Gotteslob
Die Lieder sind eine Visitenkarte für Österreichs Kirche

Druckfrisch: Erzbischof Franz Lackner erhielt als Vorsitzender der Bischofskonferenz bereits ein Exemplar persönlich überreicht. | Foto: Markus A. Langer
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  • Druckfrisch: Erzbischof Franz Lackner erhielt als Vorsitzender der Bischofskonferenz bereits ein Exemplar persönlich überreicht.
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Der federführende Herausgeber des Liedkommentars für den österreichischen Eigenteil des „Gotteslobs“, Alexander Zerfaß, erklärt das Ziel des Buches und die Besonderheiten des Liedguts zwischen Boden- und Neusiedlersee.

Wie ist es zu diesem Buch gekommen?
Alexander Zerfaß:
Ich habe am Vorgängerprojekt, dem Kommentar zu den Liedern des Stammteils, der 2017 erschien, selbst mitgearbeitet. Insofern war mir die Herangehensweise vertraut und ich habe das Vorhaben, auch die Lieder des Österreichteils entsprechend zu dokumentieren, in die Liturgische Kommission für Österreich eingebracht. Parallel wird derzeit in den Diözesen Mainz und Passau an Diözesanteil-Kommentaren gearbeitet.

Welchem Zweck dient das Buch?
Der Hauptfokus liegt darauf, jene Menschen zu unterstützen, die Liturgie mitgestalten: Priester, Wortgottesdienstleiter/innen, Organist/innen, Chorleiter/innen und Sänger/innen, aber auch alle, die mitfeiern. Es geht also um ein größeres Bewusstsein für die Lieder, die wir singen, aber auch um Hilfestellung bei der Liedplangestaltung, für die Predigt und im Religionsunterricht. Darüber hinaus bilden die Lieder im Eigenteil ja einen Teil der kulturellen Identität der Ortskirche ab, sie sind ein Stück weit eine Visitenkarte für die Kirche in Österreich. Auch dieser Aspekt sollte herausgearbeitet werden.

Was ist zum Beispiel so typisch österreichisch am Eigenteil des „Gotteslobs“?
Eine typisch österreichische Tradition sind die Singmessen, die mit der Haydn- und der Schubertmesse ihre prominentesten Vertreterinnen haben. Stärker als in anderen Teilen des deutschen Sprachraums sind in Österreich zudem generell Lieder aus der Aufklärungszeit vertreten.

Alexander Zerfaß © Kay Müller
Alexander Zerfaß ist Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg.

Ist es nicht auch etwas Besonderes, dass mit „Der Heiland ist erstanden“ ein Lied in fünf verschiedenen Melodiefassungen enthalten ist?
Grundsätzlich ist es nicht so ungewöhnlich, dass ein Lied verschiedene Melodien hat. Besonders ist aber, wie die Fassungen von „Der Heiland ist erstanden“ in das Gotteslob kamen. Jede österreichische Diözese hatte bei der Erstellung des Eigenteils eine Anzahl von Liedern frei, die ohne weitere Diskussion in den gemeinsamen Österreichteil aufgenommen wurden. Die Diözesen haben daraufhin jeweils ihre Fassung von „Der Heiland ist erstanden“ eingereicht. Von daher hat sich die Frage, ob es eine Konsensfassung des Liedes geben könnte, nicht gestellt.

Sind die vielen Marienlieder im Eigenteil eine österreichische Besonderheit?
Das große Gewicht der marianischen Frömmigkeit fällt natürlich auf, aber das ist überhaupt typisch für den ganzen südlichen Teil des deutschen Sprachraums. In Österreich lassen sich aber viele der regional verbreiteten Marienlieder mit konkreten Wallfahrtsorten im Land verbinden.

Die Lieder im Gotteslob stammen aus mehreren Jahrhunderten. Bei manchen kann man einfach die lebenden Komponistinnen und Komponisten und Dichterinnen und Dichter nach ihren Intentionen fragen, bei anderen nicht. Wie ist Ihr Team vorgegangen?
Wenn die Schöpfer eines Liedes am Leben sind, haben wir sie zu den Umständen und Absichten hinter dem Lied befragt. Bei älteren Liedern haben wir oft Neuland in der Forschung betreten. Das liegt daran, dass im katholischen Bereich die Liederforschung nicht jene Tradition hat wie im evangelischen Bereich. Viele Lieder haben wir überhaupt das erste Mal in ihrer Entstehung und Entwicklung erforscht. Hier haben wir besonders von der Grundlagenarbeit unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Andrea Ackermann profitiert.

Welches Lied war besonders knifflig?
„Wir beten an, dich wahrer Mensch und Gott“ (GL 936) ist ein Lied aus der Aufklärungszeit mit einer komplizierten Geschichte. Auch „Wie schön glänzt die Sonn“ (GL 957) war nicht einfach zu erforschen.

Das vorige „Gotteslob“ war von 1975 bis 2013 im Einsatz. Die Diözesen haben ihm mit der Zeit Ergänzungsbändchen beigefügt. Welche Entwicklung erwarten Sie beim neuen „Gotteslob“?
Über die Zukunft von Einheitsgesangbüchern wird viel diskutiert. Manche Experten gehen davon aus, dass Liedsammlungen künftig stärker individuell in digitaler Form zusammengestellt werden. Ich bin da eher skeptisch: Allein der Verständigungsprozess auf ein solches Gesangbuch hat einen Wert, weil es um die Vergewisserung der eigenen Tradition geht. Daher denke ich, dass sich auch zukünftige Generationen dieser Aufgabe annehmen werden, wie das aktuell mit dem evangelischen Gesangbuch passiert.

Woher unsere Lieder kommen

„Die Lieder des Gotteslob. Österreich und Bozen-Brixen“ heißt der neue Kommentarband, zu dessen Mitherausgebern der in Linz lehrende Liturgiewissenschafter Ewald Volgger gehört. Alphabetisch werden die Lieder der Eigenteile von Österreich und Südtirol (ab Nummer 705 im Gotteslob, GL) theologisch und kulturhistorisch besprochen.

Interessant sind dabei nicht nur die jeweiligen Entstehungszusammenhänge, sondern auch Veränderungen. So heißt es im neuen „Gotteslob“ seit 2013 in der Haydn-Messe „Seelenbräutigam“ statt „Frucht vom Kreuzesstamm“ (GL 710,9). Wie man erfährt, ist „Seelenbräutigam“ die originale Fassung, zu der das neue „Gotteslob“ zurückgekehrt ist, nachdem der Begriff für das alte „Gotteslob“ ab 1975 als zu schwierig eingestuft worden war. Nachzulesen ist auch, wie aus „Ihr Kinderlein kommet“ das Erwachsenenlied „Ihr Christen, herkommet“ (GL 802) wurde. Zurecht wird die Frage aufgeworfen, warum die Bundeshymne im „Gotteslob“ steht (GL 977), da sie keinen liturgisch klaren Platz in einem Gottesdienst hat.

Schubert-Messe. Spannend ist es, zu erfahren, dass die beliebte Schubert-Messe (GL 711) wegen ihres Textes theologisch umstritten und auch nicht vollständig in den Eigenteil aufgenommen wurde. Hintergrund ist unter anderem, dass der Text in seiner Entstehungszeit zum gefühlsmäßigen Erspüren der Gläubigen gedacht war, weil sie nach damaliger Vorstellung beim „Lesen“ der Messe durch den Priester nur dabei waren. Das Zweite Vatikanische Konzil hat das geändert: Die Gemeinschaft feiert Eucharistie. Nur passen die Texte der Schubert-Messe jetzt wenig zum liturgischen Vollzug.

Spannend. Der vorliegende Band bietet auch jene Lieder, die nur im Eigenteil von Bozen-Brixen vorhanden sind. Das Buch ist wissenschaftlich recherchiert, sehr praktisch, aber mitunter auch unterhaltsam: Etwas makaber mutet es zum Beispiel an, dass in Österreich „Näher mein Gott zu dir“ (GL 910) erst nach dem Untergang der Titanic populär wurde, weil die Bordkapelle das Lied vor dem Versinken gespielt haben soll. Lustig ist, dass der Roman „Liebe ist nur ein Wort“ von Johannes Mario Simmel den Ausschlag für das Lied „Liebe ist nicht nur ein Wort“ (GL 854) gab.

Autor:

Heinz Niederleitner aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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