Katholische Arbeitnehmerbewegung
Der „westliche“ Lebensstil muss hinterfragt werden
Die anhaltende Corona-Krise hat zu starken Verwerfungen in der Arbeits- und Wirtschaftswelt geführt. Philipp Kuhlmann, Diözesanobmann der Katholischen Arbeitnehmer/innen Bewegung (KAB), über die sozialen Lehren aus dieser Krise.
Wenn die Gesellschaft gut mit der Corona-Krise umgeht, kann das zu mehr Solidarität und zu einem nachhaltigeren Wirtschaften führen. Covid-19 führte zu einer Vollbremsung, die keiner geplant hat. Um die wirtschaftlichen wie sozialen Folgen der Krise abzufedern, braucht es eine starke internationale Solidarität. Philipp Kuhlmann, Diözesanobmann der KAB, erläutert gegenüber dem SONNTAG seine Hoffnung in diesen Wochen.
- Was sind die gesellschaftspolitischen Lehren aus der Corona-Krise?
Philipp Kuhlmann: In Krisenzeiten beginnt der Mythos vom schlanken Staat wieder zu bröckeln. Egal, ob es um eine funktionierende Daseinsvorsorge (dazu läuft gerade eine Kampagne der Gewerkschaft younion) oder Hilfsprogramme für Menschen und Betriebe geht – es braucht einen leistungsfähigen Staat und es gibt Grenzen für Einsparungen – sowohl bei Waren aus anderen Kontinenten (beispielsweise Schutzmasken) als auch Arbeitskräften aus Nachbarländern (beispielsweise Pflegekräfte). Abgesehen von der Abhängigkeit ist Geiz eben nicht geil, sondern eine Wurzelsünde, die sich tödlich auswirken kann.
- Welche Themen müssen jetzt verstärkt in den Mittelpunkt rücken?
Philipp Kuhlmann: Covid-19 hat über weite Strecken bekannte Probleme wie unter einem Brennglas verstärkt erkennbar gemacht: Dass vor allem Frauen eine Doppelbelastung von Arbeit und Betreuung haben, wird beim Ausfall der Unterstützung (Pflege, Schule, etc.) verschärft. Die internationalen Abhängigkeiten und deren Risken sowie die Gefahren durch populistische und totalitäre Regierungen haben sich klar gezeigt. Die Produktion (lebens-)wichtiger Produkte in ferne Länder zu verlagern und Lagerbestände auf ein Minimum zu reduzieren, macht verwundbar und ist auch ökologisch fragwürdig. Der „westliche“ Lebensstil mit seinen weltweiten Menschen- und Warenströmen muss grundsätzlich hinterfragt werden. Faire Preise und faire Regeln für Welthandel müssen ein gutes Leben für alle ermöglichen.
- Haben diese Themen überhaupt noch den Stellenwert, den sie verdienen? Welche Hoffnung verbinden Sie mit diesen Themen. Wie können sie umgesetzt werden?
Philipp Kuhlmann: Die Katholische Soziallehre hat Grundwerte wie Solidarität, Nachhaltigkeit oder das Gemeinwohl – gerade diese sind im Moment erforderlich: nicht Nationalismus und Einzelgängertum, sondern mehr internationale Zusammenarbeit. Gerechtere Verteilung von Arbeit und Einkommen zwischen Geschlechtern und gesellschaftlichen Gruppen und gerechte Beteiligung aller an den Kosten der Krisen. Die Diskussionen laufen – es liegt an uns, die Umsetzung durch eigenes Handeln und politische Einflussnahme zu bewirken.
Autor:Stefan Kronthaler aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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