„Frauen gehören geschützt“
Recht auf Familie

Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan sind Frauen besonders bedroht.   | Foto: MARISCAL / AFP / picturedesk.com
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Frauen sind nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan besonders bedroht. Sie vorrangig nach Österreich zu holen, wäre rechtlich möglich – unter Berücksichtigung des Rechts auf Familie.

„Frauen gehören geschützt“

Gezielte Aufnahme von Frauen aus Afghanistan

Ob Frauen in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban weiter das Haus verlassen, arbeiten oder Mädchen in die Schule gehen dürfen, ist noch unklar. Klar ist aber, dass viele das Land verlassen wollen. Soll und kann Österreich sich entscheiden, nur Frauen und Mädchen aufzunehmen? Paula Wintereder von der Katholischen Frauenbewegung (kfb) und Andreas Wimmer, der an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) zu Asyl- und Migrationsrecht forscht, geben Antworten darauf.

„Wir sehen die Not der Frauen in Afghanistan mit Schaudern“, sagt Paula Wintereder, Vorsitzende der kfb OÖ. Die größte Frauenorganisation Oberösterreichs ruft die Bundesregierung zur Rettung afghanischer Frauen auf, da diese von der islamistischen Terrorgruppe der Taliban besonders bedroht seien. „Frauen gehören geschützt, nicht nur hier in Österreich, sondern auch in Afghanistan. Man darf nicht wegschauen“, sagt Paula Winter­eder. Besonders gefährdet seien jene Frauen, die sich für Menschenrechte, demokratische Werte, Gleichberechtigung oder einen Bildungszugang für Frauen einsetzen. Daher sei es sinnvoll, zwar nicht nur, aber vorrangig diese Frauen nach Österreich zu holen.


Verschiedene Rechtsebenen

Jurist Andreas Wimmer von der JKU Linz, Forschungsschwerpunkt Asyl- und Migrationsrecht, versteht das Bedürfnis und die moralische Verpflichtung, Menschen helfen zu wollen. Dies gelte es jedoch zu trennen von der rechtlichen Seite, die naturgemäß betont sachlich sei. „Zentrales völkerrechtliches Dokument ist die Genfer Flüchtlingskonvention. Die besagt im Wesentlichen, dass ein Mensch Anspruch auf Asyl hat, wenn er im Herkunftsstaat Verfolgung ausgesetzt ist, und der Herkunftsstaat für dessen Sicherheit nicht garantieren kann. Da mit den Taliban eine islamistische Organisation das Staatswesen übernommen hat, die als terroristisch eingestuft wird, ist der Tatbestand der Verfolgung in den meisten Fällen erfüllt.“ Konkret träfe das auch auf Afghaninnen zu, die nachweislich öffentlich aufgetreten sind, um etwa für Demokratie und Frauenrechte zu kämpfen. Neben der Genfer Flüchtlingskonvention komme noch die europäische Ebene mit der sogenannten Dublin-III-Verordnung zum Tragen. Diese besagt, dass derjenige Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, auf dem ein Flüchtling zum ersten Mal EU-Boden betritt. Demnach dürfte Österreich für so gut wie kein Asylverfahren zuständig sein. Dennoch gebe es in der europäischen Politik einen Konsens, Länder wie Griechenland und Italien nicht völlig im Stich zu lassen und hier Zuständigkeiten zu übernehmen.


Recht auf Familie

Wäre es nun möglich, ausschließlich Frauen aus Afghanistan nach Österreich zu holen? Verboten sei es nicht, sagt Wimmer: „Es gibt sachliche Gründe, die es erlauben, gezielt Gruppen von Afghanistan nach Österreich zu bringen. Allerdings gibt es Voraussetzungen, an die der Staat gebunden ist.“ Eine Möglichkeit sei das „Resettlement-Programm“, die „dauerhafte Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in einem zur Aufnahme bereiten Drittstaat“ (Definition laut UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR). Dazu Wimmer: „Systeme wie diese müssten diskriminierungsfrei sein und es darf grundsätzlich nicht nach Merkmalen wie dem Geschlecht differenziert werden. Man darf auch keine Familien trennen, das wäre eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.“ Das hieße in der Praxis, auch wenn Österreich zunächst nur die besonders gefährdeten Frauen aufnehmen würde, dürften die Männer nach kurzer Zeit automatisch nachkommen. „Anders stellte sich die Rechtslage dar, wenn etwa Waisenkinder oder Familien, bei denen der Vater ums Leben gekommen ist, nach Österreich geholt würden. In diesen Fällen wäre eine gezielte Aufnahme von Frauen und Kindern zulässig“, sagt der Experte.

Menschlichkeit zeigen
Aus Sicht der kfb gehe es auch nicht darum, „jetzt nur die Frauen zu holen, und die Männer bleiben dort“, sagt Paula Wintereder. „Auch die Afghan/innen wollen Familie haben, genau wie wir. Es geht vielmehr darum, die Not der Menschen wahrzunehmen, was sie brauchen und wo wir einen Beitrag leisten könnten.“ Das könne eben durch die Aufnahme von besonders gefährdeten Frauen in Österreich sein oder den Schutz der Frauenleben und deren Familien vor Ort. In den Pfarren der Diözese Linz gebe es laut kfb OÖ mehr als hundert Pfarrgemeinden, die bereit wären, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Wintereder: „Wir appellieren an die Bundesregierung, auf die Hilfsbereitschaft dieser Bürgerinnen und Bürger zu setzen und nicht jenen das Wort zu reden, die für Angstmache stehen. Natürlich können wir nicht allen helfen, aber dass wir ein menschliches Gesicht zeigen, das wünsche ich mir schon.“ «

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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