Bischof Scheuer und Gottes Visitenkarte
Bis vor sechzig Jahren war die Kirche Oberösterreichs eine durch und durch bäuerlich geprägte Kirche, stellte Bischof Scheuer fest. Am deutlichsten zeigte sich das beim Priester- und Ordensnachwuchs. Der Klerus stammte zum ganz großen Teil aus bäuerlichen Familien. Bauernstand und Kirche bildeten schon allein deshalb eine feste Achse. Als durch den zunehmenden Wirtschaftsaufschwung der ländliche Raum gesellschaftlich und politisch vernachlässigt wurde, hat ihm auch die Diözese Linz weniger Beachtung geschenkt, gestand Bischof Scheuer ein, um aber im selben Atemzug zu betonen: „Wir müssen das Evangelium im ländlichen Raum neu buchstabieren. Ich sehe das als Auftrag und als große Chance.“
Neben der geschichtlich bedingten Verbindung von Kirche und Landwirtschaft wies der Bischof auf eine innere Beziehung hin: „Wenn Gott eine Visitenkarte hätte, würde als Beruf Gärtner draufstehen.“ Jesus habe in seinen Gleichnissen vielfach den Alltag von Landwirten aufgegriffen: das Säen und Ernten, der Ärger über das Unkraut und die Freude an den vollen Weizenähren.
„In welchem Beruf auch immer Menschen schöpferisch tätig sind, entfaltet sich ihre Gottesebenbildlichkeit. Denn Gott hat sie als sein Ebenbild geschaffen“, betonte der Bischof. Er bezeichnete die Landwirte als schöpferische Menschen, die auf festem Grund stehen und Freude am Werden, Wachsen und Blühen haben. Zum Gespür für das Wachsen gehöre auch die Geduld des Reifens. Schöpferischen Menschen gehe es aber nicht nur um Selbstbehauptung, sondern auch um Verantwortung für andere. Zu den Bäuerinnen und Bauern sagte der Bischof im Großen Saal der Landwirtschaftskammer, in dem auch die Plenarsitzungen der Bauernvertreter stattfinden: „Sie nehmen eine große Verantwortung für das gesellschaftliche Leben im ländlichen Raum wahr. Auch in der Kirche ist der Anteil der Landwirte hoch. Dafür möchte ich ausdrücklich Danke sagen.“
Wie Papst Franziskus
Bischof Scheuer sprach auch die Klimakrise an und wies auf Papst Franziskus hin, der einen Bewusstseinswandel verlangt, der persönlich und gemeinsam erfolgen muss. Dass die meisten Agrarpreise viel zu niedrig sind und die Bauern dadurch unter massivem Druck stehen, ist für den Bischof ein Faktum: „Es ist Aufgabe der Politik, hier mehr Gerechtigkeit zu schaffen.“ Davon würde die ganze Gesellschaft profitieren: Gerade in der jetzigen Coronakrise werden die Vorteile der kleinstrukturierten Landwirtschaft deutlich. Das bloße Kopieren urbaner Lebensentwürfe führe zu nichts. Bischof Scheuer ermutigte, sich der Herausforderung zu stellen, der die Menschen im ländlichen Raum ausgesetzt sind: „Der ländliche Raum ist unter Druck, aber nicht selten werden gefährdete Räume zu Kreativräumen.“
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Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
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