Die Gemeinschaft mit Gott
Gott: der viel Größere auf Augenhöhe
Die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen ist in erster Linie die zwischen Schöpfer und Geschöpf. Gott ist aber auch Freund, Vater oder König. Als Kind in der Krippe offenbart er sich als Gott, dem man sich ohne Angst nähern kann.
Teresa von Avila muss eine Frau mit Humor gewesen sein. Als sie sich bei Gott über die Mühsal beim Reisen beklagt hat, antwortete ihr dieser: „So behandle ich meine Freunde.“ Teresa daraufhin: „Darum hast du auch nur so wenige!“
Mühsames Reisen hin oder her: Teresa war eine leidenschaftliche Freundin Gottes. Und Gott war ihr Freund, jemand, mit dem sie gern Zeit verbracht und bei dem sie sich auch mal beschwert hat. Wer Gott für den Menschen ist, wie die Beziehung zu ihm gelebt wird – auf diese Fragen gibt es viele Antworten, sagt die Ordensfrau und Theologin Anneliese Herzig, Missionsschwester vom Heiligsten Erlöser. Letztendlich „so viele wie es Menschen gibt.“ Denn: „Menschen haben unterschiedliche Zugänge, um sich dem Geheimnis Gottes zu nähern. Keiner kann dabei das Ganze umfassen, weil Gott immer der andere, der Größere bleibt.“ Wie können diese Zugänge zum Geheimnis Gottes aussehen?
Für Elisabeth aus Liesing ist Gott „Ursprung und Ziel des Lebens, Liebe, Heil und Erlösung.“ Er ist immer da. „Gott sagt nie: ‚Moment, warte, ich muss das noch fertig machen‘ oder: ‚Ich hab keine Zeit‘. Die Beziehung zu ihm kann ich im Alltäglichen, in der Musik, im Gebet, in der Natur, in und mit Menschen, auch in Problemen leben“, sagt Elisabeth.
Für die Favoritnerin Barbara ist Gott der, „der alles weiß, der alles geschaffen hat und der mich am besten kennt. „Wenn ich ein Anliegen in seine Hände lege, weiß ich, er findet einen Weg.“ Und für Thomas, ebenfalls aus dem 10. Bezirk, ist Gott jemand, der die Nähe des Menschen sucht und um die Liebe des Menschen wirbt – immer wieder aufs Neue. „Er ist ein Gott, mit dem ich durch das Leben gehe, mit dem ich im Gespräch bin und dessen Antworten ich in offensichtlichen und noch öfter in unscheinbaren Zeichen entdecke.“
Der Mensch als freier Bundespartner
Unabhängig davon, wie die Beziehung zwischen dem einzelnen und Gott konkret aussieht – ob Gott eher als Freund, König, Herr, Mutter oder Vater betrachtet wird oder so wie jetzt zu Weihnachten als Kind in der Krippe auf den Menschen zukommt: „Es gibt einen bleibenden Unterschied zwischen Gott und dem Menschen, einen Graben der nicht übersprungen werden kann“, sagt Schwester Anneliese. Das ist der zwischen dem Schöpfer und seinem Geschöpf.“ Gleichzeitig sei das Verhältnis zu Gott im Christentum nicht ein rein hierarchisches.
Gott will mit dem Menschen in Dialog treten. „In diesem Sinn sind Gott und Mensch durchaus auf Augenhöhe. Gott setzt ihn sogar als Verwalter seiner Schöpfung ein – eine Aufgabe, der wir zurzeit ja nicht so gut nachkommen.“ Statt zu fragen, wer Gott für den Menschen ist, sei es wahrscheinlich einfacher darüber nachzudenken, wer der Mensch für Gott ist, sagt Schwester Anneliese.
„Gott will den Menschen als freien Bundespartner. Zur Liebe gehört immer auch die Freiheit, das bedeutet auch, dass der Mensch von Gott nicht gezwungen wird.“
Neben den personalen Sichtweisen auf das Verhältnis Gott-Mensch gebe es noch eine weitere. Von ihr spricht der Apostel Paulus am Areopag, als er nach dem christlichen Gott gefragt wird. ,In Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir’, sagt Paulus. Da kommt noch einmal eine andere Dimension hinein: Nicht die Beziehung von Angesicht zu Angesicht, sondern Gott, der viel größer ist, der das Leben ist, in dem wir uns bewegen“, erklärt Schwester Anneliese.
Kumpel nein, Freund ja
Spricht man über das Verhältnis Gott-Mensch im Christentum, spielt der Aspekt der Freundschaft eine wesentliche Rolle. Jesus selbst nennt seine Jünger Freunde. „Die Freundschaft mit Gott hat in der Spiritualitätsgeschichte eine große Bedeutung“, sagt Schwester Anneliese. Ist sie mit der Freundschaft zwischen Menschen vergleichbar? „Ja und nein. Einerseits gehören Offenheit, Vertrauen, Treue, gegenseitige Anerkennung und eine gute Ehrfurcht zu menschlichen Freundschaften und das schwingt auch in der Freundschaft mit Gott mit. Andererseits bleibt der Unterschied zwischen Gott und Mensch bestehen.“ Trotz Intimität und Vertrauen: Von Gott als Kumpel würde die Ordensfrau nicht sprechen. „Da würden wir Gott auf unsere Ebene ziehen.“
Phasen der Gottesbeziehung
Die Beziehung zu Gott sei nicht starr, sondern dynamisch. Etwas, das sich im Laufe eines Menschen- und Glaubenslebens verändert. Auch aus ihrer persönlichen Erfahrung kennt Schwester Anneliese verschiedene Phasen, die sich auch darin unterscheiden, wie stark die Nähe Gottes gespürt wird. „Wir sehen das im Leben vieler Christen und Heiligen: Manchmal kommt uns Gott sehr nahe, manchmal fern vor.“
Natürlich sei es verständlich, sich zu wünschen, Gott und seine Liebe auch zu spüren. „Es ist aber ein Zeichen einer reifen Gottesbeziehung, wenn ich mir dieses Gefühl der Nähe Gottes nicht selbst verschaffen möchte. Und wenn ich die Beziehung mit ihm nicht abbreche, auch wenn ich ihn nicht spüre.“ Was sich im Laufe ihres Lebens immer wieder verändert hat, sei innerhalb des christlichen Glaubens an die Dreifaltigkeit die göttliche Person, an die sich die Ordensfrau hauptsächlich wendet. „Als junge Frau war für mich Jesus Christus der zentrale Zugangspunkt zu Gott. Dann ist immer mehr der Zugang zum Heiligen Geist dazu gewachsen und später Gott als Vater oder als Mutter, als Schöpfer und Grund des Lebens.
Ich bleibe eine Suchende.“ Kennzeichen einer reifen Gottesbeziehung sei auch, dass sie lebendig ist, sich entwickelt und immer wieder Neues hinzu wächst. Auch Zweifel und Fragen hätten darin ihren Platz. „Zweifel sind wichtig, damit ich weiter im Glauben wachsen kann. Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass es in einer guten Gottesbeziehung keine Erschütterungen geben darf“, betont Schwester Anneliese.
Kind in der Krippe ist anziehend
Zu Weihnachten wird ein weiterer Aspekt der Beziehung zwischen Gott und Mensch offenbar. „Das Kind in der Krippe zeigt, dass das kein Gott ist, dem ich mich in Angst nähern muss, sondern einer, der zu mir kommt. Er begibt sich auf meine Augenhöhe, das ist ganz zentral im christlichen Glauben.“
Von ihren Mitschwestern in Japan weiß Schwester Anneliese, dass Weihnachten eine große Faszination auf die Menschen dort ausübt – unabhängig davon, ob sie Christen sind oder nicht. „Das Kind in der Krippe ist sehr anziehend. Da ist ein Gott, vor dem man sich nicht zu fürchten braucht, ein Gott, der sich abhängig macht von den Menschen, die ihn umsorgen.“
Autor:Sandra Lobnig aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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