Über die heilige Haberilla
Haberilia, eine Heilige, die niemand kennt

Haberilia unerkannt: Dabei ließe sie sich finden - als als Äbtissin am Deckengemälde in Au zum Beispiel. Ihr Grab befindet sich bis heute in der Mehrerau.   | Foto: Böhringer
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  • Haberilia unerkannt: Dabei ließe sie sich finden - als als Äbtissin am Deckengemälde in Au zum Beispiel. Ihr Grab befindet sich bis heute in der Mehrerau.
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So, das wäre also die Haberilia aus Bregenz. Vielleicht aber auch aus Alberschwende. Nein? Klingelt da nichts? Höchste Zeit, das zu ändern und eine der unbekanntesten Bekannten Vorarlbergs kennenzulernen.

Veronika Fehle

Stichwort Heilige und Selige mit Vorarlberg-Bezug. Ok, fangen wir an! Gebhard als Diözesanpatron, den Fidelis kennt man auch. Josef ist für das Land zuständig. Kolumban und Gallus haben hier missioniert. Carl Lampert wurde vor mittlerweile auch schon wieder zehn Jahren seliggesprochen und mit Ilga, Dido und Merbod hat der Bregenzerwald so etwas wie drei „Lokalselige“. Das ist sicher noch längst nicht alles. Auf Haberilia aber käme man dennoch nicht sofort. Eigentlich komisch, weil sich die Wallfahrt zum Grab der Haberilia doch bis 1809 hält. Damals war das, was man heute Vorarlberg nennt in großen Teilen bayerisch. Das Kloster in der Mehrerau war aufgehoben worden und die Klosterkirche, in der Haberilias Grab zu finden war, zerstört.

Ein Rest ist geblieben

Das Wissen um Haberilia hat sich als Bodensatz über die Jahrhunderte hinweg erhalten. So wurde beispielsweise im Vorarlberger Volksblatt am 29. Jänner 1929 über die hl. Haberilia berichtet und das Bregenzer Pfarrblatt widmete ihr noch am 1. Februar 1949 einen Beitrag. Beide Berichte erscheinen nicht zufällig Ende Jänner, beziehungsweise Anfang Februar. Denn der Jahrestag der hl. Haberilia fällt auf den 30. Jänner. Das weiß auch der Vorarlberger Volkskalender, der den Gedenktag von 1888-1938 und dann ab 1948 führt.
Fängt man erst damit an, nach Haberilia zu suchen, so wird man auch heute noch fündig. Das fängt bei Historikern wie Karl Heinz Burmeister und Theologen wie Johannes Duft an und hört bei Medienmenschen wie dem gebürtigen Dornbirner Thomas Planinger auf, auf den der größte Teil des Wikipedia-Eintrags zurückgeht, der sich mit Haberilia als einer der „großen Töchter Vorarlbergs“ beschäftigt. Ganz von der Bildfläche verschwunden ist Haberilia also nicht.

Eine legendäre Frau

Der Legende nach ist Haberilia eine waschechte Bregenzerin oder eine gestandene Alberschwenderin oder von ganz woanders - nämlich aus St. Gallen. Sicher ist sich die Legende allerdings darin, dass Haberilia als junge Frau die irischen Mönche Kolumban und Gallus ca. an dem Ort, der heute Bregenz ist, predigen gehört habe. Haberilia war begeistert, beschloss, den Worten dieser feurigen Prediger nachzufolgen und wurde Einsiedlerin. Von Gallus höchstpersönlich soll sie den Nonnenschleier erhalten haben und dem Bregenzer Kloster als Äbtissin zugeteilt worden sein. Haberilia muss zu Lebzeiten bereits wohltätig gewesen sein, denn nach ihrem Tod ereigneten sich an ihrem Grab viele Wunder. Beerdigt wurde sie übrigens vor dem Katharinenaltar in der Mehrerauer Klosterkirche. So weit die Legende.

Klostergründung „Land unter“?

Nun haben es Legenden ja so an sich, dass sich in ihnen Erzählung und Historie oft grenzenlos vermischen. Davon kann man bei Haberilia sicher auch ausgehen. Gründe dafür gibt es viele. Zum einen hatte das Kloster in der Mehrerau großes Interesse daran, die eigene Entstehungsgeschichte irgendwie mit Kolumban und Gallus in direkte Verbindung zu bringen. Haberilia war hier ein gutes Bindeglied. Wenn sie nämlich den Heiligen Kolumban und Gallus noch persönlich begegnet wäre, hätte das Kloster in der Mehrerau plötzlich einen direkten Anknüpfungspunkt zwischen der eigenen Geschichte und der Bregenzer Klostergründung durch Kolumban um 610 gefunden.

Auf großem Fuße

Das alles kann so freilich nicht sein. Schon allein deswegen, weil das Gebiet der heutigen Mehrerau um 610 noch „Land unter“ war. Die Klostergründung durch Kolumban lasse sich, so die Wissenschaft, eher mit dem Standort der heutigen Landesbibliothek in Verbindung bringen, als mit dem Kloster in der Mehrerau. Dennoch hat sich die Legende sogar in Redewendungen aus dem Lindauer Raum noch lange Zeit erhalten. Dort hieß es über Frauen, die große, schneidige Schritte machen nämlich: „Die hat Orillen-Schritt.“ Haberilia soll nämlich einmal, so heißt es, mit einem einzigen Schritt von Fußach nach Lindau geflüchtet sein. Das ist mit Sicherheit eine legendäre Leistung.

In und um die Mehrerau

Was eher stimmt, ist, dass Haberilia, so hat es der Theologe Johannes Duft beschrieben, eine Inklusin oder Begine - eine zurückgezogen lebende, aber nicht direkt dem Kloster angehörende Frau - gewesen ist. Gewirkt habe sie im Umfeld des heutigen Klosters in der Mehrerau. Damit ist dann aber auch schon fast alles gesagt, was man über die historische Haberilia sagen könnte. Sehr wahrscheinlich lebte sie um 1100 in Bregenz. In der Frage, ob sie nun in Alberschwende oder in Bregenz geboren wurde, müsste man sich auf ein „Unentschieden“ einigen. In den Totenbüchern der Mehrerau wird ihr Name jedenfalls erwähnt und sie als Äbtissin geführt. Aber Vorsicht, auch das kann in die Irre führen und ist vielleicht nicht mehr als ein „legendärer“ Zusatz, der auf die Geschichte zwischen Gallus und Haberilia anspielt.

Über die Erde „geschleufft“

Was aber als gesichert angenommen werden kann, ist, dass sich Haberilias Grab in der Krypta der Mehrerauer Klosterkirche befunden hat, wo auch die Äbte beigesetzt wurden. Es wird angenommen, dass sie ihren prominenten Platz wohl ihren Diensten als Krankenpflegerin und Fürsprecherin - besonders für kranke Kinder - verdankt. Urkundlich bezeugt ist das Haberillen-Grab übrigens erstmals 1462. Seit dem ausgehenden Mittelalter hatten aber vor allem Mütter mit ihren kranken Kindern die Wallfahrt zu ihrem Grab angetreten. Die Kinder mussten dann dreimal unter der erhöhten Grabplatte „durchgeschleufft“ werden. Gebete wurden gesprochen und wohl auch das Bild der Seligen, das neben dem Grab aufgestellt war, berührt. So entstand auch die Redensart aus Lauterach: „Dieses Kind gehört in die Mehrerau.“ Kindern, die nicht transportfähig waren, legte man ein Säckchen mit Erde vom Grab der Haberilia ins Bett. Wurde das Kind gesund, musste das Säckchen zum Grab zurückgebracht werden.

Und wo ist sie heute?

Das Grab der Haberilia musste über die Jahrhunderte hinweg mehrfach „umziehen“. Warum die Tradition der Wallfahrt endete? Aufklärung und Josephinismus sowie die Zerstörung der Klosterkirche haben sicher dazu beigetragen. Auch, dass das Grab mehrmals verkleinert wurde und den Standort wechselte, trug dazu bei. Heute befindet es sich wieder in der Unterkirche der Klosterkirche - beziehungsweise das, was man heute als das Grab der Haberilia annimmt.

Denn in den 1960er- Jahren fand man bei archäologischen Untersuchungen in der mittlerweile neu errichteten Klosterkirche Teile von insgesamt 17 Skeletten. Ob Haberilia dabei war, kann man so nicht eindeutig feststellen. Es ist aber auch zweitrangig. Bemerkenswert ist aber, dass die Gebeine 1996 in einem großen Holzsarg gemeinschaftlich verschlossen wurden und in der neuen Sarginschrift Haberilia an prominenter Stelle erwähnt wird. So söhnen sich Legende und Historie einer bemerkenswerten Frau am Schluss vielleicht ja doch noch ein wenig aus.

Ähnlichkeiten: Merbod und Haberilia
Wenn es nach Pater Isidor Hopfner und seiner „Vorarlbergia Sacra“ (1927) ginge, dann wäre Haberilia eindeutig dem Bregenzerwald zuzuschreiben. In Alberschwende nämlich habe Haberilia den seligen Merbod, der dem Kloster in der Mehrerau angehörte, predigen gehört und habe sich daraufhin selbst für ein Leben als Klausnerin in der Nähe des Klosters entschieden. Haberilia sei somit eine Wälderin. Ob Haberilia tatsächlich Merbod getroffen hat, bleibt im Dunkeln. Auffallend sind einige Parallelen in den Traditionen rund um Merbod und Haberilia.

Die hl. Haberilia als Fensterbild in Alberschwende. | Foto: Fehle

Wie Haberilia wurde Merbod für erkrankte Kinder angerufen. Mütter legten die Kleider der Kinder an seinem Grab ab. Wurden die Kinder gesund, schenkte man die Kleider weiter. Auch nahm man Wasser aus der Quelle bei seinem Grab mit und besprengte damit die kranken Kinder. Das ähnelt dem Brauch, Erde aus dem Grab der Haberilia zu entnehmen und den Kindern unters Kopfkissen zu legen. Gemeinsam mit Merbod ist Haberilia auch, dass sie in der Pfarrkirche von Alberschwende ein Fenster hat. Auch im Deckengemälde von Au ist sie zu sehen und in Bregenz St. Gallus war sie lange mit eigenem Fenster präsent. Und wer weiß, wo sie noch „schlummert“ - unerkannt.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 37 vom 16. September 2021)

Haberilia unerkannt: Dabei ließe sie sich finden - als als Äbtissin am Deckengemälde in Au zum Beispiel. Ihr Grab befindet sich bis heute in der Mehrerau.   | Foto: Böhringer
Die hl. Haberilia als Fensterbild in Alberschwende. | Foto: Fehle
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KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt

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