Sommergespräch mit Neurowissenschaftlerin Manuela Macedonia
Was tut unserem Gehirn gut?
Seit vielen Jahren forscht Manuela Macedonia über das Gehirn. Wie es funktioniert, was ihm schadet und gut tut, erklärt sie uns in ihren Bestsellern. Denn alles Wissen ist nutzlos, wenn es nicht geteilt wird. In ihrem neuesten Buch, für sie das bisher wichtigste, geht es um Ernährung.
Zwischen den hohen Gipfeln des Aostatals ist Manuela Macedonia aufgewachsen und die Liebe zu den Bergen zieht sie, wann immer möglich, bis heute in die Höhen, ob auf Skiern, dem Mountainbike oder in Wanderschuhen. Sport macht die Neurowissenschaftlerin jeden Tag, aber nicht für ihre Figur, sondern für ihr Gehirn. Wie sich Bewegung auf unser Gehirn auswirkt, hat Manuela Macedonia in zwei Bestsellern beschrieben (siehe Buchtipps). In ihrem neuen Buch „Iss dich klug! Und dein Gehirn freut sich“ erklärt sie, welchen Einfluss die Ernährung auf uns hat.
- „Der Mensch ist, was er isst“, hat der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach schon 1850 gesagt. Wenn man Ihr Buch „Iss dich klug!“ liest, bekommt man den Eindruck, es ist wirklich so.
Die Ernährung spielt auf jeden Fall eine sehr große Rolle, denn sie kann sogar Gene beeinflussen. Sie hat, so sagt man, epigenetische Wirkung. Mit guter Ernährung kann ich die Baupläne des Gehirns eines ungeborenen Kindes positiv beeinflussen. Ich kann sie aber auch negativ verändern, indem ich als Schwangere etwas esse, das sich auf die Gene auswirkt. Dadurch kann sich zum Beispiel das Risiko für Depression oder Aufmerksamkeitsstörungen aller Art erhöhen. Wir sind tatsächlich das, was unsere Vorfahren gegessen haben und wir selbst jetzt essen.
- Unsere Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern haben Krieg und, damit verbunden, Hunger erlebt. Wie wirkt sich das auf uns, die nachfolgenden Generationen aus?
Dazu gibt es sehr interessante Studien, u.a. eine über jene Kinder, die während der Hungersnot im Winter 1944/45 in den Niederlanden noch im Mutterleib waren. Diese Kinder litten später sehr oft an psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depressionen. Der Hunger im Mutterleib hat verheerende Auswirkungen auf die Kinder. Auch die Generation, die ihre Kindheit während des Krieges erlebte, ist sehr stark von Depressionen betroffen. Sie haben auch sehr wenig zu essen bekommen. Die Suizidrate war in diesen Generationen sehr hoch.
- Die Ernährung der Eltern, schreiben Sie, spielt schon vor der Zeugung eine Rolle für das Kind. Inwiefern?
Dass beide Elternteile schon vor der Zeugung Verantwortung für dieses noch nicht gezeugte Kind tragen, ist den meisten nicht bekannt. Vor allem, dass der Vater bis zum letzten Augenblick vor der Zeugung sehr wohl auf seine Ernährungsgewohnheiten und den Konsum von Drogen – auch von legalen wie Alkohol und Nikotin – achten soll, ist unbekannt. [...] Wenn der Vater sehr fett isst, kann er seinem noch nicht geborenen Kind den Hang dazu vererben, über den Hunger hinaus essen. Die Fette, die er isst – vor allem die schlechten Fette, die „Transfette“, die in Pommes frittes oder in industriell erzeugten Lebensmitteln enthalten sind –, verändern die Gene in diese Richtung. Das heißt, das Kind kommt auf die Welt und isst dann oft noch weiter, wenn es schon satt ist.
- Sie empfehlen, zwischendurch Fasttage einzulegen. Warum tut uns Fasten gut?
Fasten wirkt sich auf alle Körperzellen positiv aus, auch auf die Gehirnzellen. Die „Kraftwerke“ unserer Zellen, die Mitochondrien, verstoffwechseln die Energie aus der Nahrung für die jeweilige Zellfunktion. Das Problem ist, wenn ich diese Mitochondrien mein ganzes Leben lang permanent beschäftige, werden sie irgendwann müde. Lege ich eine Essenspause ein, können sich die Mitochondrien erholen. Gleichzeitig laufen innerhalb der Zelle Reparaturmechanismen ab und im Gehirn werden Säuberungsprozesse eingeleitet. Deswegen ist das Fasten sehr, sehr wichtig – je älter wir werden, umso wichtiger wird es.
Vor diesem Hintergrund ist es sehr spannend, dass das Fasten in vielen Religionen Tradition hat.
Definitiv! Ich denke, dass Fasten in ganz vielen Religionen vorhanden ist, weil verschiedene Völker, verschiedene Kulturen beobachtet haben, dass man fitter wird, wenn man das Essen eine Zeit lang reduziert oder ganz auslässt.
- Es gibt viele Methoden zu fasten, welche befürworten Sie?
Ich bin nicht für Extremformen des Fastens, denn jede ganz große Umstellung ist für den Körper sehr anstrengend. Es ist besser, ein oder zwei Tage in der Woche runterzuschalten und 10 bis 15 Stunden nichts zu essen – je nachdem, ob ich mich bewege, denn Bewegung kann diese Zeit reduzieren.
Wir können zum Beispiel am Wochenende ein bisschen frühstücken, dann den ganzen Tag Bewegung machen und erst am späten Nachmittag eine Mahlzeit einnehmen – die aber nicht dreimal so groß ist wie eine normale Mahlzeit, nur weil wir das Mittagessen ausgelassen haben. Dann essen wir erst am nächsten Tag wieder, ein normales Frühstück. Das sind praktikable Vorgangsweisen, die uns nicht soviel abverlangen und mit denen sich der Körper relativ gut arrangieren kann. Und auch die Psyche! Denn je restriktiver wir vorgehen, umso neurotischer werden wir. Ich höre regelmäßig: „Wenn ich Diät mache, denke ich nur an‘s Essen.“ Das kann ich gut nachvollziehen. Wenn wir uns so unter Stress setzen, werden wir womöglich umfallen und genau das Gegenteil tun.
- Was treibt Sie an, in Ihrer raren Freizeit Bücher zu schreiben?
In den letzten Jahren war ich auf vielen Konferenzen und ich bin daraufgekommen, dass soviel Wissen in den Datenbanken da ist, zum Beispiel über den Einfluss von Bewegung und Ernährung auf unser Gehirn, aber dieses Wissen die Menschen draußen nicht erreicht. Meine Aufgabe sehe ich darin, dieses Wissen in eine Sprache zu übersetzen, die jeder versteht. Das ist es mir wert, meine Freizeit dafür aufzuwenden. Ich habe ein großes Geschenk vom Leben bekommen: den Zugang zu diesem Wissen. Selbstverständlich habe ich mir das erarbeitet, aber es hat auch nicht jeder die Möglichkeit, soviel zu lernen. Ich lerne schon mein ganzes Leben und ich denke, es ist alles wertlos, wenn mein Wissen nicht die Menschen da draußen erreicht. Deswegen schreibe ich diese Bücher, halte Vorträge und Workshops, um dieses Wissen, dieses Geschenk mit Menschen zu teilen, die andere Geschenke bekommen haben. Ein Geschenk für sich alleine ist nicht so eine große Freude, wie wenn man dieses Geschenk mit anderen teilen kann.
Autor:Monika Fischer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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