Zeit für meinen Glauben
Ich habe mich nie allein gefühlt
Ob am Sterbebett ihrer Mutter, während der Trennung von ihrem Mann oder in der Coronakrise: Waltraud Gabler spürt, wie nahe Gott ist.
Es ist fast fünfzig Jahre her, und doch erinnert sich Waltraud Gabler, als wäre es gestern gewesen: „Fahr mit mir nach Wels“, hat unser Priester zu mir gesagt und mich nach Oberösterreich mitgenommen. Für mich war es das erste Mal, dass ich aus unserer kleinen katholischen Gemeinde im Südburgenland rausgekommen bin und etwas ganz anderes gesehen habe.“ In Wels besuchen Waltraud und ihr Heimatpfarrer die ‚Mariapoli‘, eine Jugendveranstaltung der katholischen Fokolarbewegung. Die junge Burgenländerin lernt dort den Glauben auf eine neue Weise kennen. „Es war einfach großartig. Das gemeinsame Beten und Singen, so viele wertvolle Leute – das hat mich sehr, sehr geprägt.“
Hey, du gehörst zu meinen Jüngern!
Einige Jahre bleibt Waltraud mit der Fokolarbewegung in Verbindung. Bis sie heiratet und der Kontakt verloren geht. „Meinem Mann war der Glaube nicht so wichtig, es hat ihn einfach nicht so interessiert“, sagt Waltraud und fügt pragmatisch hinzu: „Und es ist dann eben so, dass einer nachgibt.“
Die Sonntagsmesse ist für Waltraud, ihren Mann und die vier Kinder, die die beiden bekommen, dennoch eine familiäre Selbstverständlichkeit. Sie besuchen sie in der Pfarre Lichtental im neunten Bezirk, dort, wo Waltraud nach wie vor verwurzelt ist, auch wenn sie mittlerweile am anderen Ende von Wien wohnt.
Erstkommunionvorbereitung, Mutter-Kind-Runde, Pfarrgemeinderat, Dekanatsteam und Vikariatsrat: Seit Jahrzehnten gehört die pensionierte Religionslehrerin zu jenen, die sich in der Pfarre engagieren. „Ich habe immer versucht, mich einzubringen und die Arbeit nie gescheut. Nicht weil ich muss, sondern weil ich es mit Freude tue.“ Sie fühlt sich dazu berufen. „Es ist als würde Gott zu mir sagen: ‚Hey, du gehörst zu meinen Jüngern, zu denen, die hier mitarbeiten sollen.“
Eine harte Zeit
Dass viele Veranstaltungen in der Pfarre momentan wegen Corona nicht in gewohnter Weise stattfinden können, bedauert Waltraud sehr. Die steigenden Coronazahlen beunruhigen sie – so wie viele andere, gleichzeitig setzt sie ihr Vertrauen auf Gott. „Ich sage oft: ‚Der einzige, der uns helfen kann, bist du da oben… bist du hier bei uns!‘“
Dass Gott nicht fern, sondern mitten im Leben mit seinen Krisen ist, hat Waltraud immer wieder erlebt. Auch in einem ihrer schwersten Momente vor zwanzig Jahren, als ihr Mann sich von ihr getrennt hat. Das war eine harte Zeit. „Natürlich war ich verzweifelt. Aber ich habe mich nie alleine gefühlt. Und ich hab’ mir gedacht: ‚Ich werd’ schon auch meine Fehler gemacht haben. Trotzdem weiß ich: ‚Du, Herr, lässt mich nicht allein.‘ Im Gebet habe ich immer Trost und Hilfe gefunden.“
Am Sterbebett
Besonders intensiv spürt Waltraut Gottes Gegenwart, als ihre Mutter im Sterben liegt. Eine Woche lang wachen sie und ihre Geschwister bei ihr. „Meine Mama wusste, dass sie bald sterben wird. Wir sind alle bei ihr gesessen oder gelegen, haben ihre Hand gehalten, gebetet und gesungen.“
Waltraud berichtet von einer unglaublich dichten Atmosphäre und einem echten Zusammengehörigkeitsgefühl. „In solchen Situationen denkt man ‚Wow! Da war Gott ganz nahe.“
Autor:Sandra Lobnig aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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