Zeit für Ausgelassenheit
„In der Bibel ist immer Fasching“
Wer den Fasching wirklich„erfunden“ hat, ist nicht klar. Fest steht aber, dass die Ursprünge bereits bei den Festen der Römer und Kelten zu suchen sind. Mit viel Wein, Gesang, Theater und Kostümierungen wurde in der Antike den Göttern gehuldigt, böse Geister vertrieben oder der Beginn eines neuen Jahres gefeiert.
Fest steht also: Fasching ist kein kirchliches Fest. Die christliche Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern war und ist aber trotzdem der Grund für die ausgiebigen Feiern über einen derart langen Zeitraum während der gesamten Faschingszeit.
Bevor die Menschen auf Fleisch und Wein verzichten sollten, wollten sie noch einmal so richtig Spaß haben. Folglich gilt jedes Jahr der 7. Jänner als offizieller Beginn der Faschingszeit, also der Tag nach dem Dreikönigstag. Und nicht wie fälschlicherweise oft angenommen am 11. November, denn das ist in Wahrheit der Termin für das sogenannte Narrenwecken, ab diesem Zeitpunkt dürfen die Faschingsgilden ganz offiziell mit den Vorbereitungen für den Fasching beginnen.
Narrenfeste in der Faschingszeit, bei denen sich die Teilnehmer teils aufwändig verkleideten, feierten die Menschen bereits im frühen Mittelalter. Der Narr stellte dabei die Dummheit und das Böse auf der Welt dar. Die Kirche duldete diese Narretei offenbar nicht nur, sondern sie unterstützte das Faschingsbrauchtum mitunter sogar.
So hat etwa Papst Sixtus IV. (1471-1484) mit Geld lokale Narrenfeste unterstützt und alle, die mitmachten, gesegnet. Außerdem wurde in früheren Jahrhunderten auch in den Kirchen und Klöstern kräftig gefeiert.
Fasching – und die Bibel?
Fasching war und ist die Zeit der Gelage, des Tanzens, der Narren und auch die Zeit der Machtumkehr.
Diese Aspekte finden sich übrigens auch in der Bibel, wie Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, anhand des Königs David im Alten Testament aufzeigt: Er war „dem Wein und gutem Essen nicht abgeneigt“, wusste um die heilende Kraft fröhlicher Musik, schreckte trotz königlicher Würde nicht davor zurück, ausgelassen zu tanzen, schreibt Birnbaum unter dem Titel „In der Bibel ist immer Fasching“ auf der theologischen Feuilleton-Website feinschwarz.net. Und David stehe auch für die im Fasching durch Verkleidung symbolisch zelebrierte und in der Bibel häufige Umkehr der Machtverhältnisse wie kaum ein anderer.
Neue Machtverhältnisse
Bei David zeige sich dies in mehrfacher Hinsicht, weist die Bibelwerksdirektorin hin: Nicht einer seiner sechs älteren Brüder werde vom Propheten Samuel zum König gesalbt, sondern er als der jüngste, der Schafe hütet. Und nicht der übermächtige, bis auf die Zähne bewaffnete Goliat gewinne den Zweikampf, sondern der kleine, schmächtige, unbewaffnete David.
Dass die scheinbar Schwachen, Machtlosen die Mächtigen besiegen, ziehe sich durch die gesamte Bibel, so Birnbaum. Jüngere Brüder werden wie bei Jakob und Esau dem älteren vorangestellt, die versklavten Israeliten fliehen erfolgreich aus Ägypten, dem der modernste Militärapparat der damaligen Zeit nichts nützte, und die unbewaffnete Judit bringe mitten im Heerlager der Assyrer deren Anführer Holofernes zur Strecke und rette ihr Volk damit vor dem Usurpator.
Von „Fressern und Säufern“
Die David zugeschriebenen Psalmen in der Bibel würdigen laut Birnbaum den „Wein, der das Herz des Menschen erfreut“; der König der Israeliten selbst erscheint als durch Rebensaft und Kuchen verführbar. David selbst und noch expliziter sein Sohn Salomo erwiesen sich als „karnevalesk“ in Bezug auf Festmähler und prachtvolle Gelage, und auch Jesus, laut Matthäus-Evangelium ein Nachkomme Davids, sei vorgeworfen worden, ein „Fresser und Säufer“ zu sein.
König David, der erste „Musiktherapeut der Geschichte“
Dass David – als „der erste biblische Musiktherapeut“ – gut mit der Leier umgehen konnte, wird nach den Ausführungen der Bibelexpertin deutlich, als er mit seinen Klängen König Saul von bösen Geistern befreite. „Damit sind gleich zwei Aspekte des Karnevals angesprochen: Zum einen die Musik, die weder bei einer Faschingsfeier noch beim Opernball fehlen darf. Zum anderen die Vertreibung böser Geister, die ja auch im Fasching ihren Platz hat“, schreibt Birnbaum.
Zeit für Ausgelassenheit
Die Heimholung der Bundeslade nach Jerusalem sei für König David Anlass gewesen, „ausgelassen zu tanzen und zu hüpfen, zu Musik und Jubelschreien“. Seine „offenbar eher humorlose Ehefrau namens Michal“ habe dazu sarkastisch angemerkt, dass er sich damit vor den Augen seiner Untertanen bloßstellte. Für Gott wolle er sich „gern noch geringer machen“, habe sich David zu dieser Narretei bekannt. Und Gott gibt dem „Narren“ recht, merkte Birnbaum an: Michal „bekam bis zu ihrem Tod kein Kind“, heiße es in der Bibel.
Kein Ende in Sicht?
Der Fasching geht mit Faschingsdienstag zu Ende. Die biblische „Faschingszeit“ dagegen endet nicht, betont Bibelwerk-Direktorin Elisabeth Birnbaum abschließend: „Wieder und wieder lädt Gott sein Volk zum Festmahl ein. Wieder und wieder lässt er es tanzen, jubeln, feiern und närrisch vor Freude werden.
Und wieder und wieder kehrt er die Machtverhältnisse um.“ Auch weit über die tatsächliche Faschingszeit hinaus.
Autor:Michael Ausserer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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