Social Egg Freezing
Fruchtbarkeit auf Eis gelegt
Die Pandemie treibt teils seltsame Blüten: Jetzt haben Reproduktionsmediziner und Kinderwunschkliniken das Thema „Social Distancing“ entdeckt. Gemeint ist damit das Einfrieren von Eizellen für später – für all jene, die derzeit keinen Partner finden und für die die Familiengründung deshalb derzeit nicht möglich ist.
„Ich hoffe, dass junge Frauen sich gut informieren, denn so einfach funktionieren das Einfrieren und Verwenden der Eizellen nicht“, betont Martina Kronthaler, Generalsekretärin der aktion leben im Gespräch mit dem SONNTAG.
Zugegeben: Ganz neu ist das Thema nicht. Social Egg Freezing, also das Einfrieren von Eizellen als Methode, die Familiengründung ohne medizinischen Grund auf ein späteres Lebensalter zu verschieben, gibt es bereits seit 2008. 2014 machten Konzerne wie Facebook und Google damit Schlagzeilen, ihren Mitarbeiterinnen die Methode sogar finanzieren zu wollen.
In Österreich ist das Egg Freezing nur in streng geregelten Ausnahmefällen möglich – und das aus gutem Grund, wie Martina Kronthaler, Generalsekretärin von aktion leben betont: „Egg Freezing ist in Österreich nur dann möglich, wenn eine medizinische Notwendigkeit besteht, wenn sich Frauen etwa aufgrund einer Krebserkrankung einer Strahlen- oder Chemotherapie unterziehen müssen.
Dann kann es einen Versuch wert sein, weil die Eizellen durch die Therapie geschädigt werden. Die verstärkte Bewerbung dieser Methode, die wir in den vergangenen Monaten der Pandemie beobachten konnten, halten wir hingegen für äußerst bedenklich.“
Kinderwunschkliniken würden dabei auf all jene Frauen abzielen, die sich Sorgen machen, aufgrund der zahlreichen Lockdowns keinen Partner zu finden und damit auch ihren Kinderwunsch begraben zu müssen. Das Social Egg Freezing sei allerdings nicht die Lösung für dieses Problem. „Junge Eizellen sind ein begehrtes Gut in der Fortpflanzungsmedizin.
Ich wäre als junge Frau zumindest skeptisch. Denn alle Erfahrungen zeigen, dass die Eizellen kaum verwendet werden und noch seltener Kinder nach Sozial Egg Freezing geboren werden. Es geht ganz sicher ums Geschäft und vielleicht auch darum, Eizellen zu gewinnen. Denn einen lukrativen Markt dafür gäbe es, auch wenn es derzeit in Österreich nicht erlaubt ist, Eizellen zu handeln“, sagt Martina Kronthaler.
Was passiert eigentlich beim Social Egg Freezing?
„Grundsätzlich werden beim Egg Freezing Eizellen entnommen und in flüssigem Stickstoff tiefgefroren, um sie zu einem späteren Zeitpunkt für eine In-vitro-Fertilisation zu verwenden“, so Martina Kronthaler.
Eine Eizellentnahme ist kein Spaziergang
Wesentlich sind beim Egg Freezing die Anzahl und die Qualität der verfügbaren Eizellen, beides ist bei jungen Frauen zwischen 20 und 25 Jahren am besten gegeben. Da man für die Methode viele Eizellen benötigt – gesprochen wird meist von 20 bis 30 –, so viele Eizellen gleichzeitig aber auch bei jungen Frauen auf natürlichem Weg nicht reifen, müssen sie eine Hormonstimulation in Kauf nehmen, die sowohl körperlich wie auch seelisch sehr belastend sein kann. „Eine Eizellentnahme ist kein Spaziergang und sogar mit ernsthaften Risiken verbunden“, sagt Martina Kronthaler: „ Deshalb gibt es ja auch so selten freiwillige Spenderinnen. Eizellen sind kostbar wegen der schwierigen Gewinnung.“
Wenig Aussicht auf Erfolg
„Die meisten tiefgefrorenen Eizellen, mehr als 90 Prozent, werden aber ohnehin nie verwendet, da Frauen ihre Lebenspläne ändern und deshalb gar nicht auf die Eizellreserve zurückgreifen“, betont Martina Kronthaler. „Von den verwendeten tiefgefrorenen Eizellen führt nur ein Drittel zu einer Schwangerschaft. Einem hohen Aufwand steht also ein geringer Nutzen entgegen“.
Der Erfolg einer künstlichen Befruchtung nach Egg Freezing hänge aber nicht nur von der Anzahl und der Qualität der Eizellen ab, sondern auch von anderen Faktoren wie dem Alter der Frauen bei der Schwangerschaft selbst. „Mit fortschreitendem Alter treten vermehrt Komplikationen auf, die für Mutter und Kind gefährlich sein können“, sagt Martina Kronthaler. Das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes, Bluthochdruck und Thrombosen steige ebenso wie jenes für Fruchtwasserembolien und Nierenversagen. Dazu komme, dass auch das Verfahren der In-Vitro-Fertilisation selbst ein Risiko sei. „Darüber sollte sorgfältig informiert werden“, wünscht sich Martina Kronthaler.
Unterm Strich bedeute Social Egg Freezing nicht nur einen enormen Aufwand mit erheblichen Kosten für Eizellentnahme und Lagerung“, sagt Martina Kronthaler „sondern auch erhebliche gesundheitliche Risiken für Frauen und Kinder. Die Gewinner sind die Anbieter, die ein gutes Geschäft machen.“
Sich Kinder gar nicht mehr zutrauen
Generell kritisch sieht Martina Kronthaler den Umgang unserer Gesellschaft mit dem Thema Fruchtbarkeit. Viel zu selten, so Martina Kronthaler, sprechen wir von den schönen und freudvollen Seiten des Lebens mit Kindern. Kinder zu bekommen und Kinder zu haben, werde viel zu oft als Problem thematisiert. „Junge Frauen sollen alles tun, um nicht schwanger zu werden.
Es mangelt an leistbarem Wohnraum, an Ausbildungsmöglichkeiten, die mit einem Baby zu schaffen sind, an dem Verständnis und an Hilfe für Frauen, die in nicht gesicherten Verhältnissen schwanger werden.“ Viele Frauen würden sich Kinder gar nicht mehr zutrauen und verschieben den Kinderwunsch auf später.
„Wir wissen aber auch, dass Unsicherheiten in Partnerschaften eine große Rolle spielen. Sind Männer unterstützend, dann sind Frauen viel zuversichtlicher, dass es ihr Leben bereichert, Kinder zu haben“, so Martina Kronthaler: „Wir wünschen uns noch mehr Bewusstseinsbildung, wie wichtig auch die Väter sind und was sie brauchen. Auch die Ängste der Männer müssen ernst genommen werden.
Betriebe müssen unterstützt werden, elternfreundlich zu agieren. Es muss unterstützt werden, dass Väter in Karenz gehen oder ihre Kinder pünktlich von Kindergarten und Schule abholen können.
Wir müssen Druck aus dem System Familie nehmen, berufliche Entwicklungen langfristig betrachten und nicht unhinterfragt voraussetzen, dass zuerst die Karriere vorangetrieben werden muss und dann erst die Familiengründung ansteht.
Junge Paare müssen wieder gerne Eltern sein wollen. Da sind wir als Gesellschaft und die Politik gefragt.“
Autor:Andrea Harringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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