Klimaschutz
Meine Hoffnung liegt bei der Jugend

Pakistan gehört zu den Ländern, die weltweit am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. 
Die Zahl heftiger Überschwemmungen steigt an, wie das Bild aus der Provinzhauptstadt Lahore zeigt. | Foto: Sajjad Xinhua/Eyevine/picturedesk.com
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  • Pakistan gehört zu den Ländern, die weltweit am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.
    Die Zahl heftiger Überschwemmungen steigt an, wie das Bild aus der Provinzhauptstadt Lahore zeigt.
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Adil Najam, ein renommierter Umweltforscher und Klimapolitikexperte, hat an zwei zentralen Berichten des Weltklimarates mitgewirkt. Er hofft, dass seine Kinder und ihre Generation nicht die Fehler wiederholen, die er gemacht hat.

Der gebürtige Pakistani weiß heute, dass der Klimawandel nicht bloß ein intellektuelles Zukunftsproblem ist. Bezüglich Klimaschutz sieht er eine unterschiedliche Verantwortung von reichen und armen Staaten.

Während im schottischen Glasgow Delegierte aus 197 Staaten auf dem UN-Klimaschutzgipfel COP26 über eine neue Vereinbarung zum Klimaschutz verhandeln, treffe ich den Umweltforscher Adil Najam, der auf Einladung des Wiener Instituts für Dialog und Kooperation (VIDC) nach Wien gekommen ist.

Zu Beginn unseres Gesprächs bekennt sich der gebürtige Pakistani Najam als ein früherer glühender Anhänger dieser Klimaschutzkonferenzen, aber diese Einstellung habe sich im Laufe der Jahre verändert. Und der Kenner der klimapolitischen Szene sollte mit seiner Prophezeiung zum Ergebnis des Gipfels recht behalten: „Leider erwarte ich nicht mehr allzu viel.

Seit einem Vierteljahrhundert wird verhandelt und das Problem ist einfach nicht gelöst worden. Das liegt daran, dass die führenden Politiker, aber auch die einfachen Menschen dieses nicht wirklich lösen wollen. Wir schieben es, wie die Amerikaner sagen, auf die lange Bank“, sagt Adil Najam. „Jedes Treffen endet im Wesentlichen damit, dass wir schauen, was das nächste Treffen bringen wird.

Es ist jedoch nicht mehr an der Zeit, neue Versprechungen zu machen, sondern die Länder müssen endlich gezwungen werden, die Zusagen, die sie bereits seit 25 Jahren gemacht haben, zu erfüllen.“

  • Ich habe Ihren Tweet im Internet gelesen: „Die Strategie der USA bei globalen Klimaverhandlungen ist nach wie vor unverändert.“ Was meinen Sie damit?

Mein Eintrag bei Twitter bezieht sich auf die USA, es geht nicht nur um die Vereinigten Staaten, aber die USA sind ein gutes Beispiel dafür. Seit einem Vierteljahrhundert besteht die Strategie vor allem darin zu sagen: „Nun, wir würden gerne mehr tun, aber unsere Leute sind nicht bereit dafür.“ Ja, das stimmt. Und jede Regierung wiederholt dieselben Worte: „Wir würden gerne mehr tun, aber wir können nicht wirklich die Benzinsteuer ändern, oder wir können nicht wirklich dieses Gesetz für Null-Emissionen machen, weil die Leute das nicht wollen.“

Zuerst müssen immer die eigenen Landsleute als Entschuldigung herhalten. Zweitens suchen die politisch Verantwortlichen nach einem anderen Schuldigen. Früher hat man oft die Chinesen beschuldigt. Heute sagen sie zu den ärmsten Ländern, die nicht einmal große Emissionen verursachen: „Ihr solltet mehr tun!“

Ein Kommentar zu meinem Tweet gibt mir zu denken: „Das ist ein Theater des Absurden. Es wäre lustig, wenn es nicht so ernst wäre, wie die Länder sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben.“

  • Sie betonen immer wieder: „Wir leben jetzt im ‚Zeitalter der Anpassung‘. Der Klimawandel ist nicht mehr nur eine Herausforderung von morgen, die abgewendet werden muss. Für zu viele Menschen ist er bereits heute eine Realität, die es zu bewältigen gilt.“
  • Was bedeutet es insbesondere für die Entwicklungsländer, in diesem Zeitalter der Anpassung zu leben?

Wir sollten aufhören, uns selbst zu belügen, denn wir reden immer noch darüber, als ob es etwas ist, das erst morgen passieren wird. Und daran bin ich auch schuld, denn ich habe früher Vorträge gehalten und bei jedem Gedanken ein Diagramm darüber erstellt, was im Jahr 2100 oder 2200 passieren wird. Und mir wurde jetzt erst klar, dass ich damit den Zuhörern signalisierte, dass wir alle Zeit der Welt haben.

Tatsache ist, dass heute mindestens eine Milliarde Menschen auf der Welt von Klimaveränderungen betroffen ist. Wenn die Menschen in Griechenland eine Hitzewelle, in Österreich Überschwemmungen, in Kalifornien oder Australien Brände, in Pakistan eine Dürre erleben – der Klimawandel ist bereits jetzt da und er wirkt sich heute auf uns aus.

Er ist nicht mehr nur ein Thema für die Zukunft.

  • Und was heißt jetzt Anpassung?

Das Klima zwingt die Menschen, sich anzupassen, und in der Anpassung liegt auch eine Möglichkeit zur Entwicklung. Anstatt nur zu sagen, dass jeder seine Emissionen reduzieren soll, müssen wir uns mit der Klimaanpassung befassen, was bedeutet, dass die Menschen in der Lage sein müssen, ihr Leben zu ändern.

Sie müssen nicht nur mit geringeren Emissionen, sondern auch mit den Klimaauswirkungen zurechtkommen. In gewisser Weise sollte man in Pakistan und in den Entwicklungsländern den Sprung zu einer nachhaltigen Entwicklung wagen, anstatt erst die schmutzige Entwicklung voranzutreiben und sie danach zu bereinigen.

In den reichen Ländern besteht die Herausforderung darin, dass es bereits eine schmutzige Entwicklung gibt. Also sollten wir diese jetzt bereinigen. Aber Länder wie Pakistan müssen nicht denselben Weg einschlagen. Und hier ist die internationale Zusammenarbeit gefragt: Kann die Welt den Entwicklungsländern helfen, einen anderen Weg zum Wohlstand zu wählen?

  • Ihr Heimatland Pakistan ist für weniger als ein Prozent der weltweiten Treibhaus–gasemissionen verantwortlich, gehört aber zu den Ländern, die am stärksten von den durch den Klimawandel verursachten Klimaextremen betroffen sind. Wie sehen Sie die Situation?

Etwa 150 Länder befinden sich in derselben Situation. Sie verursachen sehr geringe Emissionen und stehen an vorderster Front des Klimawandels: Pakistan, Bangladesch, die meisten kleinen Inselstaaten, der größte Teil Afrikas, halb Asien.

Dennoch besteht durch das internationale System der Druck auf Pakistan, die Emissionen zu reduzieren. Selbst wenn Pakistan mit seinen 200 Millionen Bewohnern seine Emissionen auf Null reduzieren würde, würde dies das Problem nicht ändern.

Das Weltproblem liegt darin, dass die großen Emissionen aus China und den USA kommen. In gewisser Weise sollten also verschiedene Länder verschiedene Verantwortlichkeiten haben.

Wenn es endlich einmal zu einem guten Abkommen kommen würde, dann sollte es folgendermaßen aussehen:

  • Reiche Leute, nicht nur Länder, diejenigen, die viel emittieren, erklären sich bereit, ihre Emissionen drastisch zu reduzieren, d. h. ihren Lebensstil zu ändern.
  • Diejenigen, die ärmer sind und ihre Emissionen künftig erhöhen werden, einigen sich darauf, dass sie nicht mehr den gleichen Entwicklungsweg einschlagen, sondern einen nachhaltigen Pfad gehen, damit ihre künftige Entwicklung nicht zu neuen Emissionen führt. Dann ist eine Win-Win-Situation gegeben. Leider wird ein solcher Pakt auch in Glasgow nicht erreicht.
  • Was ist Ihre größte Angst für unseren Planeten in der Zukunft?

Meine größte Angst ist die menschliche Arroganz. Wir denken, wir sind äußerst klug. Wir sind zwar klug, aber nicht so klug. Meine größte Hoffnung liegt bei den jungen Menschen. Ihre Leidenschaft für den Klimaschutz ist echt, denn sie sind die erste Generation, die überzeugt ist, dass diese Klimaproblematik tatsächlich Auswirkungen auf sie haben wird. Für meine Generation war der Klimawandel bloß ein intellektuelles Zukunftsproblem.

Ich lege zwar meine Hoffnung in die künftigen Entscheidungsträger, aber meine Angst ist dennoch, dass unsere Arroganz uns in die Quere kommt. Dann werden wir das tun, was arrogante Gesellschaften immer tun, nämlich auf die Katastrophe warten.

  • Welche Botschaft möchten Sie Ihren Kindern mit auf den Weg geben?

Meine Kinder denken, dass ich nicht genug für das Klima tue – und sie haben recht. Meine Botschaft ist, dass ich hoffe, dass sie meine Fehler nicht wiederholen werden. Als ich jung war, hatte ich die gleiche Leidenschaft. Ich dachte, auch ich könnte die Dinge verändern. Und als ich dann an der Reihe war, haben wir nicht getan, was wir für richtig hielten.

  • Was haben Sie verabsäumt?

Mein Team und ich dachten zu diesem Zeitpunkt, wir hätten genug Zeit, dass dies alles noch in der Zukunft läge und jemand anderer es tun würde. Ökonomen bezeichnen dies als Trittbrettfahren: Jeder von uns unterlässt es, das Richtige zu tun, in der Hoffnung, dass jemand anderer das Richtige tun würde. Das Problem ist, dass jemand anderer darauf wartet, dass Sie das tun.

Deshalb denke ich, dass der Klimawandel nicht nur eine Frage der globalen und nationalen Politik ist, er ist auch eine Frage der individuellen Verantwortung.

  • Was kann und soll der Einzelne tun?

Das bedeutet nicht automatisch eine unbequeme, jedoch eine achtsame Lebensweise. Es geht darum, wie und wo wir leben, wie wir essen, wie wir reisen. Es liegt an unserer Beziehung zu unserer Umwelt.

Ist es meine Aufgabe, dem Planeten alles zu nehmen, was ich zu meinem Vorteil nutzen kann? Oder ist es meine Aufgabe, den Planeten für die Zukunft in einem mindestens so guten Zustand zu hinterlassen, wie ich ihn vorgefunden habe?

Pakistan gehört zu den Ländern, die weltweit am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. 
Die Zahl heftiger Überschwemmungen steigt an, wie das Bild aus der Provinzhauptstadt Lahore zeigt. | Foto: Sajjad Xinhua/Eyevine/picturedesk.com
Adil Najam ist Umweltforscher und Experte für globale Klimapolitik, Professor und Dekan an der Boston University, Leitautor von zwei zentralen Berichten des Weltklimarates IPCC. | Foto: Markus A. Langer
Autor:

Markus Albert Langer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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