Stille Schönheiten des Friedhofs
In der zauberhaften Welt der Engel

Foto: Gerd W. Götzenbrucker
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Ein Herbst-Spaziergang auf Wiener Friedhöfen führt die Schönheit vergangener Epochen vor Augen: Wo Friedhofskunst einst hochgehalten wurde, wachen noch heute wunderschöne Engelsskulpturen, gekleidet in eine geheimnisvolle Patina durch Wind und Wetter.

Der Wiener Fotograf Gerd W. Götzenbrucker hat die Flügelwesen fotografisch festgehalten und erklärt, warum uns die Himmelsboten so faszinieren.

Wenn sie reden könnten – was würden sie uns erzählen? Ob im Morgengrauen, bei Mittagssonne oder beim Einbruch der Dunkelheit, bei Regen und Schneegestöber, wenn Frühlingsblumen Gräber schmücken oder die Sommerhitze über den Grabsteinen brütet. Sie sind da und wachen still, besonders auf Wiener Friedhöfen: Engel aus Stein, Bronze oder Kupfer. Viele von ihnen haben die Gräber schon seit mehr als hundert Jahren im Blick und Wind und Wetter haben eine Patina wie ein geheimnisvolles Kleid auf sie gelegt.

Mittler zwischen Himmel und Erde

Jemand, der die Wiener Friedhofsengel besonders gut kennt, ist Gerd W. Götzenbrucker. Der Wiener Fotograf mit Kärntner Wurzeln suchte über Jahre die Gegenwart der Himmelswesen auf und wurde von ihnen fotokünstlerisch beflügelt. Aus seiner intensiver fotografischer Auseinandersetzung mit den Engeln heraus entstand das Buch „Engel. Meisterwerke der Friedhofskunst“.

Was löst der Gedanke an Engel in ihm aus? „Engel sind die Boten Gottes, Mittler zwischen Himmel und Erde, Diesseits und Jenseits. Engel – diese fantastischen Gestalten aus Licht, sind kaum greifbar, obwohl der Mensch seit Jahrhunderten versucht, sich ein Bild von ihnen zu machen. Das Geheimnisvolle der Engel, die Vieldeutigkeit, die Unmöglichkeit, sie wirklich fassen zu können, das alles macht den Zauber dieser Wesen aus“, ist Gerd W. Götzenbrucker im Gespräch mit dem SONNTAG überzeugt.

Auch nach Jahren der Auseinandersetzung, in denen der Fotograf jedes Wochenende Wiener Friedhöfe durchstreifte, um Engelsskulpturen zu fotografieren, ist Gerd W. Götzenbrucker fasziniert. „Friedhöfe sind Orte der Stille, der inneren Einkehr. Wenn man seine Sinne schärft und die Augen offenhält, dann hat man das Gefühl durch parkähnliche Freiluftmuseen vergangener Epochen zu wandeln. Besonders rund um Allerheiligen, wenn der Spätherbst die Bäume im schönsten Blattgold erstrahlen lässt und auf den Gräbern die Kerzen brennen, kann man in diese faszinierende Welt der Engel, Trauerfiguren und Allegorien eintauchen“, sagt er.

Besondere Friedhofskunst in Wien
Auch neun Jahre nach Erscheinen seines Engel-Buches zieht es ihn immer wieder auf den Friedhof von St. Marx, besonders zur Fliederblüte und im Winter. „In den Wintermonaten – vor allem um die Zeit um Weihnachten – verwandelt sich der Friedhof in eine mystische Landschaft voller Stille und innerer Einkehr. Im gold-violettem Licht zeigen sich dann die himmlischen Boten, die an den Gräbern Wache halten“, schildert er die außergewöhnliche Stimmung des alten Friedhofs.

Warum findet man auf unseren Friedhöfen so viele Engel? „Engel- und Geniendarstellungen spielen in der europäischen Friedhofskunst seit jeher eine bedeutende Rolle. Bereits in der heidnischen Antike wurden Gräber, Mausoleen und Sarkophage der wohlhabenden Bürgerschaft mit Reliefdarstellungen und figürlichen Plastiken geziert“, berichtet Gerd W. Götzenbrucker. Die himmlischen Wesen dienten in der damaligen Vorstellungswelt sowohl als Mittler zwischen den Welten als auch als Beschützer, die über das Leben wachen und dem Menschen im Tode nahestehen.

Die Friedhofskunst erlebte in Wien in der Zeit von 1790 bis 1914 eine besondere Hochblüte. Die in den Kunstwerken ausgedrückte Wertschätzung gegenüber den Verstorbenen gebe es heute nicht mehr, meint der Fotograf. Mit seinen Arbeiten möchte Gerd W. Götzenbrucker auch beitragen, „dass man den Friedhof wieder wertschätzt und sich darin umsieht.“

Mit einem Engels-Traum fing es an
Ein einprägsamer nächtlicher Traum war übrigens der Anlass für den freien Journalisten, dem Thema „Engel auf Friedhöfen“ speziell in Wien nachzugehen. Gerd W. Götzenbrucker erinnert sich: „Ein Engel nahm mich an der Hand und flog mit mir über Wien. Wir landeten auf dem Wiener Zentralfriedhof, und er zeigte mir eine wunderschöne Frauenfigur aus Stein auf einem Grab.“

Der Traum ließ ihm keine Ruhe. Entstanden ist daraus ein umfangreiches Dokumentationsarchiv mit 8.000 Engelsbildern, das einen detaillierten Blick auf 150 Jahre Wiener Grabmalkunst wirft.

Autor:

Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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