Interview
„Wir befinden uns in einer leisen Kirchenspaltung“
Jacqueline Straub weiß, wo ihr Platz in der Kirche sein sollte: am Altar, als Priesterin. Im Interview spricht sie über ihren Weg zum Glauben, rückwärts gewandte Katholik/innen und den Kampfgeist, lautstark Reformen einzufordern.
Was war als Kind Ihr Bezug zur katholischen Kirche? Wie sind Sie mit Religion und Glauben aufgewachsen?
Jacqueline Straub: Ich wuchs in einem katholischen Dorf auf. Es war ganz normal, zur Erstkommunion zu gehen. Dennoch packte mich der Gottesdienst nie, da es keine Kindergottesdienste gab und der Priester sehr streng war.
Wie wussten Sie, dass es das Richtige für Sie ist, als sie im Teenageralter zum Glauben gefunden haben?
Straub: Als Teenagerin hatte ich eine Schulfreundin, die sehr gläubig war. Zum ersten Mal kam ich mit einer jungen, gläubigen Person in Kontakt, die ganz frei, unbeschwert und wunderbar von ihrem Glauben erzählte. Das hat mich fasziniert und deswegen wollte ich mehr davon erfahren. Ich habe mir dann eine kleine Taschenbibel gekauft und habe mich mit meiner Freundin über die Bibel und Gott ausgetauscht.
Haben Ihre Freund/innen Sie damals verstanden?
Straub: Durchaus. Es gab aber ein paar Klassenkamerad/innen, die es komisch fanden, dass ich plötzlich so gläubig war und Freude an der Kirche hatte. Spätestens als sie erfahren haben, dass ich nach dem Abitur Theologie studieren werde, wussten sie, dass es nicht einfach nur eine „Phase“ war.
Hatten Sie mit 15 Jahren das Gefühl als praktizierende Katholikin zu einer kleinen Minderheit zu gehören?
Straub: Nein, das hatte ich nicht. In der Pfarrei, in der ich als Teenagerin mit meiner Familie gezogen bin, war sehr lebendig. Es gab enorm viele Ministrant/innen. Sehr viele aus meiner Klasse ministrierten und engagierten sich in der katholischen Kirche.
Als Sie für sich wussten, dass Sie Priesterin werden wollen, wer hat sie am meisten bestärkt und unterstützt?
Straub: Meine Mutter stand immer hinter mir und hat mich ermutigt meinen Weg zu gehen. Auch mein Religionslehrer ermutigte mich, er und auch mein Pfarrer empfahlen mir Theologie zu studieren.
Sie stehen konsequent dafür ein, dass Sie römisch-katholische Priesterin werden wollen. In der Vergangenheit kam dafür immer wieder heftige Kritik, zum Teil sehr untergriffig. Haben Sie sich eine persönliche Schutzschicht zulegen müssen?
Straub: Ja, das muss man. Denn leider gibt es genügend Menschen, die Gott und sein Wirken in eine kleine Box stecken und sich nicht vorstellen können, dass auch Frauen eine Berufung zur Priesterin spüren können. Ich habe einen guten Weg gefunden, mit all dem Hass und der Anfeindung umzugehen: Ich nehme alles mit ins Gebet und lege es vor Gott. Ich bitte dann, dass dieser die Herzen der Menschen mit Liebe füllt, sodass sie anderen Menschen weniger mit Ablehnung begegnen. Aber zum Glück erhalte ich viel mehr Zuspruch und Unterstützung als Ablehnung.
Der Priestermangel führt dazu, dass auch von liberaler Seite in der katholischen Kirche die Frage gestellt wird, ob man in Zukunft überhaupt Priester braucht. Können Sie mit dieser Debatte etwas anfangen?
Straub: Ich glaube durchaus, dass es Priester/innen in Zukunft braucht. Die Frage ist nur, wie das Berufsbild in Zukunft aussehen wird. Statt über die Abschaffung des Priesters nachzudenken, müssen von der Amtskirche die Kriterien für die Zulassung zum Weihedienst verändert werden: alle Menschen, die sich berufen fühlen und die notwendige theologische Qualifikation mitbringen und die Freiwilligkeit zum Zölibat.
Verstehen Sie junge Menschen, die aus Enttäuschung die katholische Kirche verlassen?
Straub: Selbstverständlich. Die Kirche liefert uns leider jeden Tag unzählige Gründe auszutreten. Aber ich bleibe, weil ich die Kirche zu einem besseren Ort machen möchte und nicht jenen das Feld überlassen werde, die Menschen ausgrenzen und diskriminieren.
Sie fordern Reformen und in der katholischen Kirche tut sich da bislang noch wenig. Was ist Ihre Strategie, um auf diesem zähen Weg nicht zu ermüden?
Straub: Geduld und Vertrauen auf Gott. Gleichzeitig werde ich mir immer bewusst, wie viele großartige Menschen schon jetzt an der Zukunft der Kirche arbeiten und sie Stück für Stück voranbringen. Das schenkt mir Hoffnung.
Auch unter jungen Katholik/innen gibt es konservative Milieus, die in der katholischen Kirche gar nichts ändern wollen, denen etwa Gleichberechtigung der Geschlechter kein Anliegen ist. Wie gehen Sie damit um, wenn sich manche Bischöfe durch diese Gruppen bestärkt fühlen, dass sich in der katholischen Kirche nichts ändern muss?
Straub: Diese reaktionären Gruppen sind sehr klein und dennoch sind sie enorm laut und auch international gut vernetzt – vor allem mit rechtskonservativen Bischöfen. Die Bischöfe stehen in der Verantwortung, die Kirche voranzubringen, dabei auf das Volk zu hören und den Glauben der Menschen zu fördern.
Wenn sie sich von einer kleinen fundamentalistischen Gruppe leiten lassen, machen sie sich mitverantwortlich, wenn Menschen aus der Kirche austreten und teilweise sogar Gott den Rücken kehren. Was diese Bischöfe vielleicht zu wenig im Blick haben: Treten Menschen aus der Kirche aus, werden sie auch ihre Kinder nicht taufen lassen. So kommen die zukünftigen Generationen gar nicht mehr in Kontakt mit der Kirche. Das wird uns in den nächsten Jahrzehnten als Kirche noch vor enorme Herausforderungen stellen.
Was antworten Sie den Kritiker/innen, die eine Kirchenspaltung als logische Konsequenz des Frauenpriestertums sehen?
Straub: Die Kirchenspaltung haben wir bereits, eben weil es keine Reformen gibt. Viele Menschen können sich nicht mehr mit ihrer Kirche identifizieren, die noch immer zu wenig sieht, dass die Machtstrukturen zum Missbrauch geführt haben. Sie verlassen die Kirche wegen fehlender Transparenz und fehlender Gleichberechtigung der Geschlechter. Wir befinden uns derzeit in einer leisen Kirchenspaltung – und zwar weltweit. Denn viele sind müde geworden, noch zu begründen, warum sie gehen oder denken, dass ihr Bischof es eh nicht hören möchte. Und ich möchte anmerken: Bei einer großangelegten Umfrage unter Katholik/innen in Südamerika zeigte sich, dass auch dort Reformen gewünscht werden. Demnach sind zum Beispiel 78 Prozent der Katholik/innen in Brasilien für das Frauenpriestertum. Fehlende Frauenrechte in der Kirche sind ein globales Problem.
Warum kommt eine Konversion zu der evangelischen Kirche für Sie persönlich nicht infrage?
Straub: Weil die katholische Kirche meine Heimat ist.
Was können für junge Leute die stärksten Argumente für ein aktives Leben mit der Kirche in einer Pfarre sein?
Straub: Junge Menschen möchten gehört und gesehen werden. Sie möchten sich einbringen können. Eine Pfarrei muss ihnen das ermöglichen. Es braucht daher verschiedene „Inseln“, auf denen junge Menschen einen Zugang zur Kirche und zum Glauben finden können, etwa auch zielgerichtete Angebote für junge Menschen nach der Firmung.
Vor allem müssen die Hauptamtlichen akzeptieren, dass junge Menschen ihren Glauben vielleicht anders feiern und leben wie ältere Menschen. In meiner Jugend hatten wir einen großartigen Priester, der sehr gut mit jungen Menschen umgehen konnte. Er lud uns regelmäßig zu sich nach Hause zum Essen ein. Einmal fuhr der ein paar Jungs nachts noch auf eine Party, weil sie bereits ein paar Bier getrunken hatten. Und ich glaube, dass er sie wieder abgeholt hat, damit die Eltern schlafen konnten. Die Seelsorgenden in meiner Pfarrei gaben uns jungen Menschen immer viel Raum, uns zu entfalten. Wir waren gerne Teil der Kirche.
Welchen Platz kann die katholische Kirche jungen Menschen bieten, den sie vielleicht woanders nicht so leicht bekommen?
Straub: Die Kirche schenkt Gemeinschaft und einen Ort, den Glauben zu leben und zu vertiefen. Das ist etwas wunderbares. Und gerade junge Menschen, die auf der Suche sind und viele Sinnfragen haben, kann die Kirche eine gute Anlaufstelle sein.
Vor rund 20 Jahren haben sich in der Diözese Linz sieben Frauen gegen den Willen des Vatikans „illegal“ zu Priesterinnen weihen lassen. Ist dieser Schritt für Sie nachvollziehbar?
Straub: Ja. Ich kenne einige dieser Frauen und weiß, wie lange sie zuvor gekämpft hatten. Sie haben versucht, mit theologischer Forschung die Amtskirche von der Gleichberechtigung zu überzeugen. Sie schrieben Briefe an den Papst und ihre Bischöfe. Auch wenn ich diesen Schritt nicht gehen würde, ich spüre bei diesen Frauen eine große Liebe zur Kirche.
Welche jüngeren Entwicklungen in der Kirche stimmen Sie positiv?
Straub: Dass beim „Synodalen Weg“ der Grundtext zur Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche angenommen wurde. Aber auch, dass immer mehr Frauen und Frauenverbände auf der ganzen Welt die fehlende Gleichberechtigung in der Kirche lautstark kritisieren.
Was braucht es, damit dieses zarte Reformpflänzchen nicht gleich wieder verdorrt?
Straub: Einen langen Atem, Solidarität untereinander, aber auch Kampfgeist, weiterhin laut zu bleiben. Und vor allem: Vertrauen auf den Heiligen Geist, dass er unsere Kirche und die Verantwortlichen leiten wird. «
Vortrag beim Diözesanplenum
Jacqueline Straub wird beim Diözesanplenum der Katholischen Jugend OÖ und dem Diözesanleitungskreis der Katholischen Jungschar über ihren Platz in der Kirche sprechen und auch darüber, wo sie sich von der Kirche momentan ausgegrenzt fühlt. Ihr Online-Vortrag beginnt am Sa., 1. Oktober, um 14 Uhr. Das Plenum findet im Bildungshaus Schloss Puchberg statt und dauert von 30. September bis 2. Oktober.
Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.