Die Kraft des Gebetes
Das Bittgebet
Darf man Gott um alles bitten? Warum werden nicht alle Bitten erhört? Pater Nikodemus Peschl csj gibt Antworten. Und Melanie Lutterotti erzählt, warum das Bittgebet für sie so wichtig ist.
Mit einem Anliegen im Herzen an einen Wallfahrtsort pilgern. Beten für die bevorstehende Prüfung oder um Heilung für die krebskranke Schwester. An Feiertagen sind viele mit ihren Bitten unterwegs, nach Mariazell, Maria Loretto oder zum Marienaltar in ihrer Kirche. Weil sie sich von der Muttergottes Fürsprache und von Gott Hilfe erhoffen. Gott zu bitten, dass er Schlechtes ins Gute wendet, die Dinge lenkt und in unser Leben eingreift – das ist zutiefst biblisch und uralte Tradition.
Das Bittgebet ist quasi die Urform des Gebets. „Beten heißt bitten“, sagt Pater Nikodemus Peschl, Priester der St. Johannesgemeinschaft im niederösterreichischen Marchegg. „Man meint, die höchste Form des Betens ist die Kontemplation, das Eins-Sein mit Gott. Aber Jesus gibt uns zunächst einmal das Bittgebet.“ Immer wieder fordert Jesus seine Jünger auf, zu bitten. Auch das ‚Vater Unser‘, das er sie lehrt, besteht aus sieben Bitten. Pater Nikodemus betont: „Jesus gibt den Imperativ, er sagt: Bittet!“
Gott selbst will also, dass wir ihn bitten. Warum? „Damit wir die Erfahrung machen, dass wir uns ihm anvertrauen können.“ Im Bitten erlebt sich der Mensch als Geschöpf, das der Erlösung bedarf und von Gott abhängig ist.
Mit allem zum Herrn kommen
Im Leben von Melanie Lutterotti spielt das Bittgebet eine große Rolle. „Ich komme wirklich mit allem zum Herrn, auch mit dem ganz Banalen“, sagt die 41-jährige Wienerin. Melanie bittet Gott um Hilfe, wenn ein schwieriges Gespräch ansteht, oder wenn eines ihrer Kinder vor einer schweren Prüfung in der Schule steht.
Sie bringt ihm auch materielle Anliegen. Als der neu gekaufte Gebrauchtwagen im vergangenen Jahr über Monate hinweg Schwierigkeiten und teure Reparaturen notwendig macht und es noch dazu Probleme mit dem Autoverkäufer gibt, bittet sie Gott um sein Eingreifen. Und er hilft, wie sie sagt. Es findet sich eine Einigung mit dem Verkäufer, die Familie wird das kaputte Auto wieder los und findet ein Auto, das ihren Bedürfnissen entspricht. „Die Autogeschichte hat mir gezeigt, dass sich alles gut löst“, sagt Melanie. Ihre Bitten formuliert sie oft spontan, „wann immer etwas im Herzen aufsteigt und sooft ich daran denke“. Oder sie legt sie bei der Gabenbereitung der Heiligen Messe mit auf den Altar.
Masterplan Gottes
Doch Melanie macht auch die Erfahrung, dass Gebete nicht so erhört werden, wie sie es sich wünscht. „In einem Akt des Vertrauens versuche ich auch dazu mein Ja zu sprechen. Wenn Gott es nicht so will, dann ist es so. Er weiß es besser als ich, er hat den Masterplan.“ Ohnehin ist das Bittgebet für Melanie ein Weg, um Gottes Willen immer besser zu erkennen. „Ich will das erbitten, was der Herr mir schenken will. Er legt mir konkrete Anliegen ins Herz.“ So sieht das auch Pater Nikodemus Peschl: „Es geht darum, Schritt für Schritt alles im Licht Gottes zu entdecken. Und das ist eigentlich nicht widersprüchlich zu meinem Willen.“
Letztlich bleibe es aber ein Mysterium, warum Gott das kranke Kind nicht heilt oder der Partner fürs Leben nicht gefunden wird – obwohl Menschen inständig darum bitten. Fest stehe, so Pater Nikodemus: „Gott will das Gute geben, und er verwendet mein Gebet.“
Wesentlich sei, dass sich beim Bitten die Perspektive ändert: „Sobald ich zu bitten beginne, sage ich, dass Gott es ist, der alles trägt.“ Bereits im Formulieren der Bitte kann demnach der Betende davon ausgehen, dass Gott ihn erhört. „Bitten heißt erhört werden“, sagt Pater Nikodemus. „Es ist ein Glaubensakt. Gott stellt eine Verbindung her zwischen unseren Bitten und seinem Wirken. Aber wie diese genau aussieht, wissen wir nicht.“
Regelmäßig stellt sich Melanie die Frage, ob und wie Gott ihre Bitten erhört hat. „Wenn ich merke, dass sich etwas tut bei den Dingen, die mir sehr am Herzen liegen, kommt eine große Dankbarkeit.“ Und wenn die Bitten nicht so erhört werden wie erhofft, nimmt sie dennoch einen innerlichen Frieden wahr, sagt sie: „Wenn ich etwas an Gott abgebe, dann drückt es nicht mehr, auch wenn es anders erfüllt ist.“
Autor:Sandra Lobnig aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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