion
des zweite viatl a swingaklub
des dritte a ha und em
und fost da gaunze rest a schweizahaus


Autor Rudi Weiß, geboren 1957, ist diplomierter Sozialarbeiter und Religions­pädagoge. Künstlerisch betätigt er sich als freier Schriftsteller und Fotograf. Bevorzugte literarische Form ist die Lyrik. Er lebt mit seiner Familie im Weinviertel.

BUCHTIPP:
Rudi Weiß, Gottfried Laf Wurm,
Muschelkraft.
108 Seiten, ISBN 978-3-85351-292-0
Preis: € 35,97.
Auch als eBook zum Preis von
€ 17,90 erhältlich.

Autor:

Veronika Bonelli aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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