Vatertag: Herausforderung Vater-Sein
Nicht die Mama

Vielen Männern wollen eine gewichtige Rolle im Leben ihrer Kinder spielen, wollen präsent sein. Und sie beschäftigen sich, wenn sie Vater werden, mit ihrer Geschichte. Sie hinterfragen ihre eigenen Vater-Erfahrungen und ihre Erfahrungen als Sohn. | Foto: Pixabay
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  • Vielen Männern wollen eine gewichtige Rolle im Leben ihrer Kinder spielen, wollen präsent sein. Und sie beschäftigen sich, wenn sie Vater werden, mit ihrer Geschichte. Sie hinterfragen ihre eigenen Vater-Erfahrungen und ihre Erfahrungen als Sohn.
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Studien belegen, dass kaum ein junger Vater heute ausschließlich auf die Rolle des Ernährers festgelegt werden will oder festgelegt werden kann. Das ist gut so, sagen Expertinnen und Experten. Denn ein Vater muss – und vor allem darf – heute mehr sein.

  • Aber welche Eigenschaften sollte ein Vater unbedingt mitbringen?
  • Welchen Stellenwert haben Väter im Leben ihrer Kinder eigentlich?
  • Und was ist eigentlich ein Väter-Coaching?

Fragen und Gedanken zum Vatertag am 14. Juni.

Philipp ist 45 und vor ein paar Wochen Vater geworden. Dass er das Vater-Werden in seinem Leben „noch hinkriegen wird“, damit hat er eigentlich gar nicht mehr gerechnet. Dass es dann doch noch geklappt hat, freut ihn umso mehr. Die kleine Anna sei sein „ganzes Glück“, aber auch ganz bestimmt seine „größte Herausforderung“. „Ich will ja alles richtig machen“, sagt er im Gespräch mit dem SONNTAG: „Oder sagen wir: Ich will so viel wie möglich richtig machen.“

Er war bei fast allen Schwangerschaftsuntersuchungen dabei, ebenso bei der Geburt, die er als „gewaltige und in vielerlei Hinsicht erschütternde Erfahrung“ beschreibt. Und auch die Zeit nach der Geburt haben er und seine Frau gut durchgeplant: Papamonat, zusätzliche Urlaubstage, Karenz – Philipp will da sein, will präsent sein, will nichts verpassen. „Ich möchte wissen, was mein Kind beschäftigt, ich will, dass es mich als Gesprächspartner kennenlernt und als Ansprechpartner in vielen Lebenslagen“, sagt er und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: „Ich will es anders machen als mein Vater. Wobei man fairerweise sagen muss: Früher waren die Anforderungen wohl auch andere. Mein Vater hat mit mir und meinen Brüdern Fußball gespielt, aber kaum Interesse daran gezeigt, wie es uns geht. Er war wenig da – und wenn dann müde und erschöpft. Ich möchte, dass Anna das anders erlebt.“

Bin ich bereit fürs Vater-Sein?

Wie Philipp geht es heutzutage vielen Männern. Sie wollen eine gewichtige Rolle im Leben ihrer Kinder spielen, wollen präsent sein. Und sie beschäftigen sich, wenn sie Vater werden, mit ihrer Geschichte. „Sie hinterfragen ihre eigenen – vielfach negativen – Vater-Erfahrungen und ihre Erfahrungen als Sohn“, sagt Robert Gerstbach-Muck. Er arbeitet unter anderem als Berater und bietet Väter-Coaching – ehrenamtlich – bei der aktion leben österreich an.

„Das Vätercoaching bietet eine Möglichkeit zur Reflexion aller Fragen, Sorgen und Freuden im Kontext des Vater-Werdens oder Vater-Seins“, sagt Robert Gerstbach-Muck. Oft gehe es einfach darum, Raum aufzumachen, um Überlegungen ,auf neutralem Boden‘ aus- und ansprechen zu können. Kaum ein Thema, das beim Väter-Coaching nicht zur Sprache komme: „Existentielle Nöte und Sorgen. Konflikte mit dem eigenen Vater. Partnerschaft, Sexualität, Geburt, Haushalt, Trennung, sie selbst als Teil einer – neuen – Kleinfamilie. Viele Männer kommen mit großen Sorgen, ob sie überhaupt bereit sind fürs Vater-Sein und mit der Frage, wie sie ein guter Vater sein können.“

Beziehung möglich machen

  • Aber wie geht das denn tatsächlich? Wie wird aus einem Mann ein guter Vater?

„Meine dringlichste Empfehlung an Väter ist, dem Vater-Sein Raum zu geben, das heißt Beziehung möglich zu machen“, sagt Robert Gerstbach-Muck. Wesentlich hierfür sei die Fähigkeit der Väter, ihre Emotionen dem Kind gegenüber auch ausdrücken zu können. Außerdem gehe es hier auch um Zeit. Und um Nähe. „In aller Radikalität: Weniger arbeiten und mehr Zeit mit dem Kind oder dem Jugendlichen verbringen.“

„Interesse zeigen und sich auf das Kind einlassen“, das nennt auch Johanna Jagoditsch als das Wichtigste für einen guten Vater. Seit vielen Jahren arbeitet sie als Sozialarbeiterin und Expertin für Bindungsanalyse in der Beratungsstelle der aktion leben. „Ein Vater, der sich interessiert, der für Mutter und Baby da sein will, der verstanden hat, wie wichtig eine gute Beziehung zu seinem Kind ist und wie gut das tut, der trägt zur Stabilität der ganzen Familie bei. Und wird dabei auch zu einer unverzichtbaren Bezugsperson für das Kind.“

Väter übernehmen dann meist jene Rolle, die die Mutter nicht übernimmt. „Sie nehmen sich anders Zeit für ihr Kind, sie hören anders zu, sie fragen anders nach, sie spielen anders mit ihm.“ Das alles sei für die Entwicklung des Kindes extrem wichtig. „Jeder Elternteil hat andere Eigenschaften und das Kind profitiert ungemein, wenn sich jeder Elternteil auch genau so, wie er oder sie ist, auf das Kind einlässt“, sagt Christine Loidl, Psychologin und ebenfalls Beraterin bei der aktion leben: „Das Kind hat damit unterschiedliche Bezugspersonen, die – etwa auch später im Leben – Ansprechpartner für unterschiedliche Themen sind.“ Und das gelte im Übrigen ganz egal, ob der Vater mit der Mutter zusammen ist oder nicht. „Der Vater kann, auch wenn er von der Mutter getrennt lebt, eine eigenständige Beziehung zum Kind haben, eine sichere Bezugsperson sein.“

Männer brauchen Mut

„Ich frage mich manchmal, ob wir als Gesellschaft das Thema Schwangerschaft und Geburt nicht immer noch zu ,frauenlastig‘ sehen und ob Väter mit ihren Themen, mit ihren Fragen nicht viel zu wenig gesehen werden“, sagt Christine Loidl: „Wenn Männer zu uns in die Beratung kommen, dann ist es oft so, dass sie sich geradezu als ,Anhängsel‘ betrachten und nicht als eigenständiger, wichtiger Part in einer Schwangerschaft.“

Es scheint tatsächlich so, dass Männer heute eine Menge Mut brauchen, um ihre Rolle als Vater ausfüllen zu können. Mut, sich nicht wegdrängen zu lassen, selbstbewusst neben der Mutter ihr Vater-Sein zu leben und sich auf die Gefühle, die dieses Vater-Werden und Vater-Sein in ihnen auslöst, auch einzulassen.

„Zu sagen, nur die Mutter ist wichtig, ist ganz bestimmt grundfalsch“, sagt auch Johanna Jagoditsch: „Grundsätzlich ist es doch so: Wenn ein Baby auf die Welt kommt, dann ist das eine wunderschöne Sache, aber die meisten Eltern – Mütter wie Väter – sind davon erst mal vollkommen überwältigt und auch verunsichert. Aber man wächst da hinein. Mütter, aber genauso die Väter – wenn sie es zulassen. Und wie schön ist das dann für ein Kind die Erfahrung zu machen: Mein Vater interessiert sich für mich!“ 

Nähere Infos zu den Angeboten der aktion leben unter
www.aktionleben.at.
Unter 01/ 512 52 21 können Sie
einen Beratungstermin oder auch
einen Termin für das Väter-Coaching vereinbaren.

Autor:

Andrea Harringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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