Riesenorgel im Stephansdom
Der Klang der Ewigkeit
Am 4. Oktober 2020 wird die erneuerte Riesenorgel im Wiener Stephansdom eingeweiht. Wir sprachen mit der jungen Organistin Magdalena Moser und dem Kirchenmusiker Friedrich Lessky, warum die Faszination für Orgelmusik so groß ist.
Sie ist das größte Musikinstrument Österreichs: die erneuerte Riesenorgel im Stephansdom. In mehr als 40.000 Arbeitsstunden wurden nicht nur technische und statische Arbeiten durchgeführt, sondern auch 10.000 Pfeifen und Flöten gebaut, gestimmt und in die Orgel eingebaut. Am 4. Oktober hat dieses Kirchen-Instrument der Superlative seinen ersten großen Auftritt mit dem Einweihungsgottesdienst ab 9 Uhr und einer Reihe von Konzerten und Programmpunkten.
Was ist so faszinierend an einer Kirchenorgel, dass so viel Zeit, Geld und so viele Mühen in sie investiert werden? Was macht die Besonderheit von Orgelmusik aus? Darüber sprachen wir mit der jungen, soeben preisgekrönten Organistin Magdalena Moser und Friedrich Lessky, der seit sechs Jahrzehnten in Wien Kirchenmusik macht.
Junge Kräfte werden gebündelt
Magdalena Moser hat soeben den 1. Preis beim Internationalen Franz-Schmidt-Orgelwettbewerb in der Wiener Schottenkirche gewonnen. Was fasziniert sie am Orgelspielen? „Orgelmusik ist deshalb so faszinierend, weil man so viele Klangfarben zur Verfügung hat. Jede Orgel ist anders, man muss sich immer auf neue Situationen einstellen, was die Registrierung und die Klangfarben betrifft. Das macht auch den besonderen Reiz aus. Keine Orgel gleicht der anderen“, sagt die junge Steirerin, die auch Organistin in ihrer Heimatpfarre Graz-Umgebung ist. Zum Orgelspielen kam sie erst mit 18 Jahren nach einem Orgelkonzert in Südafrika. „Dort habe ich die Toccata aus Charles Marie Widors 5. Symphonie gehört. Durch dieses Erlebnis beim Konzert bin ich dann wirklich zum Orgelspielen gekommen, wobei ich vorher schon lange Klavier gespielt habe.“ Zur Riesenorgel im Dom meint sie: „Wenn man wirklich ein gutes Instrument hat, wie das jetzt im Stephansdom der Fall ist, denke ich, kann das auch ein Anreiz für kirchenferne Leute sein, sich das mal anzuhören. Ich glaube, dass das mit der Riesenorgel sehr gut gelungen ist.“
Fast unendliche Möglichkeiten
Friedrich Lessky, 86, ist Kirchenmusiker mit Leib und Seele und spielt seit seinem 14. Lebensjahr Orgel. Auch er ist von der Vielfalt der Klangfarben, dem enormen Klangvolumen (von extrem laut bis zu Pianissimo-Klängen) und dem jeweils eigenen Klangcharkater einer jeden Orgel fasziniert. Er sagt: „Die Musik ist Teil der Liturgie und in der Liturgie gibt es viele Möglichkeiten Orgelmusik einzusetzen. Mit einer tollen Orgel kann ich einen feierlichen Ein- und Auszug spielen und meditatives Orgelspiel machen. Ganz wichtig ist der Begleitgesang des Liedgesanges. Ich kann, wenn ich eine tolle Orgel habe, verschiedene Registrierungen der einzelnen Strophen abspielen.“
„Die Gestaltung der Vorspiele zu den Liedern im Gottesdienst kann ich mit der Registrierung, mit besonderen Klangfarben, auf den Inhalt der Lieder abstimmen“, sagt Friedrich Lessky. Die Orgel sei ein Instrument, auf dem auch sehr viel improvisiert werde: „D.h. aus dem Augenblick heraus werden Gedanken in Musik umgesetzt und hier habe ich ein Instrument mit fast unendlichen Möglichkeiten. So etwas hat man sonst bei keinem anderen Instrument“, betont der Kirchenmusiker.
Mit der Orgel in die Ewigkeit schauen
Der Musiker weist auf einen wichtigen Satz in der Konstitution über die heilige Liturgie des Zweiten Vatikanums hin. Hier heißt es: „Der Klang der Orgel vermag den Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben.“ Friedrich Lessky ist überzeugt, dass Orgelmusik die Menschen, die dafür offen sind, direkt anspricht: „Vor allem jene Menschen, die sich auch gefühlsmäßig dem gottesdienstlichen Geschehen öffnen wollen, haben dann natürlich den Vorteil, dass das gesprochene Wort durch die Musik eine Erhöhung und Vertiefung findet. Ich denke, vielleicht für manche sogar eine Vision des himmlischen Jerusalem.“
„Die Orgel ist doch in meinen Augen und Ohren die Königin aller Instrumente“, war Wolfgang Amadeus Mozart begeistert. Friedrich Lessky: „Diese Aussage spielt natürlich auch heute noch eine Rolle.“ „Orgelspielen heißt: einen mit dem Schauen der Ewigkeit erfüllten Willen offenbaren“, meinte der bereits erwähnte französische Organist und Komponist Charles Marie Widor. Friedrich Lessky erklärt: „Für ihn war das Orgelspielen etwas, womit er in die Ewigkeit schauen konnte. Vom Komponisten und Organisten her ist das eine ganz bedeutende Aussage. Widor hat die Orgel sehr vielfältig ausgestaltet und er hat Einfluss auf den Bau der Orgel genommen und beigetragen, dass die Orgelmusik in Frankreich heute von besonderer Bedeutung ist.“ Orgelmusik in einem Konzertsaal (Konzerthaus oder Musikverein) ist übrigens etwas ganz anderes als in einer Kirche. Das mache einen großen Unterschied, sagen viele.
Ob es sich lohnt, in eine tolle Orgel zu investieren? Der Kirchenmusiker bejaht: „Ja, es lohnt sich, viel Geld in die Orgel zu investieren, weil sie eben ein Instrument ist, das einen ganz besonderen Charakter hat und auch viel kostet. Wenn man so wie ich 62 Jahre lang in Wien in der Kirchenmusik tätig ist, kann ich das sagen.“
Ob Orgelspielen auch einen Jungbrunneneffekt hat? Hört man Friedrich Lessky, zu, gewinnt man diesen Eindruck sehr stark.
Autor:Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.