Zur Sonntagsöffnung am 19. Dezember
Noch einmal ein „Goldener“ Sonntag
Geschäfte abseits des täglichen Bedarfs, die vom Lockdown betroffen waren, dürfen ausnahmsweise am vierten Adventsonntag öffnen. Historisch gesehen ist das nichts Neues: Denn von 1893 bis 1960 – mit Unterbrechungen – war in Wien eine Ladenöffnung am Sonntag vor Weihnachten, auch als „Goldener“ Sonntag bezeichnet, möglich. Eine katholische Initiative mit Beteiligung des Wiener Kirchenblattes hat dazu beigetragen, dass vor 60 Jahren dieser Ausnahmeregelung der Ladenschlusszeiten von der Politik ein Ende gesetzt wurde.
Die österreichischen Sozialpartner haben sich in diesem Jahr auf eine Sonntagsöffnung am 19. Dezember geeinigt. „Mit dieser Sonderlösung könnte es gelingen, den wirtschaftlichen Schaden für den österreichischen Handel einzugrenzen“, hofft Rainer Trefelik, Bundesspartenobmann „Handel“ der Wirtschaftskammer Österreich. Ein Türöffner für die generelle Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten soll laut Gewerkschaft der Ausnahmesonntag nicht werden. „Klar ist für uns, dass wir weiterhin eine generelle Öffnung des Handels am Sonntag strikt ablehnen“, sagt Martin Müllauer, Vorsitzender des Wirtschaftsbereiches Handel in der Gewerkschaft GPA.
Gegen eine Sonntagsöffnung im Advent spricht sich der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl aus. Dieser Wunsch sei aus wirtschaftlicher Sicht verständlich. „Doch unser Leben ist wesentlich mehr als ‚ich konsumiere, also bin ich‘“, gibt der in der Bischofskonferenz für die „Allianz für den freien Sonntag“ verantwortliche Bischof zu bedenken. Er ermuntert dazu, sich am vierten Adventsonntag auf die eigentliche Bedeutung von Weihnachten zu besinnen: „Wir feiern die Geburt Jesu. Gott gibt uns Licht und Hoffnung für unser Leben, gerade in schwierigen Zeiten wie diesen.“
Einkauf am Sonntag nicht nötig
„Durch einen ‚Goldenen‘ Sonntag am vierten Advent soll offenbar das Weihnachtsgeschäft auf dem Rücken der Handelsangestellten gerettet werden“, sagt Philipp Kuhlmann, Sprecher der Sonntags-Allianz, eines Bündnisses von kirchlichen und gewerkschaftlichen Organisationen. Er bekundet zwar Verständnis für die Probleme der Unternehmen durch den Lockdown. „Ob ein Tag daran etwas ändern kann, ist aber fraglich.“ Der Einkauf am Sonntag sei nicht notwendig, sagt Kuhlmann und verweist auf das von Kunden gut angenommene „Click & Collect“-System, also Online-Bestellung und danach Abholung in einem stationären Einzelhandelsgeschäft.
Nichts Neues in Wien
Dass Geschäfte am Sonntag vor Weihnachten öffnen, ist keinesfalls eine neue Idee. Schon ab Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der „Goldene“ Sonntag zu einer jahrzehntelangen Institution im Geschäftsleben der Stadt Wien. Anfang Dezember 1893 wurde die Verordnung über die Sonntagsruhe für den Sonntag vor Weihnachten außer Kraft gesetzt. Dem Handel war es somit gestattet, bis 7 Uhr abends Geschäfte zu machen. Später kam der „Silberne“ Sonntag, der dritte Adventsonntag als verkaufsoffener Sonntag, dazu. Nach wirtschaftlichen Einbrüchen während der großen Kriege des 20. Jahrhunderts sowie in der Wirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit belebte nach 1945 der Wirtschaftsaufschwung den „Goldenen“ Sonntag rasch wieder und war ganz selbstverständlich im Weihnachtsgeschäft. Das sollte sich jedoch ändern.
Es begann mit 13 Buchhändlern
Im Advent 1960 stellte das „Wiener Kirchenblatt“ als Vorgänger des heutigen „SONNTAG“ die dringliche Frage nach der weiteren Berechtigung des „Goldenen“ und „Silbernen“ Sonntags. Die Redaktion fand, dass ein weiteres Offenhalten an den beiden Adventsonntagen nicht mehr gerechtfertigt sei. Der ursprüngliche Grund sei durch die Verkürzung der Arbeitszeit auf fünf Tage weggefallen. Ein weiteres Argument: Die Umsätze waren in den beiden Vorjahren entgegen den Erwartungen der Geschäftsleute nicht gestiegen. In zahlreichen Zuschriften erklärten sich viele Leser mit der Forderung solidarisch. Die Katholische Aktion und andere katholische Verbände riefen zur Beseitigung dieser beiden vorweihnachtlichen Einkaufssonntage auf. Aufgrund einer Initiative des Wiener Dom-Verlages entschlossen sich dreizehn katholische Buchhändler in der Bundeshauptstadt Wien von sich aus, ihre Geschäftsläden am „Goldenen“ und „Silbernen“ Sonntag zu schließen. Andere Firmen taten spontan mit.
Im Herbst 1961 setzten erneut hitzige Diskussionen um die Einkaufssonntage ein. Die Gewerkschaft der Wiener Handelsangestellten war fürs Zusperren, in der Wiener Handelskammer war man geteilter Meinung. Ende November 1961 hat Franz Jonas als Landeshauptmann von Wien per Verordnung eine Entscheidung getroffen. „In Hinkunft bleibt an den genannten Sonntagen geschlossen, dafür wird an den Samstagen der Adventzeit die Einkaufszeit bis 18 Uhr verlängert“, ist im Wiener Kirchenblatt zu lesen. „Wie der erste Samstag schon bewiesen hat, kommen die Geschäftsleute voll auf ihre Rechnung.“
Autor:Markus Albert Langer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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