Von Gott geschaffen
Tiere: Wunderbare, ganz spezielle Freunde
Die Beziehung zwischen Mensch und Tier hat viele Facetten und ist zum Teil widersprüchlich: Mit dem Haustier wird gekuschelt, zu den Tieren in der industriellen Fleischproduktion herrscht zum Teil emotionslose Distanz. Der biblische Befund ist eindeutig: Tiere sind von Gott geschaffen und haben nicht nur einen Nutz-, sondern auch einen Eigenwert.
Tiere“, sagt Peter Stippl, „sind wunderbare und ganz spezielle Freunde.“ Stippl, 69 Jahre alt und Präsident des Verbands für Psychotherapie, spricht aus eigener, lebenslanger Erfahrung. Seit er denken kann, hat er Tiere. Derzeit einen Hund, früher auch Katzen und – über dreißig Jahre lang – Pferde. „Die Pferde, immer zwei oder drei, waren direkt neben dem Wohnhaus untergebracht. Das war sehr familiär. In der Früh bin ich als erstes in den Stall, am Abend habe ich ihnen durchs Fenster ‚Gute Nacht‘ gesagt.“
Jedes Tier habe seine Eigenart, eine ihm eigene Art der Kommunikation mit dem Menschen, eine bestimmte Weise, wie es mit dem Menschen in Beziehung tritt. Durch seine Mimik, seine Gestik und seine Laute könne es sich klar ausdrücken. Das sei etwas, was Menschen berührt und was das Tier zum Freund und Partner werden lässt, der hilft und Gesellschaft leistet. „Ich denke, man kann ohne übertriebene Romantik sagen, dass das Tier seinen menschlichen Beziehungspartner kennt. Davon lesen wir auch in der Bibel, wenn es heißt, dass die Schafe ihren Hirten kennen und ihm folgen. Sie haben Vertrauen zu ihm.“
Zum Aspekt des Gernhabens komme der der Rücksichtnahme in der Mensch-Tier-Beziehung. „Ich glaube, ein Tier lehrt Rücksichtnahme, das Eingehen auf den anderen. Deshalb können Tiere für Kinder sehr wichtig sein, weil sie lernen, sich zu kümmern.“
Hilfe gegen Einsamkeit
Gerade in Zeiten wie diesen kann die Beziehung zu einem Tier, besonders wertvoll sein. Wenn man alleine lebt und die sozialen Kontakte mit den Mitmenschen wegfallen, ist da zumindest der Hund oder die Katze, die Gesellschaft leisten. Doch kann das eigene Haustier wirklich menschliche Nähe ersetzen?
„Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass Haustiere in der Covidkrise eine Hilfe gegen die Einsamkeit sein können. Sie helfen, eine Tagesstruktur aufrecht zu erhalten, sie schenken Freundlichkeit und Zärtlichkeit“, sagt Peter Stippl. „Es wärmt einfach das Herz, wenn sich am Abend auf der Couch so ein Fellknäuel herkuschelt.“ Auch in Nicht-Corona-Zeiten mindere die Beziehung zu einem Haustier für viele Einsamkeit und könne ein gewisses Maß an Sinn geben.
Natürlich könne das auch ins Ungesunde abtriften. „Wenn man die Tiere zum Beispiel wie einen Menschen zu kleiden beginnt, dann kann die Grenze zu einer gesunden Freundschaft überschritten werden. Prinzipiell muss man sich das aber immer individuell anschauen.“ Ähnliches gelte im Bezug auf Tierbestattungen. Riesige Denkmäler hält Stippl für unangemessen, eine würdige letzte Ruhestätte sei aber ein Zeichen von Respekt dem Tier gegenüber. „Man kann das Tier in ein Tuch oder eine Holzkiste legen, im urbanen Raum ist es natürlich notwendig, dass dafür Gemeinschaftsplätze geschaffen werden.“
Respekt, so Stippl, sei im Umgang mit Tieren generell wichtig. In der industriellen Fleischproduktion sei dieser nicht gegeben. „Wenn man Tiere durch halb Europa transportiert, um den Preis billig zu halten, ist das nicht das, was dem Schöpfungsplan entspricht.“
Nicht nur Nutzwert. Auch Eigenwert
„Es gibt zahlreiche biblische Stellen, in der Tiere vorkommen. Wahrscheinlich gibt es im Alten Testament keine einzige Seite, auf der nicht auch von Tieren die Rede ist. Das ist typisch für eine Zeit, in der Tiere automatisch mit dem Menschen mitgelebt haben“, sagt Gerhard Marschütz, Professor für Theologische Ethik an der Universität Wien.
Insbesondere in den ersten Erzählungen in der Bibel werde deutlich, wie eng die Bibel die Beziehung zwischen Mensch und Tier sieht. „In den Schöpfungserzählungen heißt es, dass alles von Gott geschaffen wurde. Und auch, wenn im ersten Kapitel von Genesis der Mensch als Bild Gottes eine Sonderstellung einnimmt, ist dennoch alles Geschaffene in fundamentaler kreatürlicher Gemeinschaft zu sehen.“
Geht man davon aus, dass Gott alles aus Liebe erschaffen hat, dann gebe es nichts, das nicht auch einen Eigenwert habe. Das habe Auswirkungen auf den menschlichen Umgang mit Tieren, die nicht allein auf ihren Nutzwert reduziert werden dürften.
„Im Verlauf der Neuzeit wurde dieser Umgang aber immer brutaler“, sagt Marschütz. Anhand der Philosophiegeschichte zeigt er auf, wie sich die Sicht auf Tiere verändert hat. Während Aristoteles den Tieren eine Seele zusprach – wenn auch keine, die Gott erkennen kann -, spricht René Descartes knapp zweitausend Jahre später Tieren die Seele ab. „Tiere wurden nur mehr als Materie gesehen, was zu einem Auseinandertriften von Mensch und Tier geführt hat.“ Eine extreme Konsequenz dieser Einstellung seien ‚Tierfabriken‘, wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden sind und in denen Tiere nur noch als lebendiger Rohstoff behandelt werden.
Tiere im Himmel?
Biblisch lasse sich nicht ableiten, dass der Mensch vegetarisch zu leben habe. „Auch die kirchliche Lehre spricht sich nicht gegen das Töten von Tieren zu Nahrungszwecken aus. Es ist aber immer die Frage, wie das geschieht“, sagt Marschütz. Heute fände die Fleischproduktion für die meisten Menschen weit entfernt hinter verschlossenen Türen statt. Anders als früher – und mancherorts natürlich immer noch – am Bauernhof, wo man dankbar war für das Tier, das man aufgezogen, gefüttert und irgendwann geschlachtet hat.
Grundsätzlich nimmt Marschütz eine starke Widersprüchlichkeit im Umgang mit Tieren wahr: „Da sind einerseits die Haustiere, die verhätschelt werden, mit denen man sehr vertraut ist, die sogar zum Partnerersatz werden können. Und andererseits die Tiere als Nahrungsmittel in der Fleischindustrie, von denen Menschen sich völlig entfremdet haben.“
Ob Tiere in den Himmel kommen? Nicht nur für Menschen, die eine enge Beziehung zu ihrem Haustier haben, ist diese Frage interessant. „Ich denke, dass auch Tiere auf gottgemäße Weise zur Vollendung geführt werden, ohne dass wir uns das jetzt genau vorstellen können.
Das, was mich als Menschen ausmacht, alle Freuden, die ich im Leben hatte, wird auch im Himmel da sein. Also ja, im Zweifel würde ich immer sagen: Tiere kommen in den Himmel.“
Autor:Sandra Lobnig aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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