Zum Welt-Alzheimertag am 21. September
Lebensfreude trotz Demenz
Mit Demenz zu leben bedeutet mehr als „einfach nur“ vergesslicher zu werden. Betroffene – und auch ihre Angehörigen – empfinden Demenz auch als soziale Beeinträchtigung, fühlen sich von vielen in der Gesellschaft abgelehnt und ausgeschlossen. Dabei täte gerade ein Miteinander in den meisten Fällen so gut.
Sie sprechen davon „blöd zu werden“. Sie verharmlosen ihre – manchmal auch schon fortgeschrittene – Vergesslichkeit, versuchen ihr im Gespräch mit anderen mit einer gehörigen Portion Sarkasmus zu begegnen. Das Wort „Demenz“ nehmen sie selten in den Mund. „Menschen, die mit Demenz leben, lehnen den Begriff ab“, sagt Raphael Schönborn, der seit vielen Jahren psychosoziale Betreuung und Beratung von Menschen mit Demenz und pflegenden Angehörigen in Einzelgesprächen, aber auch in Selbsthilfegruppen anbietet. Im Grunde sei das mehr als verständlich – immerhin sei Demenz eine Beeinträchtigung des Gehirns. „Solche Erkrankungen haben ein schlechtes Leumund“, sagt Raphael Schönborn. Das hänge mit vielen Faktoren zusammen – etwa mit dem in unserer Gesellschaft vorherrschenden Jugendwahn, der dem Alter keinen Platz lasse. Aber auch das Leistungsdenken in unserer Gesellschaft und die damit einhergehende Verknüpfung von Leistung und Wert eines Menschen, trage dazu bei.
Keine leichte Situation
Dabei müsse man das Thema Demenz viel differenzierter sehen, ist Raphael Schönborn überzeugt: „Manche Betroffene bauen tatsächlich sehr schnell ab und das ist dann natürlich für alle Beteiligten sehr schwer.“ Aber es gebe da auch Unterschiede, unterschiedliche Verläufe: „Das Stereotyp der dementen Person, die nichts mehr kann, nichts mehr will, unzugänglich ist, aggressiv und unverträglich – das stimmt so einfach nicht.“
Menschen mit Demenz verändern sich im Laufe der Erkrankung, sagt dazu auch Beatrix Auer, Leiterin der Seniorenpastoral der Erzdiözese Wien: „Aber ich bin davon überzeugt, dass wir alles daran setzen müssen, nicht nur die Demenz zu sehen, sondern den Menschen mit seiner Geschichte“, sagt Beatrix Auer. „Begegnen wir Menschen mit Demenz auf Augenhöhe“, betont Raphael Schönborn: „Ich denke, wir brauchen da einen Kulturwandel. Die Betroffenen müssen im Zentrum stehen. Die Gesellschaft muss umdenken und die Politik die Rahmenbedingungen schaffen – etwa damit Menschen mit Demenz so lange wie möglich zu Hause bleiben können.“ Zudem sei die Frage im Zusammenhang mit Demenz auch immer wieder: Was brauchen Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen und Freunden? „Die Erfahrung zeigt, dass Selbsthilfegruppen Betroffenen und Angehörigen sehr gut tun“, sagt Raphael Schönborn: „Die Menschen kommen ganz geknickt in unsere Gruppen und dann hören sie, wie es anderen geht und das richtet sie wieder auf. Oder anders gesagt: Die Betroffenen bekommen wieder eine Perspektive.“
Demenzfreundliche Angebote
Auch in vielen Pfarren der Erzdiözese Wien gebe es Angebote, die speziell auf Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen eingehen, sagt Beatrix Auer. Demenzfreundliche Gottesdienste gehören da etwa dazu. „Es ist wichtig, dass es einen Ort gibt, wo auch alle von Demenz Betroffenen und ihre Angehörigen sein dürfen, wie sie sind. Die Kirche, die Pfarre kann so ein Ort sein.“ All jene Pfarren, die sich diesem Thema neu widmen wollen, können sich direkt mit der Seniorenpastoral in Verbindung zu setzen. „Wir können fundierte Informationen weitergeben, Vortragende vermitteln, bieten Kurse an.“
In die Vorbeugung investieren
Generell würde sich Beatrix Auer wünschen, dass gerade auch beim Thema Demenz mehr in die Vorbeugung investiert würde: „Ich denke dabei an Bewegungstraining auf Krankenschein. Oder Gedächtnis- und Alltagtraining auf Krankenschein – etwas wie das Programm LIMA, das Gedächtnistraining und Bewegungstraining miteinander kombiniert und das auch in Pfarren angeboten wird. Und auch wenn ich die Demenz damit nicht verhindern kann, kann ich sie im besten Fall vielleicht ein wenig hinauszögern.“ Ganz wichtig in diesem Zusammenhang: „Wenn sie das Gefühl haben, dass Sie von Demenz betroffen sein könnten, holen Sie bitte ärztlichen Rat ein“, sagt Beatrix Auer: „Eine klare Diagnose hilft weiter richtig vorzugehen.“
Programm LIMA - Lebensqualität im Alter
Telefon: 01/51 552-3604
lima@bildungswerk.at
oder bildungswerk.at
Seniorenpastoral der Erzdiözese Wien
Telefon: 01/ 515 52 – 3335
seniorenpastoral@edw.or.at
und seniorenpastoral.at
Verein Promenz, Initiative von und für Menschen mit Vergesslichkeit und leichter leben mit Demenz
Telefon: 0664/ 525 33 00,
info@promenz.at und promenz.at
Autor:Andrea Harringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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