Schöpfungsverantwortung
Ohne Acker kein Brot
Eines der großen Umweltprobleme in Österreich ist der hohe Bodenverbrauch. Wenn die Entwicklung so weitergeht, ist die Eigenversorgung mit den wichtigsten landwirtschaftlichen Lebensmitteln nicht mehr gewährleistet.
In einer aktuellen market-Umfrage im Auftrag des WWF Österreich verlangen 86 Prozent der Befragten strengere Gesetze und Maßnahmen gegen die Verbauung der Landschaft und den Flächenverbrauch. Insgesamt 87 Prozent sind dafür, dass bei der Genehmigung von Infrastrukturprojekten strenger auf die Natur geachtet wird.
„Die Menschen spüren den hohen Bodenverbrauch bereits sehr stark in ihrem eigenen Umfeld und wollen dafür konkrete Lösungen“, sagt market-Studienleiterin Birgit Starmayr zu den Ergebnissen der repräsentativen Erhebung mit 1.008 Befragten. 76 Prozent kritisieren, dass die Politik zu wenig gegen den Flächenverbrauch tut. 73 Prozent bemerken deutlich zu viel Neuverbauung in der unmittelbaren Wohnumgebung. Mehr als die Hälfte (59 Prozent) sieht Erholungsgebiete im eigenen Bundesland vom Flächenfraß bedroht.
Ohne Boden kein Brot
Unser Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, warnt seit Jahren vor der Zerstörung des Bodens: „Jahr für Jahr schwindet fruchtbares Ackerland. Brot wächst nicht auf Beton und Asphalt. Zu lange haben wir nur an kurzfristige Erfolge gedacht“, sagt der Kardinal. „Ohne Boden wird es in Zukunft auch kein Brot geben. Nahrung kommt nicht aus dem Supermarkt. Die vollen Regale in den Geschäften kann es nur geben, wenn es fruchtbare Böden gibt, wenn Mutter Erde uns nährt.“
Der jährliche durchschnittliche Bodenverbrauch liegt bei 44 Quadratkilometer, was der Größe von Eisenstadt entspricht. In den letzten 50 Jahren wurden bereits 300.000 Hektar Felder und Wiesen verbaut – so viel wie die gesamte Ackerfläche Oberösterreichs. 1950 standen in Österreich noch 2.400 Quadratmeter Ackerfläche pro Kopf zur Verfügung – heute sind es nur noch 1.600 Quadratmeter. In 200 Jahren gäbe es bei Fortschreiten dieser Entwicklung so gut wie keine Agrarflächen mehr in Österreich.
Ertragseinbußen durch Klimawandel
In einem Projekt wurde vor Kurzem untersucht, ob durch heimische Produktion eine ausreichende Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten auch in Zukunft gewährleistet ist.
Die alarmierenden Ergebnisse: Aufgrund der Klimaänderung geht der Ertrag in der landwirtschaftlichen Produktion, insbesondere im Osten und Südosten Österreichs, zum Teil dramatisch zurück. Zusätzlich werden durch den Bodenverbrauch wertvolle Agrarflächen für immer aus der Produktion genommen.
„Es ist davon auszugehen, dass bei den meisten derzeit bedeutenden Feldfrüchten nach 2030 keine Autarkie mehr gewährleistet werden kann, selbst wenn alle derzeit verfügbaren Bodenressourcen in der Produktion verbleiben. Daher müssen wir klimafitte Böden erkennen und schützen und den Bodenverbrauch reduzieren. Denn Bodenschutz bedeutet Klimaschutz und Ernährungssicherung“, so der Studienleiter Andreas Baumgarten von der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES). „Für Österreich gehen wir von einem Rückgang der Erträge um bis zu 19 Prozent in den kommenden 40 Jahren aus. Im aktuell trockenen, pannonischen Klimaraum wird es die stärksten Ertragseinbußen geben. Im Marchfeld könnte sich die Ernte durch zunehmende Hitzetage und Trockenheit sogar um bis zu 50 Prozent verringern, bis 2060 droht eine Unterversorgung zum Beispiel bei Getreide, Mais oder Kartoffeln.
Um die Versorgung Österreichs mit wertvollen Nahrungsmitteln zu sichern, müssen die besten Böden für die landwirtschaftliche Produktion bewahrt werden“, betont der Wissenschaftler: „Damit könnten 75 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produktionskapazität in Österreich künftig gesichert werden.“ Die Forschungsergebnisse untermauern auch die langjährige Forderung nach einer Trendumkehr des nahezu ungebremst anhaltenden Bodenverbrauchs und der Definition von Zielen mit konkreten Zahlen: „Wenn wir weitertun wie bisher, werden wir Probleme bekommen.
Jeden Tag gehen rund 13 Hektar wertvolle Agrarflächen durch Bauprojekte verloren. Daher schlagen wir vor, ertragreiche Flächen gegen Versiegelung zu schützen, damit sie in der landwirtschaftlichen Produktion bleiben“, so Baumgarten.
Grundlage des Lebens
„Vielen von uns ist nicht (mehr) bewusst, wie wertvoll und überlebensnotwendig für uns (unverbauter) Boden ist! Alles zuzubetonieren mag zwar praktisch und bequem sein, zerstört aber auf lange Sicht unsere Lebensgrundlage“, sagt Markus Gerhartinger, Umweltbeauftragter der Erzdiözese Wien. „Ziel muss es sein, sorgsamer mit unserem Grund und Boden umzugehen und das sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Bereich. Hier braucht es klare Rahmenbedingungen aus der Politik für den öffentlichen Raum, aber auch verantwortungsvolles Handeln jedes Einzelnen im privaten Bereich.“
Die Bundesregierung hat sich im Regierungsprogramm klar zu umfassenden Maßnahmen zum Schutz von gesunden Böden und einer zukunftsfähigen Raumplanung bekannt. Das Ziel ist, auf einen Bodenverbrauch von 2,4 Hektar pro Tag zu kommen. Um die Zielvorgaben aus dem Regierungsprogramm zu erfüllen, ist es dringend notwendig, den Altbestand und Leerstand wieder zu beleben. In Österreich stehen rund 40.000 Hektar Immobilien einfach leer.
Wasser- und Kohlenstoffspeicher
Der Boden ist die oberste, belebte, wenige Millimeter bis mehrere Meter mächtige Schicht der Erdkruste und entsteht durch die Gesteinsverwitterung sowie die Zersetzung und Neubildung von Humus. Die wichtigste Funktion des Bodens ist die Möglichkeit zur Produktion von Nahrungsmitteln. „Zur Fruchtbarkeit trägt die Fähigkeit des Bodens bei, Nährstoffe und Wasser zu speichern und wieder abzugeben sowie einen Halt für die Pflanzen zu geben“, erklärt Stephan Glatzel, Professor für Geoökologie an der Universität Wien. „Ohne Boden wäre Leben und auch unser Leben nicht denkbar.“ Eine wichtige Funktion ist die Speicherung und langsame Freigabe des Wassers: Ein intakter Boden speichert Wasser, wenn es nach Starkregen zu Überflutungen kommt. Das Wasser gibt er dann wie ein Schwamm langsam wieder her. Der Boden ist auch ein Kohlenstoffspeicher.
„Wenn wir dafür sorgen wollen, dass Kohlendioxid sich nicht allzu sehr in der Atmosphäre anreichert, dann können intakte Böden mit ihrem Humus dafür sorgen, dass der Kohlenstoff in ihnen gebunden wird“, so Glatzel. Der Boden ist ein Lebensraum. In einer Hand voll Boden sind mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde leben und von diesen Lebewesen – der Großteil sind natürlich Bakterien oder Pilze – kennen wir die meisten überhaupt nicht.
In Österreich sind die fruchtbarsten Böden vor allem im Osten zu finden, die Schwarzerdeböden beispielsweise im Weinviertel und im nördlichen Burgenland. „Wir haben aber auch fruchtbare Böden im Alpenvorland und in vielen Talregionen Österreichs“, berichtet Stephan Glatzel.
Autor:Markus Albert Langer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG |
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