200. Geburtstag von Gregor Mendel
Gläubiger Forscher und bescheidenes Genie
Pater Dominic Sadrawetz OSA ist viel beschäftigter Prior des Wiener Augustinerklosters. Die Pfarrkirche gleich neben der Hofburg ist besonders für Liebhaber der Kirchenmusik ein Anziehungspunkt, zugleich das seelsorgliche Zentrum der Klostergemeinschaft. Der Orden folgt der Regel des heiligen Augustinus und widmet sich der Pfarr-, Schul- und Lehrlingsseelsorge sowie dem Schulunterricht. Obgleich am Sprung in den wohlverdienten Sommerurlaub, nimmt sich Augustinerpater Dominic Zeit, Fragen des SONNTAG zu seinem berühmten „Ordenskollegen“ Gregor Mendel zu beantworten. Anlass dafür ist der 200. Geburtstag des „Vaters der Genetik“, wie der Forscher und Geistliche aus heutiger Sicht gerne genannt wird.
Vom Bauernsohn zum Abt und Forscher
Den meisten von uns ist der Name Gregor Mendel im Biologieunterricht begegnet. „Die Nennung seines Namens ruft in mir sofort das Bild des wohl bekanntesten ,Erbsenzählers‘ der Welt hervor. Untrennbar damit verbunden denke ich an seine ,Versuche über Pflanzenhybriden‘“, berichtet Pater Dominic Sadrawetz. Gregor Mendel hatte unter diesem Titel 1865 die Ergebnisse seiner Forschung, die „Mendelschen Regeln“, präsentiert, bevor sie 1866 publiziert wurden. Der Abt des Brünner Augustinerklosters sollte dadurch zum weltbekannten Begründer der genetischen Forschung werden.
Johann Mendel wurde am 20. Juli 1822 in Heinzendorf bei Odrau in der Region Mähren-Schlesien als Sohn einer Bauernfamilie geboren. Pater Dominic erzählt: „Als begabter Schüler konnte er das Gymnasium in Troppau besuchen, musste sich als Jugendlicher allerdings seinen Lebensunterhalt selbst verdienen.“ Als einer der besten Schüler seines Jahrgangs absolvierte Mendel 1840 das Gymnasium. „Nur, weil seine jüngere Schwester Theresia auf einen Teil ihres Erbes verzichtete, war es Mendel möglich, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. So begann er mit dem Studium der Philosophie an der Universität in Olmütz.“ Äußere Umstände – Mendel litt unter akuten Nahrungssorgen – waren schließlich ausschlaggebend für seine Entscheidung, 1843 in die Augustiner-Abtei in Alt-Brünn einzutreten und Ordensmann zu werden. Er erhielt den Ordensnamen „Gregor“.
Gregor Mendel war vielseitig interessiert und studierte neben Theologie auch Ökonomie, Obstbaumzucht und Weinbau. 1847 empfing er die Priesterweihe. Nach einer Unterrichtstätigkeit am Gymnasium – Mendel scheiterte allerdings an der Lehramtsprüfung – begann er 1850 ein Studium der Naturwissenschaften an der Universität Wien. „Nach seiner Rückkehr nach Brünn widmete er sich jahrelang bis etwa zu seiner Wahl zum Abt am 30. März 1868 den Kreuzungsexperimenten an der Erbse (Pisum sativum), die ihn lange nach seinem Tod berühmt werden lassen sollten, die aber von den Wissenschaftlern seiner Zeit nicht verstanden und gewürdigt wurden. Mendels Studie fand also lange Zeit kaum Beachtung. Erst im Jahr 1900 wurde sie in ihrer Bedeutung erkannt, als drei Botaniker unabhängig voneinander in ihrer Forschung zu denselben Erkenntnissen kamen wie Mendel“, führt der Ordensmann aus.
Gregor Mendels unbekannte „Formel“: „Leben = Innewohnen in Gott“
Gregor Mendel ist vor allem als Naturwissenschaftler bekannt – was weiß man über seinen Glauben? Dazu sagt Pater Dominic: „In seiner naturwissenschaftlichen Forschungstätigkeit war Gregor Mendel den Regeln des Lebens auf der Spur; dieses wollte er mehr und mehr verstehen lernen. Ähnliches gilt wohl auch für seinen Glauben: Hier war er dem übernatürlichen Leben, dem Leben in Fülle (Joh 10,10b) als Frucht der Auferstehung Jesu auf der Spur.“
Aus einem Predigtkonzept Gregor Mendels, das 1965 aufgefunden wurde, sei überliefert: „Das Leben teilen wir mit allen belebten Geschöpfen, – das Leben des Glaubens teilen wir mit Christus, der das Leben selber ist.“ Und weiter: „Leben = Innewohnen in Gott, in der Glut der himmlischen Seligkeit, Gerechtigkeit, Güte Gottes.“ Pater Dominic betont: „So sehr Gregor Mendel einerseits mit Leib und Seele Naturwissenschaftler war, so sehr blieb er andererseits als Mensch, Ordensmann und Priester zugleich geprägt von einem tiefen Gottesglauben und Gottvertrauen.“
Auf den Spuren des hl. Augustinus
Naturwissenschaft und Glaube waren für Gregor Mendel kein Widerspruch. „Die Naturwissenschaft führte ihn nicht von Gott weg, sondern näher hin zu dem, der alles ins Dasein gerufen hat. Hier bewegte sich Mendel ganz auf der Linie seines und unseres hl. Ordensvaters Augustinus“, erklärt Pater Dominic. So heiße es bei Augustinus in dessen Werk „Über den dreieinigen Gott“: „Der Glaube sucht, der Intellekt findet … und dennoch fährt der Intellekt fort, den zu suchen, den er bereits gefunden hat. ‚Gott hat‘ nämlich ‚herniedergeschaut auf die Menschenkinder‘, wie im heiligen Psalm (13,2) gesungen wird, ‚um zu sehen, ob einer ist, der Gott einsieht und sucht‘. Dazu also muss der Mensch mit Einsicht ausgestattet sein, dass er sich suchend um Gott müht.“
Gregor Mendel war als Abt in vieler Hinsicht gefordert und zeichnete sich hier durch besondere menschliche Qualitäten aus. „Abgesehen von seiner naturwissenschaftlichen Arbeit wirkte Gregor Mendel im Augustinerorden wohl hauptsächlich durch seine Persönlichkeit – ganz gleich, ob als Augustinermönch, Lehrer, Priester oder Abt. Er erfreute sich ob seiner menschlichen Qualitäten allgemeiner Beliebtheit bei seinen Schülern und Kollegen, bei der Bevölkerung und wohl auch bei seinen Mitbrüdern, die ihn mit elf von zwölf Stimmen zum Abt wählten. Durch seinen Umgang mit Menschen, seine Großzügigkeit, seine Liebenswürdigkeit, sein Pflichtbewusstsein, seine Charakterfestigkeit wurde er von den Menschen als glaubwürdig erfahren, und so konnte er die Menschen mit der Botschaft des Evangeliums erreichen.“ Gregor Mendel blieb trotz seiner vielen Fähigkeiten bescheiden. Er erwies sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht als geschickt und ordnete die ökonomischen Verhältnisse der Abtei. Pater Dominic: „Seine Charakterfestigkeit zeigte sich in der Auseinandersetzung mit der staatlichen Obrigkeit. Bis zu seinem Tod bekämpfte er ein seiner Überzeugung nach ungerechtes österreichisches Reichsgesetz aus dem Jahr 1874, durch das die großen Stifte mit einer Sondersteuer zur Deckung der Bedürfnisse des katholischen Kultus belastet wurden.“ So gibt es heute viele Gründe, den „Vater der Genetik“ neu zu entdecken.
Autor:Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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