Corona-Krise und ihre Bewältigung
Muttertag ist trotzdem
Hunderte Frauen suchen jede Woche bei der St. Elisabeth-Stiftung Hilfe für sich und ihre Kinder. 1.500 sind es im Laufe eines Jahres. Das ändert sich natürlich auch in Zeiten von Corona nicht. Und doch ist jetzt alles ganz anders.
Nicole Meissner, Geschäftsführerin der St. Elisabethstiftung, über Hilfe, die wirkt, Nähe, die auch kontaktlos funktionieren kann und die Gewissheit, dass Engagement für Schwangere, Mütter und Kinder in Not unabhängig von Corona notwendig ist und bleibt.
Wir fahren alles langsam wieder hoch!“ Nicole Meissner, Geschäftsführerin der St. Elisabeth-Stiftung, klingt erleichtert als wir sie in den letzten Apriltagen am Telefon erreichen. In den vergangenen Wochen haben sie und ihre Mitarbeiterinnen besonders viel gearbeitet und dabei auch besondere Kreativität beweisen müssen.
Unter dem Motto „Mama, du schaffst das!“ unterstützt die St. Elisabeth-Stiftung der Erzdiözese Wien schwangere Frauen, wohnungslose alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern und Familien in schwierigen Lebenssituationen.
Das Angebot der Stiftung umfasst unter anderem eine Familien- Rechts- und Schwangerenberatung, Mutter-Kind-Häuser, Startwohnungen, Wohnprojekte wie Collegialität oder Elisabeth sowie die Webstube und Kreativwerkstatt. „Prinzipiell funktioniert Arbeit wie die unsere natürlich über persönliche Kontakte – die Frauen kommen zu uns, wir beraten sie, wir geben ihnen etwas mit aus unserem Sachspendenlager, betreuen sie in unseren Mutter-Kind-Häusern.“
Mit dem Shutdown war das alles plötzlich ganz anders – und blieb doch gleich. „Am 16. März haben auch wir unsere Türen geschlossen, schließen müssen“, sagt Nicole Meissner. „Dass wir aber gleichzeitig unsere Arbeit nicht einfach auf unabsehbare Zeit aussetzen können, war klar.“
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der St. Elisabeth-Stiftung standen also vor der Frage: wie können sie ihre Arbeit möglichst effizient weiterführen, wie kommen sie weiterhin an ihre Klientinnen heran? „Unsere Frauen standen durch Corona unter einem ganz besonderen Druck“, sagt Nicole Meissner: „Viele haben ihre Jobs verloren – die sie sich zum Teil hart erarbeitet und erkämpft haben. Sie haben Existenzängste in einem Ausmaß, das man sich kaum vorstellen kann.
Bei vielen ging es ganz schnell wirklich darum, ob sie für ihre Kinder und für sich selbst etwas zu essen kaufen können oder nicht.“ Von Seiten der St. Elisabeth-Stiftung wurden deshalb in einem allerersten Schritt Lebensmittelgutscheine per Post an jene Frauen verschickt, von denen man wusste, dass nur so deren unmittelbares Überleben gesichert werden kann.
Kontakt auf Distanz
„Gleichzeitig haben wir uns überlegt, was wir noch für unsere Frauen und Kinder tun können“, sagt Nicole Meissner: „Und Ideen hatten wir da Gott sei Dank genug.“ Mein Team ist einfach unfassbar großartig!“ Zunächst einmal wurde die Beratungstätigkeit der Stiftung komplett auf das Telefon umgestellt. „Unsere Mitarbeiterinnen haben da wirklich große Flexibilität bewiesen“, so Meissner: „Sie haben schon in den ersten Tagen hunderte Gespräche – auch als Videotelefonate – geführt. Dazu kamen Chats mit den Klientinnen, ein reger Mailverkehr mit jenen, mit denen das möglich war.“
Auch hunderte Nachrichten wurden von den SozialarbeiterInnen in den Wohnbereichen per Handy an die betroffenen Frauen verschickt. „Das waren hauptsächlich Informationen zur momentanen Situation, zu unseren Beratungsangeboten und vieles mehr. Das hat alles wirklich extrem gut funktioniert. Und es war auch extrem wichtig. Sie müssen sich vorstellen: Unsere Klientinnen sind zum Teil Frauen, die schlecht Deutsch sprechen, die die Information, die über die österreichischen Medien in den ersten Tagen verbreitet wurden, einfach nicht verstanden haben. Wir haben daher versucht, die wichtigsten Dinge zu vereinfachen, speziell aufzubereiten, damit die Frauen verstehen, was sie nicht dürfen, worauf sie achten müssen.“
Ganz grundlegende Fragen wie „Was ist eine Pandemie?“ wurden dabei genauso geklärt wie „Was bedeutet das für die Frauen und ihre Kinder?“ „Wie wäscht man sich richtig die Hände?“ „Mit ganz vielen kleinen, gut aufbereiteten Informationen konnten wir so den Ängsten begegnen, die natürlich da waren. Ich bin sehr froh, dass uns das alles so gelungen ist“, sagt Nicole Meissner.
Hysterie sei bei ihren Klientinnen nie wirklich aufgekommen. „Wir konnten ihnen offensichtlich die ganze Zeit über vermitteln, dass für sie jemand da ist, dem sie nicht egal sind. Dass für sie jemand da ist, der bereit ist zu helfen, wo es notwendig ist und sie nicht im Stich lässt.“
Alltag neu
Aber nicht nur Informationen bekamen die Frauen, auch Tipps, wie sie ihre Kinder beschäftigen können. „Unser sozialpädagogisches Team hat Videos für Kinder gemacht und ein Sportprogramm für Frauen“, sagt Nicole Meissner. Für die Feiertage zu Ostern etwa wurde von der Stiftung extra Beschäftigungsmaterial für Kinder zur Verfügung gestellt. „Für die Kinder war und ist das alles ja ganz besonders schwer: Nicht mit anderen Kindern spielen zu können oder nur auf Distanz. Immer zu Hause – teilweise auf extrem beengtem Raum – sein zu müssen, auch wenn das Wetter schön ist. Das alles ist kleinen Kindern kaum zu erklären.“
Und nicht zuletzt halfen und helfen die Mitarbeiterinnen der St. Elisabeth-Stiftung bei den – scheinbar – kleinen Problemen, die der Alltag in Zeiten von Corona mit sich bringt. „Als etwa die Maskenpflicht beschlossen wurde, haben uns teils wirklich skurrile Fotos erreicht – von Kindern, denen die Masken, die verteilt wurden über das ganze Gesicht gingen“, erzählt Nicole Meissner.
Die zur St. Elisabeth-Stiftung gehörende Webstube und Kreativwerkstatt habe daraufhin sofort begonnen Masken zu nähen, die auch Kindern passen. Sogar ein weiteres Arbeitsintegrationsprojekt ist dadurch entstanden und gibt Frauen in den Wohneinrichtungen eine neue Perspektive in Zeiten von Corona.
70 Prozent weniger Spenden
Derzeit sei es nun so, dass sich auch die St. Elisabeth-Stiftung einen ganz kleinen Teil Normalität zurückhole. Aber es wird auch hier lange dauern, bis wirklich alles wieder normal ist. „Das beginnt bei uns mit den grundlegensten Dingen, etwa mit der Finanzierung“, sagt Nicole Meissner: „Wir finanzieren uns zu einem großen Teil über Spenden. Die sind aber in den vergangenen Wochen um 70 Prozent zurückgegangen.“
Einen großen Teil der Spenden mache auch die sogenannte Muttertagssammlung in den Pfarren am Muttertag aus – die kann in diesem Jahr in der gewohnten Form aber nicht stattfinden. „Mir ist es deshalb wohl ein besonderes Anliegen auch heuer zu sagen: Muttertag ist trotzdem. Schwangere Frauen und Mütter in Not brauchen uns auch heuer“, so Nicole Meissner: „Und wir freuen uns über jeden Cent, der als Spende eingeht.“
Von Sachspenden bittet Nicole Meissner derzeit Abstand zu nehmen. „An sich ist es großartig, wenn wir unsere Frauen nicht nur mit finanzieller Hilfe unter die Arme greifen können – wenn wir etwa Kinderwägen hergeben können, Babykleidung, Lebensmittelspenden. In der derzeitigen Situation bitten wir alle unsere Unterstützer allerdings mit den Sachspenden zu warten. Wir können die Sachspenden derzeit einfach nicht sicher entgegennehmen und auch nicht sicher an unsere Klientinnen verteilen.“
Die Probleme bleiben
Wenn sie sich für die kommenden Wochen etwas wünschen könnte, dann wäre es, dass die Randgruppe, um die sich die St. Elisabeth-Stiftung kümmert, bei all den Maßnahmen, die gesetzt werden, stärker in den Fokus kommt. „Die Probleme unserer Klientinnen bleiben – egal ob in Corona Zeiten oder im normalen Alltag, so Meissner. „Sie werden sogar komplexer. Und das Bewusstsein, dass Schwangeren und Müttern mit ihren Babys und Kindern in Not in einem Land wie Österreich geholfen werden muss, darf uns trotz aller Krisen nicht verloren gehen“, fügt sie abschließend hinzu.
Corona-Hilfspakete zu Muttertag
Spendenkonto:
IBAN: AT30 1919 0000 0016 6801
Spenden an die St. Elisabeth-Stiftung der Erzdiözese Wien sind steuerlich absetzbar! (Registrierungs-Nr. SO 1583)
Autor:Andrea Harringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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