Fotos erzählen Geschichte(n)
Der wertvolle Schatz in jedem Fotoalbum

Johann Loidl (links), der 41 Jahre lang bei der Caritas tätig war, gibt Johannes Gstöttenmayer vom Verein „Geschichte teilen“ Einblick in sein bewegtes Leben. | Foto: KiZ/lila
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  • Johann Loidl (links), der 41 Jahre lang bei der Caritas tätig war, gibt Johannes Gstöttenmayer vom Verein „Geschichte teilen“ Einblick in sein bewegtes Leben.
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Fotos leben von den Geschichten, die sich dazu erzählen lassen – ob über das Leben der Abgebildeten oder historische Ereignisse. Johannes Gstöttenmayer vom Verein „Geschichte teilen“ sammelt solche alten Fotografien und besucht Menschen wie Johann Loidl. Das bewegte Leben des langjährigen Caritas-Mitarbeiters aus Linz spiegelt sich in zahlreichen Fotoalben wider.

Als Johann Loidl im Zweiten Weltkrieg einrückte, kam er zu den Gebirgsjägern und wurde nach Albanien geschickt. Loidls Trupp, bestehend aus gut einem Dutzend Männern, war mit Packeseln in einer Gebirgsgegend unterwegs, als sie an einen Fluss kamen. Die Kameraden gelangten mit ihren Tieren ohne Probleme hindurch, Johann Loidls Esel aber ist „stur stehengeblieben“.

Wie die anderen war er mit Munitionskisten beladen, die der gebürtige Linzer nach und nach abladen und einzeln durch den Fluss tragen musste. „Als ich die letzte Kiste hinübergetragen habe, ist das Rindvieh hinter mir nach. Am liebsten hätte ich ihm den Gewehrkolben übergezogen!“, erzählt er.

Im Nachhinein sollte Loidl jedoch dankbar sein für die Sturheit des Esels, denn dieser Aufenthalt rettete ihm das Leben. Loidls Trupp, der inzwischen schon einen Vorsprung hatte, geriet in einen Hinterhalt – alle Kameraden wurden erschossen, er blieb als einziger übrig.

Geschichte(n) bewahren

Nicht nur Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg kann der 97-Jährige erzählen, wenn er eines der zahlreichen Fotoalben aufschlägt, die er in seinem Zimmer im Caritas-Seniorenwohnhaus Karl Borromäus in Linz aufbewahrt. Dort haben wir ihn zusammen mit Johannes Gstöttenmayer besucht. Letzterer sammelt und digitalisiert mit seinem Verein „Geschichte teilen“ historische Fotografien, um „dem Vergessen entgegenzuwirken“.

Vergessen, dieses Wort scheint Johann Loidl nicht zu kennen: Zu beinahe jedem Foto kann er eine Geschichte erzählen. Ein Blick darauf stößt sofort eine Erinnerung aus seinem bewegten Leben an, die er freudig mit allen teilt, die gerne zuhören. Immer ist dabei auch das Große im Kleinen zu spüren, die historischen Geschehnisse hinter dem Ereignis aus dem persönlichen Leben.

Gstöttenmayer geht es darum, genau dieses Wissen und diesen Schatz, der in vermutlich vielen Fotoalben bei den Menschen zu Hause schlummert, zu bewahren. „Oft glauben die Leute, die Fotos zeigen nichts Besonderes oder die alten Dokumente sind wertlos, und werfen sie weg. Das finde ich sehr schade“, sagt Gstöttenmayer. Deshalb ermuntert er Johann Loidl auch sofort, als dieser sich kurz einmal unsicher ist, ob er fortfahren soll: „Bitte, erzählen Sie weiter. Die Fotos werden erst durch die dazugehörige Geschichte lebendig“, sagt er und blättert zur nächsten Seite im Fotoalbum.

Schwester Loidl

Viele Seiten der Alben sind gefüllt mit Fotos aus Johann Loidls 41-jähriger Tätigkeit bei der Caritas. Er sei der erste männliche ausgebildete Sozialarbeiter gewesen: „1946 kam ich mit dem ersten Heimkehrertransport von der russischen Kriegsgefangenschaft nach Hause. Nach dem ich die Not der Kriegsgefangenen gesehen hatte, fasste ich den Entschluss, einen sozialen Beruf zu ergreifen.“

Also begann er seine Ausbildung an der „Landesfürsorgerinnen-Schule“. Dort kam er in eine Klasse mit 30 jungen Frauen – andere Männer gab es nicht. „Die Schülerinnen wurden alle mit ‚Schwester‘ angesprochen, also wurde auch ich scherzhaft Schwester Loidl genannt.“ Schließlich wurde er aber doch zum Bruder Johannes, „und das bin ich geblieben“.

Eine Menge Fotos geben Einblick in die Kinder-Erholungstransporte ins Ausland, mit der die Caritas 1948 begann und die Johann Loidl koordinierte. Mehr als 35.000 Kinder aus Oberösterreich kamen mehrere Monate lang vorwiegend in Familien unter und durften dort zu Kräften kommen – in Spanien, Portugal, Holland, Belgien, Luxemburg und der Schweiz.

Der erste Kindertransport mit 600 Mädchen und Buben nach Portugal brachte gleich einige Hürden mit sich. In der Nähe von Lourdes blieb der Zug aufgrund eines Eisenbahnstreiks „stecken“. „Wir haben uns gedacht, wenn wir schon da sind, können wir ja nach Lourdes zur Grotte gehen“, erzählt Loidl. Also sind alle ausgestiegen und wohnten einem „wunderschönen Gottesdienst“ in Lourdes bei. Die große Überraschung kam aber erst danach: „Nach der Messe steht auf einmal der Bischof von Lourdes da und begrüßt die Kinder auf Französisch. Aber nicht nur das, er hat auch noch für jedes der 600 Kinder einen Kakao und ein Baguette dabei.“

Für Gstöttenmayer – und vermutlich viele Menschen der „jüngeren“ Generation – sind diese und andere Bilder ein wertvolles Zeugnis, denn: „Sie zeigen mir plötzlich Bilder aus einer für mich bisher fotolosen Zeit. Das ist sehr bewegend.

Zur Sache

Verein „Geschichte teilen“

Der Verein „Geschichte teilen“ bemüht sich, das fotografische Erbe von Linz und Oberösterreich zu bewahren. Gesucht werden alte unveröffentlichte Fotografien in Form von Fotoalben, Einzelfotos, Negativen oder auch Dias. Der gesuchte Zeitraum erstreckt sich vom Beginn der Fotografie bis 1960. Die Fotos werden digitalisiert und samt einem kleinen Dankespräsent retourniert, wobei die Bild- und Urheberrechte eingehalten werden.

Kontakt: fotoarchiv@geschichteteilen.at

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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