Die Sonntagsspaziergänge
An der Grenze zwischen Tag und Nacht

Hier oben beim Schloss Wilhelminenberg hat man einen wunderbaren Blick auf Wien. | Foto: Andrea Harringer
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  • Hier oben beim Schloss Wilhelminenberg hat man einen wunderbaren Blick auf Wien.
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Schon zum fünften Mal gehen wir heute für den SONNTAG spazieren. Heute geht es ausnahmsweise weniger um einen bestimmten Ort – obwohl wir einen besonders schönen für diese Folge der SONNTAGsspaziergänge gefunden haben - sondern um eine ganz spezielle Tageszeit: den Abend.

Spazieren gehen? Ernst jetzt, Mama?“ Die Begeisterung meines 13-Jährigen, als ich ihm in einem der Lockdowns in Ermangelung einer anderen Art der Bewegung vorschlug, doch jeden Tag einen ausgedehnten Spaziergang zu machen, war enden wollend.

Der Bewegungsdrang dann aber doch groß und so ging er mit. Beim ersten Mal noch recht lustlos – doch schon beim zweiten Mal merkte ich, dass sich bei ihm etwas veränderte: Das Spazierengehen begann ihm Spaß zu machen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Promenadologen Bertram Weishaar, den ich Anfang des Sommers interviewt habe und der – unter anderem – davon sprach, dass Gehen einfach glücklich macht. Tobias hatte offensichtlich genau diese Erfahrung gemacht.

Die Freude daran, durch die Straßen Wiens zu gehen, durch – unbekannte – Parks oder im Wald herum zu strawanzen ist ihm, ist uns, auch nach dem Ende der Lockdowns geblieben. Gerade in den vergangenen Wochen haben wir unsere „Mini-Ausflüge“ immer wieder witterungsbedingt in die Abendstunden verlegt – ist es da doch nicht mehr so drückend heiß.

Irgendwann hatten wir dabei die Idee, so spät zu beginnen, dass wir dabei auch den Sonnenuntergang genießen können – am besten von weiter oben, vielleicht sogar mit Blick auf die Stadt.

Alle Wege führen zum Schloss…
Für den heutigen Spaziergang haben wir uns genau so einen Ort ausgesucht. Die Gegend rund um das Liebhartstal im 16. Wiener Gemeindebezirk mit dem Ziel: Schloss Wilhelminenberg. Wege, die da hinaufführen gibt es natürlich unendlich viele. Und spätestens wenn es bergauf geht, befindet man sich in einer wunderschönen Gegend Wiens. Schmale Straßen, gesäumt von Bäumen, wenig – bis gar kein – Verkehr. Hier hört und spürt man die Stadt kaum.

Wir starten heute beim Ottakringer Bad – das übrigens sehr gut öffentlich erreichbar ist, etwa mit der Buslinie 51A oder mit der U3 und der Buslinie 46B. Am liebsten würde ich ja über das Areal des Otto-Wagner-Spitals und die Otto-Wagner-Kirche gehen, aber das ist beim Recherchieren und Schreiben dieses Artikels coronabedingt leider noch nicht möglich. So wählen wir einen anderen Weg, auf dem es sich genauso vortrefflich spazieren lässt. Wir gehen den Hansi-Schmid-Weg und dann die Johann-Staud-Straße bergauf.

Nach etwa 15 Minuten Fußweg wenden wir uns nach rechts in die Hertlgasse. Die nehmen wir aus einem ganz bestimmten Grund: An ihrem Ende befindet sich die sogenannte „Ganserlburg“ – ein absolut sehenswertes Gebäude. Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie von Architekt Thomas Hofer nach dem Vorbild des Schlosses Miramare in Triest errichtet.

Warum das Architekturjuwel in Wien oft als „Ganserlburg“ bezeichnet wird, ist nicht ganz gesichert. Eine der vielen Geschichten, die sich um das Haus ranken, besagt, dass zu seiner Fertigstellung ein Fest veranstaltet wurde, bei dem Gänsebraten serviert wurde. Zu dem Fest dürften allerdings nicht alle Bewohner der Gegend eingeladen gewesen sein, weshalb jene, die es nicht waren, das Gebäude fortan angeblich abschätzig als „Ganserlburg“ bezeichneten.

Hier liegt uns Wien zu Füßen

Wir gehen weiter geradeaus durch die Traunergasse und folgen dann der Liebhartstalstraße, die hier oben durch ein dichtes Waldstück führt, bis wir beim Paulinensteig ankommen. Ganze 90 Stufen stapfen wir hier bergan und folgen dann dem geschotterten Fußweg über einige Serpentinen, bis wir beim Schloss Wilhelminenberg ankommen.

Nur noch ein paar Schritte, dann sind wir auf jener Wiese, zu der wir wollen, weil man einen wunderschönen Blick auf Wien und alle seine Facetten hat: Viele Kirchen erkennt man – den Stephansdom, Alt Ottakring, Starchant, außerdem das Schloss Schönbrunn, das ORF-Zentrum, den Wienerberg mit seinen Hochhäusern und auch das höchste Gebäude in Wien, den Milleniumstower, außerdem den Flötzersteig und das AKH. Alles, was eine Großstadt ausmacht, lässt sich hier erahnen.

In ungefähr einer Stunde wird die Sonne untergehen. Der Himmel ist schon leicht rosa – weich ist das Licht jetzt gegen 20.00 Uhr, golden und warm. Wir sind nicht die einzigen, die den Übergang vom Tag zur Nacht hier erleben wollen – da und dort sitzen kleinere Grüppchen plaudern, lachen.

Wir setzen uns auf einen Stein und genießen den Blick und die Stimmung. Das Licht verändert sich minütlich, der Himmel und die Wolken werden immer mehr rosa und lila. Tobias grinst in diesen Abendhimmel hinein und meint: „Da muss ich ans Kaleidio denken – da war ein Gruppenlied ,Wir bleiben wach, bis die Wolken wieder lila sind‘.“ „Stimmt“, sage ich – ich kann mich daran erinnern, dass er das, als er vor zwei Jahren vom österreichweiten Jungscharlager heimkam, erzählt hat.

Als die Sonne fast ganz untergegangen ist, machen wir uns auf den Heimweg. Immer wieder aber richten wir unseren Blick noch in den Himmel – was sich da oben abspielt, ist einfach zu schön. Wolken und Himmel sind mittlerweile tiefrosa gefärbt, der Himmel immer noch hellblau. Genau diese Stimmung dauert aber nur wenige Minuten, dann ist der Himmel dunkelblau und die Sonne nur mehr zu erahnen.

Wenn Sterne vom Himmel fallen
Kleiner Tipp: Das Spazierengehen in den Abendstunden könnte sich in diesen Tagen bis rund um den 20. August besonders lohnen. Denn dann ist der Perseiden-Meteorstrom über Österreich aktiv – Bruchstücke eines Kometen verglühen dabei beim Eintritt in die Erdatmosphäre und sie tun das besonders hell und sind als Sternschnuppen am Himmel zu erkennen.

Heuer könnte es sein, dass der Mond das Schauspiel etwas erschwert. Richten Sie Ihren Blick trotzdem nach oben – es lohnt sich in jedem Fall.

Serie „Sonntagsspaziergänge"

Autor:

Andrea Harringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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